Hardheim. 11.14 Uhr. Gemeinsam mit Gemeindereferentin Claudia Beger bin ich die enge Treppe in den Glockenturm des Erftaldoms hochgeklettert. „Hier war ich auch schon lange nicht mehr“, sagt Beger, als sie die Luke öffnet. In einer Minute läutet es Viertel nach elf. Ich weiß, dass es gleich laut wird, dennoch zucke ich zusammen, als die Glocken im Turm schlagen. Ein kalter Wind weht. In der Ferne hört man die Autos auf der B 27 fahren und die Kinder des Gemeindekindergartens „Kindervilla kunterbunt“ auf dem Spielplatz toben. Dreck und Staub fallen herunter.
Einmal im Jahr, so berichtet die Gemeindereferentin, werden die Glocken von Spezialisten gewartet. Das sechsstimmige Geläut stammt in großen Teilen von der Gießerei Junker aus Brilon (Nordrhein-Westfalen), gegossen wurden sie 1949 und 1950 aus Sonderbronze. Die Christusglocke – die größte – wiegt 1550 Kilogramm. Das Metallgestell, an dem die Glocken aufgehängt sind, muss also eine ganze Menge Gewicht tragen.
Eigentlich hätte man von hier oben einen schönen Blick auf ganz Hardheim, doch die Latten wurden vor einigen Jahren ausgetauscht, so dass man jetzt nur noch durch ganz kleine Schlitze rausschauen kann. Das, was man sieht, ist altbekannt: das Schloss, den Erfapark, die Ortsdurchfahrt. Doch die Perspektive ist ungewöhnlich. Höhenangst darf man hier auf jeden Fall nicht haben.
Das elendige Tauben-Problem
Die Lamellen am rund 53 Meter hochen Kirchturm wurden ausgetauscht, weil sich immer wieder Vögel im Turm eingenistet haben – und mit ihnen kamen die Verschmutzungen, erklärt Beger, als wir vorsichtig rückwärts die Treppe hinuntersteigen. Besonders schlimm seien die Tauben, denn deren Hinterlassenschaften sind so aggressiv, dass sie die Gebäudesubstanz angreifen. Um das Problem einigermaßen in den Griff zu bekommen, hat die Seelsorgeeinheit gemeinsam mit dem Naturschutzbund (Nabu) ein Taubenhaus im Speicher der Kirche eingerichtet. Die Eier, die die Tauben dort in die Nester legen, werden gegen künstliche Eier ausgetauscht. Vorsichtig öffnet Claudia Beger die Tür, denn bei meinem Besuch brütet dort gerade eine Taube. „Sie soll uns ja nicht entwischen“, sagt die Gemeindereferentin. Ich erhasche einen kurzen Blick, ehe sie die Tür schnell wieder schließt.
Im Rahmen von Kinderaktionssamstagen oder während der Erstkommunionvorbereitung kommt Claudia Beger immer wieder mit Gruppen hier hoch in den Speicher. Da die Decke der Kirche gewölbt ist, wurden vor vielen Jahren Balken eingezogen. So ist eine Art Laufsteg entstanden, auf dem man sich im Kirchenspeicher bewegen kann. Mit Kindern müsse man hier immer besonders aufpassen, weil sie durch das Geländer fallen könnten, erklärt die Gemeindereferentin. Auf dem Speicher hängt auch das Gegengewicht für das Ewige Licht. Wenn die Kerze ausgetauscht werden muss, zieht man das Gegengewicht – einen schweren Eimer – nach oben, so dass man im Kirchenraum die Laterne nach unten holen kann.
„Die Kinder sind immer fasziniert vom alten Uhrwerk, das noch hier oben steht“, erzählt Claudia Beger. Mittlerweile wird vieles elektronisch gesteuert, so auch die Uhr. Für die Wartung der Uhr in der Kirche ist die politische Gemeinde zuständig. Wenn also beispielsweise Reparaturen anstehen, trägt die Gemeinde Hardheim die Kosten dafür. Zuletzt musste 2020 der Uhrenschlag gerichtet werden. Rund 600 Euro habe das die Gemeinde gekostet, erklärt Kämmerer Bernd Schretzmann auf FN-Nachfrage. „Für die Kirchturmuhren bestehen Wartungsverträge. Die jährlichen Kosten liegen jeweils im zweistelligen Euro-Bereich“, so Schretzmann.
Grundsteinlegung im Jahr 1891
Wie schon beim Besuch des Schlossspeichers zeigt sich auch hier unter dem Dach der St.-Alban-Kirche eine beeindruckende Zimmermannskonstruktion. Der Grundstein wurde im September 1891 gelegt – also vor über 130 Jahren. Morsch oder alt wirkt hier aber nichts. Als Lager dient der Kirchenspeicher übrigens nicht. „Wir haben ein Archiv im Keller des Pfarrhauses, vieles wird mittlerweile aber zentral in Freiburg gelagert“, sagt die Gemeindereferentin, während wir wieder vorsichtig die Wendeltreppe hinab in den Kirchenraum steigen. Auch an den Stufen zeigt sich, wie selten jemand hier ganz hoch unter das Dach der Kirche steigt. Man entdeckt kaum Gebrauchsspuren, während die Treppe zur Empore – dort, wo die Orgel steht und in der Regel der Kirchenchor singt – abgenutzt ist.
Und wie werden die Glocken gesteuert? „Über dieses Tableau in der Sakristei“, erklärt Claudia Beger und zeigt auf ein großes Brett, das direkt neben der Tür hängt. Dort kann man die Lichter in der Kirche ein- und ausschalten und eben auch die einzelnen Glocken steuern. Ein Zettel mit Erklärungen hängt daneben. Derzeit ist die Automatik aktiviert. Das heißt, die Glocken schlagen in einer zuvor festgelegten Reihenfolge – ohne dass jemand einen Knopf drücken muss.
Als ich wieder in mein Auto einsteige, schlägt es gerade 12 Uhr – vier Mal für die volle Stunde, zwölf Mal für die Anzahl der Stunden. Zum Glück bin ich jetzt nicht mehr oben im Glockenturm, denke ich mir, denn da wäre ich bestimmt nicht nur einmal zusammengezuckt...
Info: Unter der „Glockensuche“ des Erzbistums Freiburg (www.ebfr-glocken.de) findet man weitere Informationen zum Geläut in der Kirche St. Alban. Dort kann man sich die Glocken des sechsstimmgen Geläuts auch anhören.
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