Hardheim. Diese Ansicht teilen sicher viele andere Unternehmer der Region mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der Firma Eirich Ralf Rohmann und Stephan Eirich: Der Staat reguliert derzeit zu viel; er sollte allerdings mehr steuern. Diese Politik gefährde den Wirtschaftsstandort Deutschland. Trotzdem investiert Eirich in Hardheim und baut eine neue Produktionshalle. Warum das Unternehmen diesen Weg geht und wie es den stetig wandelnden Rahmenbedingungen begegnet, erzählen die beiden im großen FN-Interview, indem sie auch mal Wirtschaftsminister „spielen“ dürfen.
Herr Rohmann, Herr Eirich, in der deutschen Industrie wird das Ächzen und Stöhnen wegen der schlechten politischen Rahmenbedingungen und dadurch ausbleibendem Wachstum immer lauter. Ächzen und Stöhnen Sie bei der Firma Eirich auch?
Ralf Rohmann: Die Stimmung ist auch bei uns nicht positiv. Die Rahmenbedingungen für gutes wirtschaftliches Wirken sind vom Staat derzeit nicht gegeben. Deshalb überlegen 68 Prozent der mittelständischen Unternehmen, ob sie in den kommenden fünf Jahren ihre Produktion ins Ausland verlegen.
Stephan Eirich: Die schlechten Rahmenbedingungen wirken sich nicht immer direkt auf uns aus, aber auf die energieintensiven Industriezweige, die wir beliefern, wie zum Beispiel die Stahlindustrie, Gießereien oder die keramische Industrie. Unternehmen dieser Branchen ziehen sich aus Deutschland zurück, und davon sind wir dann auch betroffen. Dadurch verlagert sich das Geschäft bestenfalls hin zum Export oder zu unseren Auslandsgesellschaften – oder fällt ganz weg. Unsere große Chance sind neue Anwendungen für unsere Mischtechnik, wie zum Beispiel das Thema „Lithium Ionen Batterie“. Doch nach dem Wegfall der Subventionen für Elektroautos stocken die deutschen Verkaufszahlen, und es wird nicht mehr investiert. Die nächsten Batteriefabriken entstehen nun in Nordamerika oder zum Beispiel in Indien.
Trotzdem investiert Eirich am Heimatstandort Hardheim, indem das Unternehmen eine neue Produktionshalle baut. Wie passt das zusammen, wenn Sie doch sagen, die Rahmenbedingungen in Deutschland seien zu schlecht?
Eirich: Die Grundidee der neuen Halle ist es, ein hygienischeres Umfeld für die Montage spezieller Edelstahlmaschinen für technisch komplexe Branchen zu schaffen. Das sind zum Beispiel die Lebensmittel- oder die Kosmetik-Industrie. Dort haben die Kunden andere Ansprüche, und das sind Produktfelder, in die wir gerade neu eintreten. Das Prinzip der Eirich-Mischer war dort noch nicht gebräuchlich. Nun zeigen wir in diesen Branchen unsere Stärken und damit enorme Einsparpotenziale.
Wie ist das Verhältnis der Eirich-Mischer zwischen den alten, traditionellen Branchen des Unternehmens und den neuen Geschäftsfeldern?
Eirich: Es gibt in allen Branchen immer Aufs und Abs. Im Mittel machen die neuen Branchen etwa 20 Prozent der Aufträge aus.
Produzieren Sie in der neuen Halle nur für die neuen Geschäftsfelder?
Eirich: Ja, wenngleich auch Maschinen für bestehende Kunden aus hygienisch anspruchsvollen Branchen dann dort produziert werden. Wir müssen technologisch immer mit vorne dabei sein, auch um die höheren Kosten hier in Deutschland kompensieren zu können. Erst wenn das, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr der Fall wäre, müssten wir uns auch überlegen, mehr im Ausland zu produzieren.
Wie sieht der Zeitplan für den Bau der Halle aus?
Rohmann: Im September soll die alte Schreinerei abgerissen werden. Dort soll dann eine Halle mit etwa 1200 Quadratmetern Produktionsfläche auf drei Stockwerken entstehen. Ende 2025 möchten wir die Halle beziehen und dort fertigen.
Wie groß ist das Investitionsvolumen für die neue Halle?
Rohmann: Zwischen 5,5 und sechs Millionen Euro.
Trägt diese Halle auch zu einer weiteren Arbeitsplatzsicherung, ja vielleicht sogar zu mehr Arbeitsplätzen in Hardheim bei?
Rohmann: Arbeitsplatzsicherung ist immer das Ziel, wenn wir investieren. Die Frage, ob es sich lohnt, den Arbeitsplatz in Deutschland zu sichern, ist wieder eine andere. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und kein Spendenverein für irgendwelche misslungenen politischen Entscheidungen. Eine Investition ist dann gut, wenn am Ende zwischen Daumen und Zeigefinger wieder etwas hängen bleibt. Erst dann kann ich wieder in den Kreislauf meines Unternehmens investieren und entwickle wieder neue Ideen für neue Produkte – in der Hoffnung, dass die nicht wieder durch politische Eingriffe kaputtgemacht werden.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen, wie durch einen politischen Eingriff ein Produkt kaputt gemacht werden kann?
Rohmann: Wenn ich eine Ideologie wie die Energiewende in die Realität umsetzen will, dann muss ich doch erst einmal wissen, welche Infrastruktur mir dafür zur Verfügung steht und welche Alternativen ich habe. Aktuell sind gut 80 Prozent der deutschen Stromnetze nicht für den Transport der produzierten Mengen aus erneuerbaren Energien ausgelegt. Wenn heute Nacht alle Lkw an der Autobahnraststätte „Ob der Tauber“ Strom laden würden, ginge in Tauberbischofsheim das Licht aus. Gleichzeitig werden Unternehmen dazu „gezwungen“, die Energiewende mitzutragen und mitzumachen – ohne zu wissen, ob und wie sie überhaupt funktioniert. In Deutschland gibt es aktuell so viele Stromausfälle wie noch nie.
Eirich: Die Bundesregierung hat massiv unterschätzt, was an strukturellen Maßnahmen nötig ist, um die Energiewende einzuleiten. Man sagt der Bevölkerung, dass wir alle grünen Strom bräuchten. Doch dass der deutlich teurer ist, das erzählt man nicht so gerne. Nun hat man die Subventionen für Elektroautos gestrichen, was dazu führt, dass sich die Menschen wieder einen Diesel kaufen. Für uns als Maschinenbauer heißt das: Es ist unheimlich schwer mit den Rahmenbedingungen zu arbeiten, wenn die dauernd geändert werden. Die Entscheidung der Regierung, die Subventionen für die E-Autos wieder zurückzunehmen, hat einen sehr negativen Effekt für den Industriestandort Deutschland.
Der Wirtschaftsexperte Professor Dr. Dr. Hans-Werner Sinn ist der Meinung, dass die Energiewende zu einer Deindustrialisierung in Deutschland führt. Sind Sie auch dieser Auffassung?
Rohmann: Ja. Wir werden teilweise vom Ausland ausgelacht, weil wir uns selbst kaputt machen.
Eirich: Absolut. Als Industrieunternehmen brauche ich Rohstoffe, Energie, Grips und habe Lohnkosten. Wenn sich einer dieser vier relevanten Faktoren enorm verteuert, dann hat das Auswirkungen. Warum sollen Firmen in der ganzen Welt das teure grüne, vielleicht CO2-neutrale Produkt aus Deutschland kaufen, wenn es aus China nur die Hälfte kostet und auch ganz hübsch aussieht?
Hat Eirich überhaupt genügend Fachkräfte, um auch künftig die hochwertigen Maschinen herzustellen?
Rohmann: Wir bilden sehr viel selbst aus, weshalb sich das Fachkräfteproblem bei uns im Rahmen hält. Wir leiden darunter, dass es in den technischen Berufen keine hohen Ausbildungszahlen und auch leider immer weniger Qualität gibt.
Kann Eirich alle Ausbildungsplätze besetzen?
Rohmann: Ja. Wieder. Hier profitieren wir auch von Aktionen wie dem „Tag der Berufe“ in Hardheim, durch Elternabende, Vorträge oder durch den neuen Verein „Job-NOK“, der im Neckar-Odenwald-Kreis Fachkräfte sichern möchte.
Müssen Sie mehr auf ausländische Fachkräfte zurückgreifen?
Rohmann: Das ist nicht so einfach, wie sich das Frau Baerbock vorstellt. Es ist nicht so leicht, ausländische Fachkräfte zu finden, sie einzustellen und dann auch im Betrieb zu halten. Viele fühlen sich hier gar nicht wohl, weil sie aus ganz anderen kulturellen Gegebenheiten stammen. Es gibt hier auf dem Land auch wenig Angebote, um die Integration zu fördern. Von der Sprachbarriere wollen wir da erst einmal gar nicht sprechen.
Heißt das, dass Eirich auch mehr auf KI setzen muss?
Eirich: Das tun wir schon. Wir bringen unseren Steuerungen bei, den Prozess mit kontinuierlich gesammelten Daten selbst zu optimieren und zu lernen. Das geschieht zum Beispiel anhand verschiedenster Parameter wie Leistungsaufnahme, Drehzahlen, Schwingungen oder Temperaturen. Dazu kommen automatisierte Prüfverfahren des gemischten Materials und neuerdings auch optische Verfahren mit Kameras. Mit diesen Erkenntnissen kann die Maschine selbst reagieren, bevor ein Problem auftritt. Auf diesem Feld entwickeln wir mit einem Team junger Ingenieure gerade sehr vieles selbst.
Kommen wir noch einmal auf die schlechten politischen Rahmenbedingungen für Industrieunternehmen: Wir nehmen mal an, Bundeskanzler Scholz würde morgen Wirtschaftsminister Habeck absetzen und stattdessen das Duo Stephan Eirich und Ralf Rohmann installieren. Was würden Sie als erstes ändern?
Rohmann (lacht und klatscht sich mit Stephan Eirich ab): Ich würde alle politischen Gremien auflösen. Danach müssten die Staatsministerien neu besetzt werden, und zwar mit Leuten, die eine hohe Wirtschafts- und Sozialkompetenz mitbringen. Ich wollte Menschen in Positionen bringen, in der sie Entscheidungen über Zusammenhänge treffen, von denen sie auch eine Ahnung haben. Im nächsten Schritt hätte ich meine Vorstellungen zu den Themen Sozialabgabenverteilung, Wirtschaftsförderung und Steuerpolitik.
Eirich: Ich möchte die Weichen stellen für ein gesundes Wirtschaftswachstum und einen Industriestandort Deutschland. Zudem müssen wir europäischer denken. Nur als Europa kann ich halbwegs auf Augenhöhe mit Chinesen oder Amerikanern diskutieren. Ohne Europa wird Deutschland allein keine Chance mehr haben. Der Staat muss sich als Regulativ mehr im Hintergrund halten und nicht – wie jetzt – mit Dominanz versuchen, die Geschicke zu lenken. Und: Leistung muss sich lohnen – für die Angestellten und für die Unternehmen. Rohmann: Ach ja. Mir fällt noch etwas ein: Die Bundesnetzagentur würde ich von heute auf morgen abschaffen, weil es ein staatlicher Regulierungsbetrieb ist. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, den Energiemarkt in dem Maße zu regulieren, wie er bei uns reguliert wird. Ein Kollege von mir sagt: Ich investiere doch nicht in ein Ausbildungszentrum, wenn ich ein dreiviertel Jahr auf die Genehmigung für ein Klofenster warten muss. So gäbe es zig weitere Beispiele.
Die Firma Eirich
Die Maschinenfabrik Gustav Eirich wurde 1863 aus einer Mühlenwerkstatt heraus gegründet.
Während der 161-jährigen Firmengeschichte hat das Unternehmen heute an 13 Standorten weltweit Dependancen, darunter in Brasilien, Indien und Japan.
Eirich beschäftigt insgesamt knapp 1200 Mitarbeiter. Davon sind 510 am Heimatstandort Hardheim, 43 in Külsheim beschäftigt. Knapp davon sind 40 DHBW-Studenten.
Die vor etwa 120 Jahren erfundene und patentierte Eirich-Mischtechnik ist heute noch gebräuchlich und im Einsatz. mf
Nennen Sie uns doch bitte noch ein Beispiel für Bürokratie, an dem sie als Firma Eirich verzweifeln könnten!
Eirich: Da bietet die neue Halle ein gutes Beispiel: Es gibt neue Hochwasserschutzmaßnahmen, die für uns im konkreten Fall bedeuten: Die Halle liegt im 100-jährigen Hochwassergebiet. Deshalb muss sie um 30 bis 40 Zentimeter höher gebaut werden. Das kostet einiges mehr. Damit die Gabelstapler noch hineinfahren können, müssen wir zudem noch alles „anböschen“. Und jetzt: Da das 100-jährige Wasser ja nicht mehr auf die Fläche fließen kann, auf die es eigentlich müsste, weil dort die Halle steht, brauchen wir eine Hochwasserausgleichsfläche. Das heißt: Wir müssen eine Ausgleichsfläche schaffen, wo das Wasser dann alle 100 Jahre hinfließen kann. Das tun wir nun, indem wir einen Parkplatz tiefer legen. Nach meinem Empfinden ist es doch aber so: Es wäre mein eigenes Recht, all die Risiken eines Jahrhunderthochwassers in meinem Gebäude auf mich zu nehmen und dafür zu unterschreiben. Aber das darf ich nicht.
Rohmann: Alles wird reguliert. Aber ich muss doch in einer liberalen Wirtschaft noch selbst Verantwortung übernehmen dürfen. Und so brauchen wir uns auch nicht wundern, dass bald gar keiner mehr Verantwortung für irgendetwas übernimmt. Ich möchte doch auch, dass unsere Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz Verantwortung übernehmen. Wir mussten hier in unser 200 Jahre altes Gründerhaus wegen der Barrierefreiheit einen Aufzug bauen. Das hat knapp 100 000 Euro gekostet. Dadurch bekamen wir eine Brandschutzproblematik. Es kann passieren, dass es brennt, ja; es kann passieren, dass es Überschwemmungen gibt, ja. Aber man muss doch an solche Dinge pragmatisch und nicht mit Regularien herantreten. Deutschland ist schließlich ohne diese Regularien groß geworden.
Wo steht Eirich in fünf Jahren?
Rohmann: Das ist eine spannende Frage. Ich würde sagen, wir sind ein multinationaler Konzern mit einer wesentlich tieferen internationalen Verflechtung als heute.
Welche Rolle spielt der Standort Hardheim da noch?
Rohmann: Wenn wir nicht weiter sauer gefahren werden, sind wir auch noch weiter in Deutschland tätig. Das ist der Wunsch von uns beiden und allen 15 Gesellschaftern. Der Standort soll internationalisiert, aber auf jeden Fall erhalten werden. Eirich: Aber wir haben großen Optimismus, sonst wären wir nicht mehr hier. Wir müssen flexibel und erfinderisch sein, neue Branchen finden und für die dann immer wieder neue Ideen entwickeln.
Können diese Ziele mit einer Vier-Tage-Woche erreicht werden?
Rohmann (schüttelt den Kopf): Ich kann mit der Diskussion über die Work-Life-Balance nicht viel anfangen. Schon bei den neuen Forderungen der anstehenden Tarifrunde von sieben Prozent mehr Lohn läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Es geht nicht mehr um 30 Tage Urlaub, sondern bald um 40. Wir brauchen mehr Leistung, um wettbewerbsfähig zu bleiben oder wieder zu werden. Die Griechen führen auch aus diesem Grund nun die Sechs-Tage-Woche ein. Diese Einstellung für mehr Leistung müssen wir wieder mehr vermitteln, und das beginnt schon in der Schule. Wir wollen den Weg hier gemeinsam mit den Mitarbeitern gehen. Aber es muss jeder mitziehen, nicht nur die Geschäftsführung.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/hardheim_artikel,-hardheim-hardheim-eirich-geschaeftsfuehrer-kritisieren-politische-rahmenbedingungen-_arid,2222476.html