Dem Creglinger Gemeinderat steht eine verzwickte Aufgabe bevor: Er muss in diesem Jahr die unechte Teilortswahl reformieren oder sie ganz abschaffen.
Creglingen. Die unechte Teilortswahl ist ein spezielles baden-württembergisches Konstrukt aus der Zeit der Gemeindereform Anfang der 70-er Jahre. Kleinen Gemeinden sollte damit die Aufgabe der Selbstständigkeit schmackhaft gemacht werden – indem man ihnen zusicherte, künftig auch dann Sitz und Stimme im Gemeinderat zu haben, wenn sie deutlich kleiner sind als die Hauptgemeinde. In einer weit verzweigten Kommune wie Creglingen mit gleich 13 ehemals selbstständigen Gemeinden war dieser Aspekt besonders wichtig.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Viele Städte haben die unechte Teilortswahl abgeschafft und sind zur Verhältniswahl übergegangen. Und spätestens mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs im letzten Jahr zur Tauberbischofsheimer Kommunalwahl 2019 kam das Thema landesweit ganz oben auf die politische Agenda.
Seit Oktober 2022 beschäftigt die unechte Teilortswahl auch die Creglinger Gremien. Alle Ortschaftsräte haben sich intensiv damit befasst, und im städtischen Hauptamt rauchen seit Monaten die Köpfe ebenfalls. Dort wurden Listen erstellt, anhand derer zu sehen ist, welche Ortschaften bei der letzten Kommunalwahl im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl im Gemeinderat über- beziehungsweise unterrepräsentiert sind. Der Gesetzgeber erlaubt eine Abweichung von dieser Quote um 20 Prozent – doch der Kernort Creglingen zum Beispiel lag deutlich unter dieser Repräsentationsquote – einige wenige Ortsteile wiederum darüber.
Der Stadt Creglingen bleibt nichts anderes übrig, als die Hauptsatzung zu ändern und die unechte Teilortswahl entweder zu reformieren oder sie zugunsten der Verhältniswahl ganz abzuschaffen. Der Zwang zum Handeln ergibt sich aus der Tatsache, dass die Stadt die Hauptsatzung bereits einmal geändert hat – und zwar zirka ein Jahr nach der Beschlussfassung 1972. „Wäre die Hauptsatzung immer unverändert geblieben, müssten wir nichts anpassen“, erklärte Bürgermeister Uwe Hehn im Gespräch mit den FN.
„Wir machen uns viel Arbeit, um eine Lösung zu finden, die in der Bevölkerung größtmögliche Akzeptanz findet“, ergänzte Hauptamtsleiterin Anita Müller. Aus Sicht der Verwaltung gebe es kein ideales Modell, stellt die Beamtin fest. Die Vorgaben seien klar: Das Modell müsse dazu führen, dass alle Stadtteile entsprechend ihrer Größe im Gemeinderat vertreten seien.
Bürgermeister Uwe Hehn hätte mit der bisherigen Methode leben können, „ich finde die unechte Teilortswahl gar nicht so schlecht“, so der Verwaltungschef. In Creglingen habe man damit gut Erfahrungen gemacht. „Die unechte Teilortswahl hat zu einer stärkeren Bindung der Ortsteile mit der Kernstadt geführt“, glaubt Uwe Hehn.
Würde die Stadt die Verhältniswahl einführen, hätte das langfristig erhebliche Konsequenzen: dann nämlich würde die Zahl der Sitze im Gemeinderat bei der Wahl in elf Jahren – im Jahr 2034 – von 18 auf 14 reduziert, weil Creglingen unter 5000 Einwohner hat – exakt 4587. Und zwangsläufig wären nicht mehr alle ehemals selbstständigen Gemeinden im Gremium vertreten.
Bei einer Modifizierung der unechten Teilortswahl bliebe die Zahl der Sitze zwar bei 18 – aber die Wahlbezirke würden sich ändern. Mehrere Stadtteile müssten zu Wahlbezirken zusammengelegt werden – „den Partnerort kann man sich dabei nicht aussuchen“, betonte der Bürgermeister, denn Sinn und Zweck der Zusammenlegung ist allein die Einhaltung der Vorgaben: dass das Verhältnis von Einwohnerzahl und Sitzen so gerecht wie möglich ist. „Wir werden keine rechtswidrige Wahl durchführen“, unterstrich Uwe Hehn – und deutete damit an, dass es womöglich nötig sei, Ortschaftsrats-Beschlüssen nicht zu folgen, wenn diese etwa die Beibehaltung der bisherigen Regelung fordern würden.
Die große Mehrheit der zwölf Ortschaftsräte will die unechte Teilortswahl behalten, ist aber – letztlich gezwungenermaßen – einer Modifizierung gegenüber offen. Die Stadtverwaltung hat aus allen bisherigen Diskussionen heraus drei Modelle erarbeitet, mit denen sie zur Abstimmung in den Gemeinderat gehen will. Eine Variante sieht die Einführung der Verhältniswahl vor – dieses Modell dürfte die wenigsten Befürworter finden. Eine zweite Variante sieht die Bildung von drei Wahlbezirken vor – einen links der Tauber, einen rechts der Tauber und einen „Creglingen-Mitte“. Die dritte Form präferiert die Bildung von insgesamt acht Wahlbezirken. Demnach würden acht Bezirke gebildet: Fünf Doppelbezirke: Creglingen/Niederrimbach, Craintal/Archshofen, Reinbronn/Waldmannshofen, Frauental/Freudenbach, Blumweiler/Schmerbach sowie die drei Bezirke Münster, Oberrimbach und Finsterlohr, macht in Summe acht Wahlbezirke.
Im März oder April wird sich der Gemeinderat mit dem Thema beschäftigen. Die Hauptsatzung muss auf jeden Fall geändert werden. Auch wenn die Kommunalwahl erst im Jahr 2024 stattfindet, ist die Gemeinde in gewisser Weise unter Zugzwang, denn die Parteien dürften ab Sommer 2023 auf Kandidatensuche gehen – und da wäre es wichtig zu wissen, in welchem Wahlsystem die Kommunalwahl über die Bühne geht. So oder so: der Gemeinderat steht vor einer verzwickten Aufgabe . . .
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