Einspruchfrist im Rahmen der Offenlegung lief aus - Bürgerinitiative und Flugplatzgesellschaft reichten am Donnerstag ihre Stellungnahmen beim GVV ein

"Kornberg ungeeignet für Windräder"

Von 
Ingrid Eirich-Schaab
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Direkten Sichtkontakt hätte man vom Neubaugebiet in Bretzingen auf die geplanten Windräder. Im Hintergrund (Mitte) ist der viel diskutierte Bereich "Kornberg" zu sehen.

© Ingrid Eirich-Schaab

Gestern lief die Einspruchsfrist zur Änderung des Flächennutzungsplanes wegen der geplanten Errichtung von vier (ehemals sechs) Windkraftanlagen im Bereich "Kornberg-Dreimärker" aus.

Bretzingen/Waldstetten. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung hatten die Bevölkerung wie auch die Träger öffentlicher Belange mehrere Wochen lang die Möglichkeit, alle Unterlagen einzusehen und dagegen ihre Einwände vorzubringen. Dazu gehörte auch das mit Spannung erwartete Artenschutzgutachten des Büros Beck.

Die "Bürgerinitiative für Gesundheit und Naturschutz Hardheim" (BGN) sowie Dieter Popp und Oliver Stumpf, Geschäftsführer der Bau- und Betriebs GmbH Flugplatz Walldürn, reichten am Donnerstag ihre 62- beziehungsweise 15-seitigen Stellungnahmen beim Gemeindeverwaltungsverband Hardheim-Walldürn ein. Ihren Begründungen zufolge "ist die Änderung der geplanten Konzentrationszonen strikt abzulehnen." Eine Weiterverfolgung des Verfahrens wird als "eine sinnlose Verschwendung des Geldes der Bürger" angesehen.

Gleichzeitig ließen sie ihre Einwände dem Regierungspräsidium Karlsruhe, der Baurechtsbehörde des Landratsamtes in Mosbach und der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) in Karlsruhe per Einschreiben zukommen.

Das Gutachten der BGN wurde in Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskanzlei Baumann in Würzburg sowie dem Gutachter für Artenschutz, Büro Thomas Brötz aus Sinzig, erstellt.

Detailliert setzt sich die Stellungnahme des BGN mit dem Umweltschutzbericht und dem Artenschutzgutachten des Büros für Ökologie und Stadtentwicklung Beck auseinander und kommt als Fazit zu einer Fülle von "Ungereimtheiten, Widersprüchen und Oberflächlichkeit", die durch eigene Beobachtungen und fachliche Stellungnahmen zu einzelnen Themen belegt werden. Die BGN spricht - wie bereits in der Vergangenheit - von einem "Gefälligkeitsgutachten für den Auftraggeber Zeag".

Fülle von Ausschlusskriterien

Organisatorisch anders gegliedert, aber inhaltlich und argumentativ ähnlich, bringen beide Stellungnahmen unter anderem folgende Gründe gegen das Vorhaben vor:

Beeinträchtigung artenschutzrechtlicher Belange: Kritisiert wird unter anderem das Zurückhalten der Flugrouten. Zu gegebener Zeit will man beweisen, "dass die aufgezeichneten und nachträglich bearbeiteten Flugrouten windkraftsensibler Greifvögel des Büros Beck mit den tatsächlich möglichen nicht übereinstimmen können."

Ein Rotmilanhorst, den die BGN bereits 2015 gefunden hat, werde in dem Gutachten des Büros Beck ebenso wenig erwähnt, wie von der BGN erfasste Flugrouten in einer Höhe von bis zu 250 Meter, die das komplette Gebiet umfassen. Erwähnung finden im Gutachten Beck 15 streng geschützte Fledermausarten.

"Der Gutachter der BGN", so wird weiter vorgebracht, "konnte eine Fülle von windkraftempfindlichen Arten im Gebiet 'Kornberg-Dreimärker' nachweisen, welche ein absolutes K.o.-Kriterium für Windkraft darstellen." Genannt werden Hirschkäfer, Schlingnatter, Pirol, Mopsfledermaus, Gabelzahnmoos, Waldschnepfe, Kaisermantel, Kolkrabe mit Brut und vier Uhus mit Brut. "Außerdem wurden ein Wespenbussard mit Brut und Rotmilane mit Brut sowie mehrere streng geschützte Fledermausarten nachgewiesen." Nach Ansicht der BGN ergibt sich in diesem Bereich ein Dichtezentrum von Rotmilanen, das ebenfalls ein absolutes K.o.-Kriterium für Windkraftanlagen darstelle.

Beeinträchtigung des Flugplatzbetriebes in Walldürn: Die geplanten Anlagestandorte befinden sich nahe der An- und Abflugbereiche des Verkehrslandeplatzes. Die Bau- und Betriebs GmbH sieht die sichere Durchführung des Flugbetriebs dadurch nachhaltig gefährdet. Das Erkennen und Einschätzen der einzelnen Anlagen sowie anderer Verkehrsteilnehmer aus dem Luftfahrzeug heraus werde durch die überlagerte Eigenbewegung mehrerer Windräder wesentlich erschwert. Auch die Einflugmöglichkeit für Motorflugzeuge in die Südplatzrunde würde massiv eingeschränkt.

"Weiter ist zu erwarten, dass von der Hindernisgruppe groß-skalige atmosphärische Störungen, in der Art von Wirbelschleppen, ausgehen." Diese seien in der Ausbreitung großräumiger als gemeinhin erwartet. "Ein Verschieben einer Anlage um ganze 18 Meter seit dem letzten Verfahren ist aus technischer Sicht eine reine Augenwischerei bei einer Dimension der Anlagenhöhe von über 200 Meter", heißt es in einer der Stellungnahmen. Und weiter: "Im Falle der Realisierung des Windparks in der jetzigen Form könnte der Ausbildungsbetrieb in seiner bisherigen Form nicht aufrechterhalten werden. Die Wirtschaftlichkeit und der Betrieb des Flugplatzes werden aufs Spiel gesetzt."

Fehlende Windhöffigkeit: Die Einwender gehen davon aus, dass an den geplanten Standorten die vorherrschende Windhöffigkeit so gering ist, dass die Anlagen nicht wirtschaftlich betrieben werden können und somit den Eingriff in das Landschaftsbild nicht rechtfertige. Bemängelt wird, "dass keine Anstrengungen unternommen wurden, die tatsächlichen Windverhältnisse zu ermitteln."

Weitere Aspekte: Ignorierung der Bürger, FFH-Gebiet, Repowering und Aufstockungsmöglichkeit, Höhenbegrenzung, Landflucht und Rückgang des Tourismus, visuelle Beeinträchtigungen, Versiegelung des Bodens, Verlust der Erholungsfunktion vom Wald sowie Überfrachtung der Landschaft durch Windkraftanlagen, von denen bereits über 40 um Hardheim stehen (Verspargelung). Genannt wird auch ein Verstoß gegen den Regionalplan: Die Einwender kritisieren, dass am 16.9.2016 in der Sitzung des Plenarausschusses beschlossen wurde, dass im neuen Regionalplan für die gesamte Region ein Mindestabstand von 1000 Meter zur Wohnbebauung festgelegt wird. Dieser Mindestabstand werde im vorliegenden Fall vom GVV und den Gemeinden Hardheim und Höpfingen aber zulasten der eigenen Bürger unterschritten.

Nicht geklärt sei der Einfluss der geplanten Windräder auf den Betrieb der nahe gelegenen Sternwarte auf dem Scherenberg. Und ist es rechtens, fragen die Einwender mit Blick auf mögliche Schadensersatzforderungen, dass die Bürgermeister von Hardheim und Höpfingen schon in einem so frühen Verfahrensstadium "Knebelverträge mit einem Windkraftprojektierer abgeschlossen haben und die Öffentlichkeit keine Kenntnis über deren Inhalte erhält?"

Auch auf erhebliche Vermögensschäden durch Wertminderung von Immobilien in der Nähe von Windparks und die Notwendigkeit, weitere Gebietsteile in das FFH-Gebiet einzubeziehen, wird hingwiesen.

Gesundheitliche Bedenken: Nach Ansicht der BGN belasten die geplanten Windräder massiv die Umwelt und verstoßen gegen mehrere Grundgesetzartikel, zum Beispiel gegen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Thema Schall und Infraschall).

Abschließend behalten sich sowohl die BGN als auch die Bau- und Betriebs GmbH Flugplatz Walldürn vor, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, "sollte es durch den Bau oder Betrieb der geplanten Windkraftanlagen zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen, finanziellen Nachteilen oder Belästigungen durch Lärm - einschließlich Infraschall - oder Befeuerung kommen."

Am Rande notiert

Wie bereits vielfach berichtet, sollen im Gewann "Kornberg-Dreimärker" zwischen Bretzingen und Waldstetten vorerst vier - ursprünglich geplant waren sechs - Windkraftanlagen errichtet werden. Das Verfahren der dazu erforderlichen Änderungen des Flächennutzungsplanes läuft.

Hierfür muss eine Waldfläche von 2,4 Hektar gerodet werden.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe, Referat Luftfahrt, bleibt nach wie vor bei seinem negativen Bescheid, keine luftrechtliche Zustimmung zum Bau der Anlagen geben zu können und fordert weitere Gutachten. Das bestätigte gestern der Bausachverständige des Gemeindeverwaltungsverbandes, Alex Beuchert, auf Anfrage der FN. "Die Gefahr des Wirbelschleppens ist einfach viel zu groß, dies untermauert auch das Gutachten der FH Aachen", erklärt die Bürgerinitiative und folgert: "Dem Projektierer bleibt jetzt noch die Möglichkeit, für jeden einzelnen Standort ein Gegengutachten vorzulegen."

Darüber hinaus ließ die BGN die FN wissen, dass sie in Zusammenarbeit mit Gutachter Thomas Brötz (Sinzig) bereits vor einigen Wochen Horststandorte in und um das Planungsgebiet von Rotmilan, Schwarzmilan, Kolkrabe, Uhu und Wespenbussard gemeldet habe. Am Mittwoch sei H. Fichter von der unteren Naturschutzbehörde vor Ort gewesen und habe alle Standorte aufgenommen und bestätigt.

Im Rahmen des gestern offiziell endenten Offenlegungsverfahrens hat eine Fachbehörde eine Fristverlängerung von zwei Wochen zur Stellungnahme beantragt. Dadurch muss die für den 26. Juli anberaumte Verbandsversammlung des Gemeindeverwaltungsverbandes Hardheim-Walldürn auf einen späteren Zeitpunkt nach den Sommerferien verlegt werden. Ein genauer Termin steht nach Auskunft von Alex Beuchert vom Bauordnungsamt noch nicht fest.

Von der Einspruchsmöglichkeit im Rahmen der Offenlegung haben Bürger und beteiligte Behörden Gebrauch gemacht. Als Träger öffentlicher Belange hatten über 50 Behörden und Ämter hierzu Gelegenheit erhalten.

Auch außerhalb der zulässigen Frist werde der GVV noch Stellungnahmen berücksichtigen, die im Laufe der kommenden Woche eingehen, so Beuchert zum Prozedere. Diese Handlungsweise sei durch ein Gerichtsurteil so vorgegeben und möglich.

Der Landesverband baden-württembergischer Bürgerinitiativen gegen Windkraft in Natur- und Kulturlandschaften, mit dem die BGN seit drei Jahren zusammenarbeitet, plant der BGN zufolge eine rechtliche Überprüfung aller Gutachten des Büros Beck. i.E.

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