Land und Leute - Gosbert von Brunn restauriert mit großer Leidenschaft Oldtimer / Spezialwerkstatt in Grünsfeld

„Knutschkugeln“ lebenslange Begleiter

Das Restaurieren von Oldtimermodellen vor allem der BMW-Typen Isetta 600 und 700 hat sich Gosbert von Brunn sowohl zum leidenschaftlichen Hobby als auch zur beruflichen Passion gemacht.

Von 
Peter D. Wagner
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Grünsfeld. „Meine Leidenschaft zur Isetta ist ein Überbleibsel aus der Ausbildungszeit bei einem BMW-Autohaus“, erzählt der Grünsfelder Experte, Restaurator und Sammler über den Ursprung seines Faibles speziell für die „Knutschkugeln“, wie die kompakten und runden automobilen BMW-Winzlinge mit der charakteristischen Fronttüre im Volksmund heißen.

Sein früherer Chef war privat und geschäftlich Liebhaber von historischen Kraftfahrzeugen. „Dies animierte mich einerseits, dass ich mir selbst einen BMW-Oldtimer kaufen wollte, anderseits hatte ich zu dieser Zeit noch nicht genügend Geld dafür“, erinnert sich der gelernte Kfz-Mechaniker, der nach Absolvieren der Kfz-Meisterprüfung unter anderem ab 1980 bei einem Betrieb in Giebelstadt arbeitete und inzwischen seit langem Inhaber einer eigenen Spezialwerkstatt in Grünsfeld ist.

Per Annonce gesucht

Damals suchte er per Annonce nach Isetten, worauf er drei angeboten bekommen und gekauft habe – „kurioserweise genau in den Preisstaffelungen 300, 600 und 900 Mark“. Von den zwei günstigeren, die beide stark renovierungsbedürftig waren, veräußerte er die eine weiter. Die andere – Baujahr 1960 – behielt Gosbert von Brunn ebenso wie dritte Isetta, Jahrgang 1959, die an sich fahrbereit und verkehrstauglich war. Während das 1960er-Modell bis heute im Lager darauf warte, „ins Leben zurückgerufen zu werden“, begann er damit, das ältere Vehikel von Grund auf zu restaurieren. Erst einige Jahre später gab er sie an einen Freund ab.

„Mit Restaurierung dieser Isetta nahm einhergehend schon die Nachfertigungsidee seinen Anfang“, blickt von Brunn zurück. „Passende Reparaturbleche gab es damals nicht, so dass ich mich daran machte, diese in Eigenregie anzufertigen. Zuerst die Endspitzen, Radläufe vorne, dann das erste Bodenblech und so kam eins zum andern“.

Seither bestimmen die historischen BMW-Kleinwagen wesentlich seine Freizeit und seit mittlerweile etwa 25 Jahren zudem seinen Berufsalltag.

Er beließ es allerdings nicht nur bei diesen und weiteren Isetten. 1982 erstand er beispielsweise für 1200 Mark in einen BMW 600, Baujahr 1957.

Den der Isetta zwar von der Form her ähnlichen, jedoch etwas geräumigeren, viersitzigen und zusätzlich mit einer Seitentüre ausgestatteten Kleinwagen restaurierte er innerhalb eines Jahres und machte ihn zum Familienauto. „Was willst du mit diesen alten Karren“, sei er von vielen Menschen geradezu spöttisch ausgelacht worden. Der kleine Oldtimer ist hingehen noch heute Familienzweitwagen geblieben, mit dem sehr viele Geschichten und Erinnerungen verbunden sind. „Kindergarten, Schule, Einkaufen, zudem auch Reisen wie etwa 1990/1991 nach Berlin und durchs Brandenburger Tor oder ein Jahr später nach Dresden“ reflektiert von Brunn in Erinnerungen.

Besonderes Unikat

Ein ganz besonderes Unikat ist ein BMW 600, Jahrgang 1958, der im Besitz des Königs in Nepal war und den von Brunn vor etwa 15 Jahren ergatterte. „Der nepalesische König bekam dieses Auto neben einer Isetta von der BMW-Niederlassung in Kathmandu, um deren Verkaufsgeschäft anzukurbeln“, weiß er über die Geschichte dieses Vehikels. Nach einiger Zeit wurde der kugelförmige Viersitzer an einer Tankstelle von einem deutschen Entwicklungshelfer aufgespürt, gekauft und repariert sowie nach Ablauf des Arbeitsauftrages des Inhabers in Nepal nach Deutschland verschifft.

Durch eine unsachgemäße Entladung im Hamburger Hafen seien einige Teile des Fahrzeugs beschädigt worden, so dass es die Ehefrau des Eigners nicht mehr behalten wollte. Dieser wandte sich daraufhin an von Brunn, der den ehemals „königlichen“ Kleinwagen kaufte und reparierte. „In der BMW-Zentrale in München gab es tatsächlich sogar einen formellen Nachweis, dass ein 600er an den König von Nepal ging. Eine entsprechend bestätigende Auskunft habe ich auf damalige Anfrage anhand der Fahrgestellnummer erhalten“, betont er.

Ein fast gleichsam einzigartiges Sammlerstück in von Brunns Repertoire ist ein BMW 600 Pick-up-Modell, von dem es lediglich 30 Exemplare gegeben habe. Bevor es vor etwa 23 Jahren in sein Eigentum überging, wurde das Klein-Nutzfahrzeug unter anderem bei BMW in München im internen Werksverkehr und anschließend bei der Freiwilligen Feuerwehr in Oberschleißheim eingesetzt. Einerseits hat von Brunn mittlerweile das hölzerne Transportgestell dieses Oldtimers erneuert, andererseits steht die sonstige Restaurierung noch bevor.

Derzeit besitzt der Liebhaber insgesamt über zehn Isetten oder BMW 600, von denen gegenwärtig drei restauriert und verkehrstüchtig sowie drei in Arbeit zur Wiederinstandsetzung sind. Hinzu kommt ein BMW 700, der unter anderem von einem längeren Radstand, seitlichen Türen und selbsttragender Karosserie geprägt war. Andere Oldtimer-Typen in seinem Besitz waren oder sind beispielsweise ein 1968er VW Karmann Ghia Cabrio, ein NSU Prinz 1200 TT aus den 70er Jahren und ein in Renovierung befindlicher Fiat Topolino.

Die umfangreichen Erfahrungen und Fachkenntnisse, die er sich in seinem Hobby mit BMW Isetta, 600er und 700er im Laufe der langen Zeit angeeignet hat, bietet von Brunn seit mehr als 25 Jahren darüber hinaus auch beruflich als Service in seiner Kfz-Meisterwerkstatt in Grünsfeld an.

Dazu gehören nicht nur Reparaturen und Instandsetzungen besonders dieser BMW-Oldtimertypen, sondern ein umfangreicher Online-Shop und ein ansehnliches Ersatzteillager mit vielen originalen oder hochwertig nachgefertigten Ersatzteilen. Viele Nachfertigungen werden entweder von ihm selbst oder von Spezialfirmen hergestellt, so dass auch eine Passgenauigkeit garantiert ist. „Man muss viel Spaß und Interesse daran haben“, meint von Brunn angesichts der nur sehr geringen Abnahmemengen der spezialgefertigten Ersatzteile“.

Äußerst findig

Wie findig er selber ist, zeigt sich exemplarisch an den Austauschmotoren für Isetten, die er auf Lager hat: Irgendwann fand er heraus, dass in den 60er Jahren Siemens Stromerzeugungsaggregate für die Bundeswehr herstellte, die mit BMW-Isetta-Motoren angetrieben wurden. 30 Stück davon entdeckte von Brunn zufällig in einer Tankstelle bei Karlsruhe und konnte sie günstig erstehen. Bei den „Ersatz-Herzen“ für die „Knutschkugeln“ ist seither offensichtlich langfristig für Nachschub reichlich gesorgt.

Interessantes zur BMW Isetta

Die BMW Isetta war ein zwischen Motorroller und Auto eingeordnetes, zweisitziges Kleinstfahrzeug, das als Motocoupè bezeichnet wurde sowie als kennzeichnendes Symbol und Merkmal für den Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit in Deutschland gilt.

Neben seinem fast kugelförmig runden Corpus war für die Isetta besonders auch die breite Fronttüre charakteristisch, durch die Fahrer und Beifahrer bequem von oder nach vorne ein- oder ausstiegen, zumal sich beim Öffnen der Vordertür die Steuersäule automatisch seitlich nach links neigte.

Eine weitere typische Erscheinung dieser „Knutschkugeln“ war das zu öffnende Sonnendach, das zudem im Bedarfsfall als Notausstieg diente.

Im Premierenjahr 1955 lag der Preis für eine BMW Isetta bei 2580 Mark, in ihrem letzten Produktionsjahr 1962 kostete sie 2795 Mark.

Für eine gut erhaltene oder restaurierte, fahrtüchtige Isetta werden heute Preise von teilweise sogar über 20 000 Euro geboten und gegebenenfalls gezahlt.

Laut offiziellen Statistiken wurden von der Isetta weltweit insgesamt 161 728 Exemplare verkauft.

Nach Einschätzung des Isetta- und BMW-Oldtimer Experten Gosbert von Brunn in Grünsfeld gibt es derzeit bundesweit und international noch rund 4000 Exemplare, davon etwa 300 Stück des viersitzigen Typus BMW 600.

Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Oldtimer (das heißt mindestens 30-jährige Kfz mit „H“-Zulassungskennzeichen) betrug nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) zum 1. Januar 2020 erstmalig mehr als eine halbe Million (525 968) gemeldeter Exemplare, was einem Anstieg von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr (474 516) entsprach. pdw

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