Reinsbronn. Die Uraufführung dieses temporeichen Mundarttheaters des ehemaligen FN-Redakteurs und Autors Arno Boas aus Finsterlohr war bereits im März 2020. Doch dann machte der Corona-Lockdown den geplanten Aufführungen einen Strich durch die Rechnung, und die Theatersaison wurde abgebrochen. Nun also, vier Jahre später, kam das Stück „Unter Schwestern“ erneut auf die Reinsbronner Bühne. Regie führte, wie 2020, die Theaterpädagogin Frederike Faust aus Röttingen.
Im Zentrum der Handlung stehen die beiden Schwestern Birte und Tina, überzeugend dargestellt von Silke Herschlein und Leonie Hertlein. Die Ältere ist ledig, die Jüngere verheiratet mit dem dauerverpeilten Lutz (Richard Beck). Die Damen, beide chronisch bankrott, kamen weniger aus Sehnsucht nach der holden Familie, sondern mehr in der Hoffnung auf Linderung ihrer Geldnöte zu ihrem Vater Gernot (Jochen Heppel) auf Besuch.
Papa will nach Nepal reisen
Der rüstige Witwer und ehemalige Gastwirt hat allerdings gerade gar keine Zeit für die Sorgen seiner Töchter, denn er sitzt quasi auf gepackten Koffern, als die Verwandtschaft aufkreuzt. Die Töchter und die Nachbarn reiben sich verwundert die Augen: Papa will tatsächlich auf große Reise – nach Nepal. Alle Überredungskünste und die besten Argumente helfen nichts: Er lässt sich nicht von seinem Traum abbringen. Der Streit ums liebe Geld zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte – zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten geht es auch um Glück und Zufriedenheit – genau das sucht Gernot auf seiner Reise in den Himalaya. Als die Töchter von diesem Vorhaben erfahren, sind sie entsetzt „des is doch nix in deiim Alter“.
Für Soap-Dramatik sorgt auch Carolin, die ebenso geldgierige wie neugierige, ja fast übergriffige Bekannte des Vaters. Susanne Stirmlinger spielt diesen Part in köstlich überdrehter Manier und ist sich auch nicht zu schade, in den selbst gestrickten Gernot’schen Socken nach eventuell vorhandenen Penunzen zu suchen.
Als Gegenpart zu der hyperaktiven Carolin wirkt Gernots Nachbarin Valerie (gespielt von Ilse Lay) geradezu wie ein Ruhepol, bei dem man Entspannung und Stille finden kann. Ob zwischen den Nachbarn was läuft? Diese Frage beschäftigt sowohl die holde Verwandtschaft als auch die neugierige Carolin, die sich prompt auf die Suche nach Antworten begibt.
Ein Familienerbstück sorgt für Zündstoff
Um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein, drängt Valerie Gernot, vor der Abreise ein Testament zu verfassen und engagiert hierfür den mit einem sympathischen Sprachfehler behafteten Besitzer des Bestattungsinstituts „Bei mir liegen sie richtig“, Oliver Eier-Meier-Feiergeist (Edgar Habel). Er ist es auch, der die Verwandtschaft beständig mit Informationen über die Nepal-Reise versorgen soll. Und schließlich ist da noch Valeries Sohn Fabian, dargestellt von Merlin Steinert, der als guter Freund und Radfahr-Partner viel Verständnis für das Vorhaben seines Nachbarn zeigt. Eine weitere Zutat im Stück: Ein Gemälde – Familienerbstück, wie Gernot unmissverständlich den Töchtern zu verstehen gibt – gemalt vom Urgroßvater und daher unverkäuflich. Doch Birte, spielsüchtig und daher mit zahlreichen Schulden belastet, hat längst schon den Wert dieses alten Schinkens ermittelt und geiert darauf, das gute Stück zu veräußern.
Nach seiner Abreise geht zuhause zunächst alles seinen gewohnten Gang – die misstrauischen Schwestern „besetzen“ das elterliche Haus und würden nur allzu gern wissen, was der Vater in seinem Testament festgelegt hat. Fünf Tage später ereilt die Familie die Nachricht, dass der Vater verschollen sei. Großes Wehklagen macht sich zunächst breit, aber kurze Zeit später keimt die Aussicht auf eine großzügige Erbschaft bei den Schwestern auf. Silke Herschlein und Leonie Hertlein liefern hier das perfekte Bild geldgieriger Erben und machen sich auch prompt über das angebliche Testament her – Enttäuschung inbegriffen.
Suche nach dem vermeintlichen Erbe
Sieben Tage später: Der Bestatter überbringt die Nachricht, dass die Suche nach dem Vater eingestellt wurde. Nun scheint der Weg für die große Erbschaft frei – also erst mal weg mit dem Familiengemälde. Doch wo ist der Rest des Vermögens? Die Suche nach dem vermeintlichen Erbe beginnt, doch sie zeigt sich als äußerst schwierig. zumal sich die beiden Frauen nicht einig werden. Feiergeist warnt: Kein Geld ohne Vollmacht. „Die auf der Bank sind noch schlimmer als die auf der Zulassungsstelle in Bad Mergentheim“. Zu allem Unglück stellt sich jetzt auch noch heraus, dass eventuell ein Dritter Anspruch auf das Vermögen des Verschollenen haben könnte. Nun ist guter Rat teuer – Birte schmiedet zusammen mit Schwager Lutz einen teuflischen Plan: Wird er aufgehen? Die entscheidende Wendung bekommt das Stück, als… ja was denn wohl?
Kurzweilig, witzig, einfallsreich und mit viel Tempo wurde das Boas-Stück umgesetzt, zur Begeisterung der Zuschauer. Der Premierenabend war ein rundum gelungenes Projekt des Bühnenzinnobers: Beste Stimmung und die Schauspieler zeigten allesamt nahezu perfekte Leistungen. Eine komische Szene jagte die andere, witziger Hohenloher Lokalkolorit liefert Unterhaltung pur. Frederike Faust inszenierte eine temperamentvolle und humorvolle Geschichte um das geldgierige Schwesternpaar. Ein besonderes Lob gilt der perfekt eingespielten Crew im Hintergrund: dem Technikteam (David Stirmlinger und Daniel Wolfarth) der Souffleuse Karin Hess, dem Orga-Team und Bühnen- und Maskenbildnerin Dorothee Habel.
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