Freudenberg. Als erste Deutsche hat sie den Mount Everest bezwungen. Am Freitag, 20. Oktober, kommt die Extrembergsteigerin Helga Hengge nach Freudenberg. Auf Einladung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) hält sie einen Vortrag mit dem Titel „Nur der Himmel ist höher“ in der Stadthalle. Der örtliche KAB-Vorsitzende Hans-Peter Kettinger hat die Wahlmünchnerin vor zehn Jahren bei einem Motivationstraining als Referentin kennengelernt.
Motivation ist Voraussetzung für die Besteigung des höchsten Bergs der Welt. Sie ist die erste deutsche Frau, die den Mount Everest bestiegen hat. Das war 1999.
Andere Extrembergsteiger wie Reinhold Messner sind über das Schwinden der Gletscher bestürzt und engagieren sich für Umwelt- und Klimaschutz. Für Helga Hengge ist das Bergsteigen vor allem eine ganz persönliche Grenzerfahrung. Im Vorfeld des Vortrags führten die Fränkischen Nachrichten ein Interview mit ihr.
Erst mit etwa 30 Jahren sind Sie zum Bergsteigen gekommen. Zuvor waren Sie Modedesignerin. Wodurch haben Sie Ihre Liebe zu den Bergen entdeckt?
Helga Hengge: Von Bergen war ich schon immer fasziniert. Meine Großeltern haben uns mit Bildern und Geschichten auf ihre Expeditionen und Entdeckungsreisen in den Himalaya „mitgenommen“. Am meisten haben mich damals die Bilder der Tibeter und Sherpas im Himalaya fasziniert, die Yak-Karawanen, mit denen sie über das Hochland gewandert sind, und die vielen bunten Gebetsfahnen und goldenen Gebetsmühlen, mit denen die Menschen am Fuße der höchsten Berge der Welt mit den Göttern kommunizieren.
Die Sherpas sind ein überwiegend buddhistisches Volk im Osten Nepals, das in Deutschland weitgehend unbekannt ist…
Hengge: … das aber eine äußerst spirituelle Beziehung zu den hohen Bergen hat.
Ist das Bergsteigen für Sie auch etwas Spirituelles? Was empfinden Sie persönlich beim Bergsteigen in so großen Höhen wie im Himalaya?
Hengge: Die Berge sind eine wunderbare Metapher für große Herausforderungen. Jeder Mensch hat einen Everest in seinem Leben. Dann geht es darum aus der Komfortzone hinauszusteigen, den Berg in kleinere Etappen einzuteilen, Rückschläge zu verkraften, mit Kräften und Ressourcen hauszuhalten, sich immer wieder zu motivieren, mit einem starken Team an der Seite und dem Willen über sich selbst hinauszuwachsen.
Teilen Sie Ihre Erfahrungen als Lebenshilfe für alle Menschen oder eher als Erfolgsrezept für Manager und Kapitalanleger?
Hengge: Ich halte Vorträge – zu Konferenzen, Meetings, Führungskräftetagungen und auch Veranstaltungen wie mit der KAB in Freudenberg. Ich versuche, alle die Menschen mit auf den Mount Everest und zu den Seven Summits zu nehmen.
Ist das Bergsteigen nicht immer noch eher Männersache? Wie kommen Sie als Frau da zurecht? Werden Sie von den „Kollegen“ akzeptiert?
Hengge: Stimmt. Das Höhenbergsteigen ist auch heute noch weitgehend eine Männerdomäne, obwohl sich inzwischen viele Frauen trauen und auch sehr erfolgreich sind. Ich bin immer gut zurechtgekommen. Am Berg ist der Mensch zuerst Mensch und nicht Mann oder Frau. Unterschiedliche Stärken, Talente, Erfahrungen zusammenzubringen, den Widrigkeiten gemeinsam zu begegnen, den Zusammenhalt hochzuhalten und als Team über sich selbst hinauszuwachsen – das ist das Abenteuer.
Wie läuft so eine Extrembergtour eigentlich konkret ab?
Hengge: Der Aufstieg auf den Mount Everest dauert zwei Monate – am Berg, im Zelt. Ich hatte mich drei Jahre vorbereitet. Dann beginnt der Aufstieg im Basislager auf 5200 Metern Höhe. In den ersten Wochen werden nacheinander vier Höhencamps eingerichtet, wir gewöhnen uns Woche um Woche an die immer dünner werdende Luft, lernen als Team gut zusammenzuarbeiten und aufeinander aufzupassen – in der letzten Woche steigen wir dann (hoffentlich) zum Gipfel auf, wenn die Wetterbedingungen es zulassen und die Götter mit uns sind. Mich faszinieren die heiligen Berge, die es überall auf der Welt gibt.
Wie gehen Sie beim Klettern mit Ihrer Angst um?
Hengge: Sehr behutsam. Angst ist wichtig, sie fordert Achtsamkeit und Respekt und schützt mich vor Übermut.
Und was empfinden Sie dann auf dem Gipfel?
Hengge: Glück und Dankbarkeit.
Haben Sie den Yeti gesehen?
Hengge: Gesehen habe ich ihn nicht, aber viele Geschichten über ihn von den Sherpas gehört.
Sie haben viele Kontakte zu den Einheimischen im Himalaya und haben in Tibet sogar eine Schule gegründet.
Hengge: Die Menschen dort waren mir ans Herz gewachsen. Ich wollte ihnen etwas zurückgeben. Irgendwann habe ich festgestellt, dass die immerhin 120 Kinder in ihrem Dorf am Fuße des Mount Everest in Tibet keine Schule haben. Also habe ich das Geld von meinem Buch für den Bau der Schule gestiftet und die Dorfbewohner haben die Schule gebaut. Das war mein größtes Glück.
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