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Bundeswehr: Wie es am Standort Hardheim weitergeht

Oberstleutnant Kirchner wird im September das Kommando in der Carl-Schurz-Kaserne übergeben und ins Verteidigungsministerium nach Berlin wechseln. Am Standort tut sich etwas.

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Michael Fürst
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Bald ist die gute Zusammenarbeit zwischen Hardheims Bürgermeister Stefan Grimm und Oberstleutnant Andreas Kirchner beendet. Der aktuelle Standortälteste der Carl-Schurz-Kaserne wird ins Verteidigungsministerium nach Berlin versetzt. © Michael Fürst

Hardheim. Vor einem Jahr noch war das Hardheimer Panzerbataillon 363 deutschlandweit in aller Munde, war es doch unter der Leitung von Oberstleutnant Andreas Kirchner im Auftrag der NATO in Litauen im Einsatz. Im FN-Interview zeigt der Chef der Einheit auf, was der Einsatz gebracht hat, spricht über die aktuellen Aufgaben des Bataillons und über sein nahendes Ende in der Hardheimer Carl-Schurz-Kaserne.

Herr Oberstleutnant Kirchner, vor einem Jahr waren Sie und Ihr Panzerbataillon 363 noch in Litauen im Auftrag der NATO im Einsatz. Wie schauen Sie heute auf diese Zeit zurück?

Oberstleutnant Andreas Kirchner: Mit Demut und Wehmut. In den vergangenen Wochen gab es mehrere Momente, in denen ich gedacht habe: Heute vor einem Jahr haben wir genau das gemacht. Diese Zeit in Litauen war unglaublich prägend. Ich kann kein schlechtes Wort über diesen Einsatz und die Zusammenarbeit mit den Litauern verlieren. Mit Freude sehe ich, wie sich die Panzerbrigade 45 dort nun weiterentwickelt und die Kooperationen zwischen den Regierungen weiter vertieft werden. Das finde ich großartig.

Was hat dieser Einsatz letztlich bewirkt, und haben Sie und Ihre Soldaten den Auftrag erfüllt?

Kirchner: Der Auftrag war dreigeteilt: eine glaubhafte Abschreckung zu schaffen gegenüber allen externen Bedrohungen, Vertrauen zu schaffen in der litauischen Bevölkerung und im Fall der Fälle das litauische Territorium zu verteidigen. Zum dritten Teil ist es nicht gekommen, so dass wir die beiden ersten Aufträge durchgeführt haben. Das Gesamtkonzept der Abschreckung vom Nordrand Estlands bis hinunter nach Bulgarien und Rumänien hat gegriffen. Ich glaube, die NATO kann vermitteln, dass sie bereit ist, jeden Quadratkilometer ihres Gebiets zu verteidigen. Wenn wir auf 2014 zurückschauen, als mit der Annexion der Krim der Krieg begann, da war man aufseiten der NATO deutlich überraschter. Nun wurde mit der physischen Präsenz von Truppen gezeigt, dass die NATO einsatzbereit ist. Hierbei war das Panzerbataillon 363 ein Mosaiksteinchen. Davon bin ich überzeugt.

Von welchen Seiten wurde Ihr Einsatz dann wie bewertet? Wem mussten Sie als Chef des Einsatzes Meldung erteilen?

Kirchner: Das war zweigliedrig: Wir standen unter ständiger Bewertung durch die Litauer. Da wir als „Battle Group“ einer litauischen Brigade unterstellt waren, war der litauische Brigadekommandeur der „Iron Wolf Brigade“ mein unmittelbarer Vorgesetzter. Hier habe ich fast täglich ein Feedback bekommen, was gut und nicht so gut war. Bei der „Iron Wolf“-Übung hat ein internationales Schiedsrichter-Team überprüft, ob wir tatsächlich dazu in der Lage sind, unsere taktischen Aufgaben in Angriff und Verteidigung zu erfüllen. Das wurde uns danach bescheinigt.

Was hat Ihnen dieser Einsatz ganz persönlich gebracht und bei Ihnen bewirkt?

Kirchner: Die Frage wurde mir oft gestellt und ich gebe immer die gleiche Antwort: Ich habe viel erlebt in meiner Dienstzeit: Ich bin aus Flugzeugen gesprungen, ich war im Kosovo und in Afghanistan im Einsatz, habe 100-Kilometer-Märsche in 24 Stunden gemacht – was ich mir heute nicht mehr vorstellen kann (lacht). Ich hatte immer Lust, meine persönlichen Grenzen auszutesten und sie gegebenenfalls zu verschieben. Dass ich nun als Bataillonskommandeur die Chance hatte, mit einem unfassbar guten multinationalen Team im Rücken über mich hinauszuwachsen und internationale Führungsaufgaben zu übernehmen, war sicher die größte militärische Erfahrung bis jetzt. Allen beteiligten Soldatinnen und Soldaten der sechs Nationen zu vermitteln, ernsthafte Übungen für eine glaubhafte Abschreckung durchzuführen – das war unglaublich erfüllend für mich. Ich werde immer mit einem Lächeln daran zurückdenken. Und vermutlich werde ich mit den Geschichten aus dem Einsatz meine Enkelkinder noch langweilen (lacht).

Wie schwer war es dann, wieder in den normalen Dienst zurückzukehren?

Kirchner: Das fand ich gar nicht schlimm. Man darf sich bei all der Begeisterung nicht so wichtig nehmen. Die Zurücknahme der Person hinter die Sache hilft dann schnell, wieder im Alltag anzukommen – das gilt vom Kraftfahrer bis zum Kommandeur. Ja, wir hatten unseren Moment, doch jetzt haben ihn andere. Es war wichtig, die Nachbereitung so schnell wie möglich abzuschließen, damit man hier mit dem Kopf wieder bei der Sache ist, um unseren Auftrag vor Ort zu erfüllen. Gleichzeitig mussten die Kompanien nach der Einsatzgliederung wieder die Grundgliederung einnehmen. Das heißt: Damit wir mit einem großen Kontingent nach Litauen gehen konnten, wurde hier in Hardheim zunächst einiges umgestellt. Nun ist jeder wieder auf seinem Original-Einsatzplatz im Bataillon.

Wie lautet der aktuelle Auftrag des Panzerbataillons 363 genau?

Kirchner: Wir sollen junge Soldatinnen und Soldaten gewinnen und ausbilden. Wir sollen neue Kräfte so ausbilden, dass die bereit sind, solch einen Auftrag jederzeit wieder auszuführen. Ich finde das spannend, immer wieder ein neues Team zu formen. Und damit haben wir direkt angefangen.

Wie läuft diese neu geschaffenen Basisausbildung, die früher „Allgemeine Grundausbildung“ hieß?

Kirchner: Sie hat am 1. Oktober hier am Standort Hardheim begonnen (Anm. d. Red.: wir berichteten). Zunächst wird die klassische soldatische Grundausbildung abgeschlossen und dann werden in einer spezialisierten Ausbildung auf dem Kampfpanzer Richt- und Ladeschützen ausgebildet. Hier sind zunächst viel Unterricht und Theorie vonnöten. Der Unterricht wird von einer Simulator-Ausbildung flankiert. Die Soldaten müssen blind wissen, wann sie welche Schalter zu betätigen und welches Knöpfchen zu drücken haben. Wenn alle Pflichtübungen absolviert sind, kommt der scharfe Schuss auf dem Übungsplatz in Grafenwöhr. Das war zuletzt im Dezember 2024 der Fall.

Wie viele Soldaten nahmen an der Basisausbildung teil?

Kirchner: Wir hatten hier etwa 20 Soldaten.

Bedeuten die 20 Plätze Vollauslastung oder stünden mehr Plätze zur Verfügung?

Kirchner: Mit 20 sind wir hier an der Kapazitätsgrenze. Die Plätze, die wir nun für die Ausbildung seit Anfang Januar angeboten haben, sind zu 100 Prozent besetzt.

Und noch einmal zum Verständnis: Alle Soldaten, die in Hardheim ausgebildet werden, bleiben dann auch in Hardheim?

Kirchner: Ein ganz klares „Jein“. Im Vergleich zu früher, als die Soldaten nach der Allgemeinen Grundausbildung „verteilt“ wurden, möchte man heute die Soldaten möglichst heimatnah einsetzen – was auch vielfach der Wunsch der Bewerber ist. Die Wünsche der jungen Menschen werden vielmehr berücksichtigt als zu Zeiten der allgemeinen Wehrpflicht. Es kann aber immer wieder sein, dass Soldaten am Ende ihrer Ausbildung auch einmal nicht in Hardheim bleiben.

Ist der Hintergedanke hinter diesem Vorgehen der, von Beginn an mehr Zusammenhalt und Identifikation zu schaffen?

Kirchner: Ja genau. Das Schöne ist, dass Soldaten hier gleich ihre militärische Heimat haben. Idealerweise ist der Gruppenführer der Basisausbildung am Ende ihr Panzerkommandant. Das war bei mir damals auch der Fall. Solche Selbstverständlichkeiten prägen. Und dass wir die jetzt wieder pflegen können, finde ich großartig.

Waren in der Carl-Schurz-Kaserne bauliche Veränderung notwendig, um diese Basisausbildung anzubieten?

Kirchner: Nein. Wir mussten uns nur ein bisschen organisieren, aber jetzt ist das alles fast schon wieder Routine.

Bevor es nach Litauen ging, hieß es, der Teil des Bataillons, der hierbleibt, bereitet sich unter anderem auf die Einführung des Leopard „Trophy“ vor. Ist der da und wie läuft die „Einarbeitung“?

Kirchner: Nein, er ist noch nicht da. Wir erwarten die ersten Panzer dieses Typs im Juni 2025. Wir werden im engen Austausch mit der Industrie hier letzte Tests durchführen. Diese sollen bis Dezember 2025 abgeschlossen sein. Anfang 2026 sollen diese Kampfpanzer dann auch hier in Hardheim für die Ausbildung zur Verfügung stehen.

Sind hierfür noch infrastrukturelle Veränderungen in der Kaserne nötig?

Kirchner: Nein. Die Panzer könnten morgen früh kommen. Wir haben unsere Hausaufgaben hier in Hardheim gemacht.

Wird es darüber hinaus Veränderungen in der Hardheimer Kaserne geben?

Kirchner: Es laufen einige Projekte parallel. Die beiden Hauptprojekte sind: Der Sanitätsbereich wird komplett renoviert und mittelfristig soll ein neues Unterkunftsgebäude gebaut werden. Darüber hinaus gibt es Bauprojekte auf dem Standortübungsplatz, um die ohnehin ausgezeichneten Übungsmöglichkeiten noch weiter zu verbessern. Ich möchte noch eine Waldkampfbahn und eine Panzerfaustschießbahn – um nur mal zwei weitere Projekte zu nennen. Ich möchte an meinen Nachfolger im September 2025 möglichst viele abgeschlossene Maßnahmen übergeben.

Gutes Stichwort: Ihre Zeit in Hardheim endet im September. Wer wird ihr Nachfolger und wie lautet Ihre weitere Verwendung?

Kirchner: Der Nachfolger steht fest, den kann ich Ihnen aber noch nicht verraten. Ich werde ab Oktober nach Berlin ins Verteidigungsministerium gehen. Was ich da genau mache, ist noch nicht klar.

Werden Sie mit Wehmut Hardheim verlassen?

Kirchner: Wahrscheinlich werde ich sehr traurig sein, wenn ich vom Appellplatz gehe, denn Kommandeur eines Panzerbataillons zu sein, war immer mein Traum. Es wird mir sicher sehr schwerfallen, das Bataillon zu übergeben. Aber mein Nachfolger wird ganz bestimmt mit einer ähnlichen Motivation und Engagement das Bataillon führen.

Kürzlich flammte eine Diskussion auf, alte Bunker wieder zu aktivieren. Dies auch deshalb, weil immer wieder kolportiert wird, Russland könne auch Deutschland angreifen. Gibt es hier aktive Bunker und Schutzanlagen in der Hardheimer Kaserne?

Kirchner: Aufgrund von Belangen der militärischen Sicherheit, die die Bunkeranlagen der Bundeswehr grundsätzlich betreffen, kann ich Ihnen leider keine Auskünfte erteilen. Da bitte ich um Ihr Verständnis.

Nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine ist die Bundeswehr wieder mehr in den Fokus der Bevölkerung gerückt. Wie ist das Verhältnis zwischen Soldaten und Hardheimern?

Kirchner: Die Wahrnehmung unseres Bataillons finde ich sehr, sehr positiv. Wir hatte am Ende des vergangenen Jahres erst wieder ein Gespräch mit der hiesigen Polizei und Feuerwehr über eine mögliche Zusammenarbeit. Darüber hinaus waren zum Beispiel Vertreter des TV Hardheim erst kürzlich bei mir. Die gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde und den guten Austausch mit Bürgermeister Stefan Grimm habe ich schon mehrfach betont. Der Kontakt ist also sehr vielschichtig. Wir sind stets um weitere Kooperationen bemüht.

Es war 2021 mal ein Tag der offenen Tür geplant, der dann aus mehrerlei Gründen nicht stattfand. Gibt es hier neue Planungen?

Kirchner: Das ist ein gutes Thema. Ich habe mir die Frage gestellt: Wann ist eigentlich das 50-Jahr-Jubiläum des Panzerbataillons 363? Wenn man die Unterbrechung miteinrechnet, kommt man auf das Datum 1. April 2027. Ich hoffe, ich kann meinen Nachfolger dafür begeistern, dass es im April 2027 solch einen Tag der offenen Tür in der Carl-Schurz-Kaserne geben wird. Vielleicht gelingt es uns sogar einen Großen Zapfenstreich zu bekommen.

Ressortleitung Reporterchef und Leiter der Sportredaktion

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