Vor 80 Jahren rückte die US-Armee im Tauberstädtchen ein

Zwei mutige Männer verhindern die Zerstörung Creglingens

Am 12. April 1945 sprengt die SS die Creglinger Tauberbrücke. Die Soldaten ziehen ab, und zwei mutige Männer treten den Amerikanern mit weißen Laken entgegen.

Von 
Eugen Dürr
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Die Postkarte aus dem Jahr 1920 zeigt die „alte“ Creglinger Tauberbrücke mit ihrem mächtigen schmiedeeisernen Geländer. © Archiv Dürr

Creglingen. Bereits ab 8. April 1945 wappneten sich die Anwohner für die Sprengung der Creglinger Tauberbrücke. Fenster wurden ausgehängt oder mit Brettern vernagelt. Vom 11. auf den 12. April gab es längeren Artilleriebeschuss und einige Häuser wurden stark beschädigt. Auf der waldigen Bergkuppe des Bockstalls gab es heftige Kämpfe mit einigen Toten. Tieffliegerangriffe und Artilleriebeschuss gab es bereits ab 6. April. Das städtische Krankenhaus wurde zum Lazarett.

Der Zeitzeuge Frieder Weller kann sich noch gut an die Vorbereitungen der Sprengung der Tauberbrücke erinnern. „Wir wohnten gegenüber der Post. Die Dynamitstangen waren im hinteren Bereich des Postgebäudes gelagert und wurden zur nebenan liegenden Tauberbrücke gebracht. Mein Bruder Albert, der drei Jahre älter war als ich und die Oberstufe der Schule besuchte (heutiges Rathaus), hat sich immer bei den Soldaten der SS aufgehalten. Aufgrund des Artilleriebeschusses hatten wir aber die letzten Tage überwiegend im Keller verbracht.“

Der Beschuss am Donnerstag, 12. April, dauerte bis zirka 15 Uhr. Die deutsche Infanterie rückte gegen 16 Uhr Richtung Oberland ab und nur ein SS-Posten verharrte an der Brücke. Um etwa 18 Uhr wurden die ersten US-Soldaten im Bereich Mühlbach gesichtet (heute Straße Kieselalle). Dies war das Zeichen für den zurückgelassenen deutschen Posten, die Tauberbrücke zu sprengen. Es ist ca. 19 Uhr, als eine mächtige Detonation das Tal erschüttert. Der Mittelteil der Brücke wird dabei völlig zerstört und bei den umliegenden Häusern (Postamt, Flaschnerei Wagner und Taubermüller Wellhöfer) werden durch die Druckwelle die Häuser beschädigt und die Dächer abgedeckt. Bei der Sprengung kam auch eine taubstumme Frau ums Leben. Sie wurde Anfang 1944 mit rund 80 weiteren Personen aus einem Freiburger Altersheim nach Creglingen evakuiert und war im Gasthof Stern einquartiert. Vom Jahr 1944 bis zum März 1945 stieg durch Einquartierungen die Einwohnerzahl von Creglingen um über 800 Personen auf fast 2000. Es waren meistens Bombengeschädigte aus dem Rheinland und auch Jugendgruppen, die aufs Land ausquartiert wurden. Hans Ebert war damals 6 Jahre alt und ihm liegt der Knall der Brückensprengung noch heute in den Ohren.

Zwei mutige Männer verhindern größeren Schaden

Fast zeitgleich mit der Sprengung gingen der stellvertretende Bürgermeister, Schuhmachermeister Meder, und der englisch sprechende zweite Stadtpfarrer Wüst die Torstraße hinauf zum Stadtausgang in Richtung Niederrimbach. Mit weißen Laken in den Händen haben sie die Stadt kampflos an die Amerikaner übergeben. Meder war erst seit Dezember 1943 im Amt, da Bürgermeister Liebert bereits 1939 eingerückt war und sein Stellvertreter, Verwaltungsaktuar i.R. Louis Ebert im Krankenhaus weilte. Heute kann man von Glück sagen, dass die Soldaten Creglingen gerade noch rechtzeitig verlassen haben und es zu keinen kriegerischen Handlungen gekommen ist. So blieb Creglingen vom Schicksal einer größeren Zerstörung verschont, wie dies etwa bei den Nachbarorten Aub, Niederstetten, Weikersheim und besonders in Brettheim geschehen ist. Dies war der Verdienst der beiden mutigen Männer Meder und Wüst, die sehr viel Zivilcourage gezeigt haben. In anderen Orten wurden solche mutigen Männer oft von einem unrechtmäßigen Standgericht verurteilt und als Verräter hingerichtet, z.B. in Aub.

Durch den Artelleriebeschuss wurden in Creglingen etwa 30 Häuser beschädigt, darunter der Bahnhof und einige umliegenden Häuser, die Stadtkirche erheilt vier Volltreffer, das Schloss fünf Treffer (heute ev. Pfarramt und Pfarrerswohnung) gleich neben der Stadtkriche (die 26 Bewohner befanden sich im Keller).

Einen Tag später, am 13. April 1945, fiel dann die Tauberbrücke in Archshofen der Sprengung zum Opfer. Fast alle Brücken im oberen Taubertal wurden von deutschen Soldaten gesprengt.

Dieses interessante Bild von Creglingen wurde nach Kriegsende im Jahr 1945 aufgenommen. © Archiv Dürr

Das Leben war auch nach dem 12. April 1945 kein Zuckerschlecken

In Creglingen gab es sechs Tage lang kriegerische Handlungen mit Artilleriebeschuss und Fliegerangriffen. Im Creglinger Oberland dauerten die Kämpfe weitere Tage an. Einheimische und Soldaten beider Seiten mussten ihr Leben lassen. Die gefallenen deutschen Soldaten wurden in „Kriegsgräber“ vor Ort beerdigt und die toten amerikanischen Gefallenen wurden mit LKW‘s auf den Soldatenfriedhof nach Bensheim an der Bergstraße gefahren, von wo aus sie dann später in ihre Heimat überführt wurden.

Noch am Abend des 12. Aprils 1945 verkündeten die US-Soldaten, dass sofort alle Waffen am Rathaus abgeliefert werden müssen. Ab 21 Uhr durfte sich niemand mehr auf der Straße sehen lassen. Alle Ausländer mussten sich im Gasthof „Zum Grünen Baum“ einfinden. An den Ortsausgängen wurden Posten mit je zwei Kampfpanzern eingerichtet. Die Bahnhofstr. und die Klingener Str. wurden für den Zivil-Verkehr gesperrt. Die Amerikaner fuhren mit ihren Panzern und Fahrzeugen problemlos auf Höhe von Gasthof Post durch die Tauber. Es erfolgten Einquartierungen der US-Soldaten, überwiegend in der Vorstadt. Die betroffenen Bewohner mussten ihre Häuser räumen und sich anderweitig nach einer Unterkunft umschauen. Auch wurden zwei Mal Hausdurchsuchungen durchgeführt.

Unterhalb des Faulturmes und im Bereich der Taubermühle stapelten sich Unmengen von abgelieferten Gegenständen des Naziregimes: Bilder und Büsten, Orden, Handfeuerwaffen und Munition. Für die Creglinger Bevölkerung wurde eine Beschränkung der Ausgangszeit ausgesprochen. Niemand durfte die Stadt verlassen und es durften nicht mehr als vier Personen zusammen sein. Soldaten, die in Urlaub weilten, mussten sich melden. Der Zimmermann Karl Neubert, der als Soldat auf Heimaturlaub war, „spazierte“ mit Uniform am Stutz oberhalb von Creglingen. Er wurde von einem Scharfschützen angeschossen, der seinen Posten auf der Taubertalstraße Nähe Malergeschäft Wolfarth hatte. Aufgrund der Ausgangssperre konnte ihm niemand zu Hilfe kommen und er verblutete vor Ort. Die Urlauber, die sich gemeldet hatten, wurden in Gefangenschaft abtransportiert.

Für Überlandgänge gab es Erlaubnisscheine

Am 14. und 15. April zog der US-Militärtross in östlicher Richtung weiter und es fanden sich Personen der US-Militärregierung ein. Diese blieben bis Mitte August in der Stadt. Für mehrere Monate hatte ein US-Offizier namens Dreyfus die Leitung in Creglingen. Die Militärregierung hatte ihren Sitz im Gasthof Lamm und die Zivilregierung in der Creglinger Gewerbebank. Der Creglinger Ortsgruppenleiter Biniker wurde verhaftet und die Führung der Nazi-Formationen wurden Verhören unterzogen. Radios und Photoapparate mussten auf dem Rathaus angemeldet werden. Ab 17. April wurde die Ausgangssperre gelockert. Die Bauern durften wieder auf die Felder. Das Aufsuchen der Wälder war aber noch strengstens verboten. Bürgermeister Meder wurde abgesetzt und an seine Stelle kam Schreinermeister Karl Wölper.

Es fanden sich immer mehr Ausländer ein: Polen, Russen, Italiener, Franzosen. Die Stadt Creglingen musste für Wohnung, Verpflegung und Kleidung sorgen. Die Unterbringung erfolgte in der Jugendherberge (Faulturm/Bistro), im Armenhaus und in den Schulen. Um Plünderungen zu verhindern, wurden vier Hilfspolizisten aufgestellt. Ab 19. April mussten für Feldarbeiter Ausweise und für Überlandgänge Erlaubnisscheine beantragt werden. Ab dem 25. April gab es, nach 2 Wochen Stromausfall, zum ersten Mal wieder Strom. Am 27. April mussten alle Photoapparate auf dem Rathaus abgeliefert werden. Am 29. April wurde ein Holzsteg über die Tauber auf Höhe Gasthof Post fertiggestellt. Die Aufräumarbeiten der kaputten Tauberbrücke dauerten bis Mitte Juli. Es folgte eine Reparatur mittels Holzbalken und Bretter durch das Zimmergeschäft Kerndter und ab September konnte die Tauberbrücke wieder benutzt werden.

Der teilweise Neubau der Brücke erfolgte erst 1961/1962 – nach Fertigstellung der Riemenschneiderbrücke. Ab 23. Mai wurde der evangelische Kindergarten eröffnet. Auch der Zugverkehr setzte wieder ein, aber nur bis Bieberehren, da durch die gesprengte Gollachbrücke kein Weiterkommen möglich war. Ab Mitte August wurde der Postbetrieb aufgenommen und ab 6. September war wieder ein Telefonbetrieb möglich. Die Soldaten der SS hatte vor ihrem Abzug im Postamt die Fernsprecheinrichtungen mit Hammer und Beil zusammengehauen.

Ab Mitte Oktober fand der erste Schulunterricht statt. So langsam begann in Creglingen wieder die Normalität. Natürlich waren auch in Creglingen seit dem Jahr 1939 die Lebensmittel mittels Lebensmittelmarken rationiert. Dies wurde auch nach dem 8. Mai 1945 von den Alliierten Besatzungsmächten beibehalten, bis zirka 1950. Die Informationen zu diesem Berichtes stammen überwiegend aus einer Darstellung von Bürgermeister Gölz vom 30. Oktober 1948.

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