Creglingen. Es war ein längerer Prozess des Zweifelns und Abwägens: Soll das Jüdische Museum wirklich den Schritt in die virtuelle Museumswelt wagen? Schließlich wünsche man sich doch leibhaftige Gäste im Museum, schon, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Antisemitismus gehört nicht nur der Vergangenheit an.
Für längere Zeit unmöglich
Dann machte Corona Besuche und Veranstaltungen im Museum für längere Zeit unmöglich. Nur über einen virtuellen Zugang, so die Überlegung des Vorstands, sei es auch Rollstuhlfahrern möglich, durch die drei Etagen des Museums zu streifen und ihnen damit nicht nur den Zugang zur Ausstellung „Wurzeln und Wege“ zu ermöglichen, sondern auch einen virtuellen Besuch der Gedenkstätte und einen Kurzausflug auf den oberhalb der Stadt gelegenen jüdischen Friedhof.
Dank großzügiger Spenden wurde das Projekt relativ schnell realisiert und sogar mit dem ebenfalls während der Pandemie entwickelten Audioguide verknüpft.
„Schon den Audioguide, der in unserem rein ehrenamtlich betreuten Museum eigentlich unverzichtbar ist, hätten wir uns ohne die großzügige Förderung aus dem Programm ‚Neustart Kultur’ der ehemaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters nie leisten können“, so der Geschäftsführer der Stiftung Jüdisches Museum Creglingen. Die seit gut einem Jahr kostenlos via Smartphone und online abrufbare Audioführung erläutert an 18 Stationen im Museum Geschichte und Umfeld der Exponate und der Menschen, für deren Lebens- und Leidensgeschichte sie stehen.
Durch die Verknüpfung mit dem Audioguide ist bereits der virtuelle Museumsrundgang ein faszinierendes Erlebnis, der Besuchern einen erstaunlich vielfältigen Eindruck vom Museum gibt und viel Information vermittelt.
Wer sich auf die virtuelle Führung einlässt und etwa über den roten Pfeil die Gedenkstätte oder über den blauen Davidstern den Jüdischen Friedhof besucht, bleibt ohne weiteres anderthalb Stunden oder länger gebannt vor dem Schirm, um die Creglinger Gedenktopographie zu erkunden.
Wenig Erfahrung
Wer bislang nur wenig Erfahrung mit virtuellen Wanderungen hat, wird etwas Übung mit Computermaus oder anderen virtuellen Lenkmechanismen brauchen, um gezielt einzelne Positionen im Museum anzusteuern. Dafür entdeckt man dann auch Dinge, die nicht eigens über die mit einem grünen Ohr-Symbol zu startenden Audioerläuterungen Erwähnung finden: Das alte Gemäuer etwa, das dem Museum seine ganz eigene Atmosphäre gibt; die Schubfächer, in denen weiter reichende Erklärungen zu finden sind, die man dann allerdings nur beim „analogen“ Besuch persönlich öffnen kann; weitere Exponate, die neugierig machen; die Medienstation, die weitere Aufschlüsse über die Schicksale jüdischer Bürger und Bürgerinnen während der NS-Diktatur gibt.
„Wir hoffen, dass auch Schulklassen, für die ein unmittelbarer Museumsbesuch oft nur schwer realisierbar ist, den virtuellen Zugang nutzen, wenn sie sich mit Antisemitismus und der Geschichte der Nazizeit auseinandersetzen“, so Sabine Kutterolf-Ammon, Vorsitzende der Stiftung Jüdisches Museum Creglingen – eine Hoffnung, die auch die ehemalige Leiterin der örtlichen Grund- und Hauptschule Ingrid Thomé-Reinhard, die dem Vorstand angehört, teilt.
Es steckt viel Feinarbeit in der audiovisuellen virtuellen Führung durch das Jüdische Museum Creglingen: Die von der Berliner Wissenschaftlerin Claudia Klein erarbeiteten Texte liegen in deutscher und englischer Fassung vor.
Gerne gespendet
Man habe gern für das Projekt gespendet, so Martin Rank, Regionalmarktleiter der Volksbank Main-Tauber: „Das Jüdische Museum Creglingen präsentiert ein wichtiges Thema, das Unterstützung verdient.“ Und Thomas Kohlschreiber, Filialbereichsleiter der Creglinger Filiale der Sparkasse Tauberfranken, ergänzt: „Wir hoffen, dass der virtuelle Besuch viele Menschen erreicht und zum persönlichen Besuch einlädt.“
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/creglingen_artikel,-creglingen-virtueller-besuch-ab-sofort-moeglich-_arid,1969258.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/creglingen.html