Grünsfeld. 100 Jahre: So alt wird heuer die Musikkapelle. Und ist dennoch jung geblieben. Die Grünsfelder Musikanten feiern vom 19. bis 22. Juli mit einem großen Fest diesen runden Geburtstag. Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren. Das Jubiläum gibt Anlass, einen Blick auf die wechselvolle Geschichte des Vereins zu werfen.
Anfänge im 19. Jahrhundert
Schon im 19. Jahrhundert wurde in Grünsfeld Blasmusik gespielt. Intensive Nachforschungen durch den verstorbenen Ehrenvorsitzenden Hans Schüller belegen eine buchstäblich über Jahrhunderte hinweg lückenlose Tradition der Blasmusik in Grünsfeld. Auch Dr. Elmar Weiß zeigt in seiner Stadtchronik auf, dass die Musikanten bereits im 17. und 18. Jahrhundert aktiv waren. Ab 1849 sind Auftritte der Grünsfelder Musiker urkundlich erwähnt oder erscheinen immer wieder in Zeitungsanzeigen als Fest- oder Stimmungskapelle.
Die Musikkapellen vor und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg wurden meist von ehemaligen Militärmusikern geleitet, die gemeinsam mit interessierten Laien musizierten. Mit der Anzahl dieser Musiker, die nach ihrer Dienstzeit in die Heimatgemeinden zurückkehrten, stieg zweifellos auch die Qualität der örtlichen Kapellen.
Instrumente mit Weizen bezahlt
Simon Schäffner, Georg Schäffner, Josef Hehn, Simon von Brunn, Albert Fürter, Karl Seubert, Karl Glattbach, August Häusler, Heinrich Hehn, Karl Walz, Georg Appel, Adam Dürr, Albin Derr, Andreas Ulzhöfer, Albert von Brunn, Josef Spengler und Andreas Seubert waren die Gründungsmitglieder der Gesellenvereinskapelle gewesen, deren Leitung im Jahr 1924 Oberlehrer Georg Schweiger übernommen hatte. Maßgeblich unterstützt wurde die Neugründung auch vom damaligen Ortspfarrer, dem Geistlichen Rat Eduard Münch.
Dass der Idealismus der Musiker damals weit größer war als der „klingende Verdienst“, das erhellen überlieferte Anekdoten aus jener schweren Zeit. Die bedrückende Geldknappheit der Inflationsjahre wurde einfallsreich dadurch überwunden, dass so manches Instrument mit Weizen gekauft wurde. Selbst die Noten wurden meist nicht bezogen, sondern für jedes einzelne Instrument geschrieben.
Als Oberlehrer Schweiger aus Altersgründen zurücktrat, übernahm Albert von Brunn den Dirigentenstab. In beispielhafter Gemeinschaftsarbeit erfüllte die Kapelle die wachsenden Aufgaben im Gesellenverein: Sie trat bei kirchlichen und weltlichen Anlässen an die Öffentlichkeit, gab Konzerte und war schließlich auch als gute Tanzkapelle geschätzt.
Um die Mitte der 1930er Jahre bestand zwar noch eine regionale Blaskapelle, die hauptsächlich bei politischen Feiern in Aktion trat. Der Zweite Weltkrieg brachte eine Zwangspause bis zum Jahr 1948. Josef Spengler machte nach Kriegsende den ersten Versuch, in Grünsfeld wieder eine Kapelle zusammenzustellen.
Schwierige Nachkriegszeit
Diesem idealistischen Vorhaben war allerdings in der bitteren Not der ersten Nachkriegsjahre nur wenig Erfolg beschieden. Wenn in Grünsfeld noch musiziert wurde, dann war es bei den wenigen Flurprozessionen oder einigen öffentlichen Anlässen. Die wenigen Alten ruhten freilich nicht. Sie sprachen die Jugend immer wieder an. Nicht vergebens. Nach und nach fand der eine oder andere aus der Jugend des Kolpingvereins den Weg zur Musik.
Als Albert von Brunn aus der Gefangenschaft zurückkehrte, konnte er in kurzer Zeit aus alten Getreuen und interessierten Jugendlichen einen Klangkörper bilden, der sich rasch einen guten Ruf erwarb. Aufgrund der Vielzahl seiner Ehrenämter suchte von Brunn um die Jahreswende 1956/57 einen Nachfolger für die Leitung der Kolpingkapelle, den er in dem Amateurmusiker Robert Faul fand. Im Jahr 1957 wurde die bisherige Kolpingkapelle zur eigenständigen Musikkapelle, deren erster Vorsitzender Norbert Serwotka war.
Ihm folgte Willi Hofmann, bis Hans Schüller von 1965 bis 1990 die Geschicke des Vereins maßgeblich leitete. Von 1990 bis 2007 war Valentin Kimmelmann Vorsitzender des Vereins. 17 Jahre lang prägte er in besonderer Weise die Vereinsarbeit und formte zusammen mit seinem stellvertretenden Vorsitzenden Otmar Mohr einen intakten Verein. 2007 wurde dann der Generationenwechsel eingeleitet, und Thomas Englert führte mit einem jungen Vorstandsteam den Verein erfolgreich weiter. Mit Elke Krappel steht seit 2016 die erste Frau an der Spitze des Vereins.
Nach Robert Faul übernahm Franz Alex im Jahr 1965 die musikalische Leitung der Kapelle. Im Jahre 1986 legte er nach 22-jähriger Tätigkeit sein Dirigentenamt nieder. Sein Nachfolger wurde Berthold Huß aus Würzburg. Ihm folgte 1990 Harald Reinhard. Mit Thomas Weber wurde 1993 wieder ein Dirigent gefunden, der aus der Branche der Amateurmusiker kommt. Er leitete die Kapelle 25 Jahre lang souverän mit viel Sachverstand und großem Engagement. Steffen Beetz wechselte 2018 aus der Reihe der aktiven Musiker ans Dirigentenpult, bis 2022 Thomas Mohr die musikalische Leitung übernahm. Seither hat er das Dirigentenamt inne und leitet die Kapelle mit Kompetenz und Leidenschaft.
Aufwärtsentwicklung seit 1957
Den Protokollen über die Vereinsarbeit kann ab 1957 eine stetige Aufwärtsentwicklung des Vereins entnommen werden, die die Kapelle weit über die Stadt- und Kreisgrenzen hinaus bekannt gemacht hat. So sind Auftritte bei Fremdensitzungen und Fastnachtsumzügen in Würzburg, Kitzingen und Mainz sowie Konzertreisen nach Niedersachsen (Schützenfest in Lehrte) und ins benachbarte Österreich (Finkenberg und Jenbach) als besondere Höhepunkte anzusehen. Seit 1968 ununterbrochen als Sitzungskapelle bei den Narrengesellschaften in Lauda und Grünsfeld, fordern diese Auftritte von den Musikern und den Dirigenten musikalische Erfahrung und Spontaneität.
Der Verein wirkt auch immer wieder bei der „Aktion Lebenshilfe“ und anderen sozialen Veranstaltungen mit und umrahmt sowohl kulturelle als auch kirchliche Ereignisse in Grünsfeld und den Stadtteilen. an.
Als Meilensteine in der Vereinsgeschichte dürfen die bisher abgehaltenen Jubiläumsfeste bezeichnet werden. Mit dem 50-jährigen Jubiläumsfest konnte im Jahr 1974 gleichzeitig das Verbandsmusikfest des Blasmusikverbandes ausgerichtet werden. Beim Bezirksmusikfest 1984 wurde der Verein für die über 125-jährige Blasmusiktradition in Grünsfeld mit der Pro-Musica-Plakette ausgezeichnet. Auch im Jahr 1999 war der Verein bei seinem 75-jährigen Jubiläum Ausrichter des Bezirksmusikfestes und konnte mit einer hervorragend organisierten Veranstaltung einen weiteren Höhepunkt in der Vereinsgeschichte setzen. 2014 fand zusammen mit dem Fest zum 90-jährigen Vereinsjubiläum das Verbandsmusikfest des Blasmusikverbandes statt.
Musiker als Bauherren
Neben ihrem musikalischen Engagement haben die Grünsfelder Musikanten sich auch als „Bauherren“ verdient gemacht. Nachdem die Kommune in den 1970er Jahren den Südflügel des ehemaligen Zehntgebäudes erworben hatte, sahen die Musiker hier die Gelegenheit, in einem historisch bedeutsamen Gebäude einen Vereinsraum zu schaffen. Die Einweihungsfeierlichkeiten wurden in Form eines Musikfestes im Schlosshof im Juni 1980 begangen. Gleichzeitig erhielt der Verein die Auszeichnung des Landes Baden-Württemberg für eine „vorbildliche kommunale Bürgeraktion“.
Ein neues Vereinsheim mit eigenem Probe- und Schulungsraum war ein langgehegter Wunsch der Musikkapelle. Bisher probten Jugendkapelle und Musikkapelle im Gymnastikraum in der Stadthalle. Der Neubau des Feuerwehrgerätehauses in unmittelbarer Nachbarschaft bot eine einmalige Chance: Die Musikanten konnten die frei gewordenen Räume der Feuerwehr im Untergeschoss der Stadthalle übernehmen. In einer sehr kurzen Umbauphase von November 2013 bis März 2014 haben die Musikerinnen und Musiker sich selbst ein Geschenk zum 90. Vereinsgeburtstag gemacht und mit über 2000 freiwilligen Arbeitsstunden ein eigenes Domizil geschaffen.
Vorbildliche Jugendarbeit
Besondere Aufmerksamkeit schenkte der Vorstand schon immer der Jugendarbeit. Bereits 1966 wurde die erste Jugendkapelle gegründet. 1971, 1976, 1982, 1993 und 2006 folgten weitere Neugründungen. So kann der Verein stolz darauf sein, nunmehr nahezu 60 Jahre lang immer eine spielfähige Jugendkapelle zu haben. Die Qualität der Ausbildung belegen auch die zahlreichen Jungmusiker-Leistungsabzeichen in Bronze und Silber, die bisher von den Jugendlichen abgelegt wurden.
Dirigenten seit der Gründung der ersten Jugendkapelle waren Otto Düll, Franz Alex, Hermann Seubert, Jürgen Häuslein, Valentin Kimmelmann, Jochen Rothermel und Christoph Czysch. Seit 2006 wird die Jugendkapelle von Daniela Stoy geleitet.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/gruensfeld_artikel,-gruensfeld-gruensfelder-musikanten-haben-in-den-vergangenen-100-jahren-akzente-gesetzt-_arid,2225618.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/gruensfeld.html