Ausstellungseröffnung im jüdischen Museum

Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Im jüdischen Museum Creglingen ist die Ausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ zu sehen – die Frauen haben beispielhaften Mut bewiesen.

Von 
Arno Boas
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Die Ausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ ist bis 1. Juni im jüdischen Museum in Creglingen zu sehen. Den Einführungsvortrag hielt der evangelische Theologe Dr. Björn Mensing, der Pfarrer der evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau ist. © ARNO BOAS

Creglingen. 18 Frauen, 18 Schicksale, die exemplarisch stehen für den Mut, den Menschen in Ausnahmesituationen entwickeln können: Die Ausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ ist bis 1. Juni im jüdischen Museum Creglingen zu sehen. Sie zeigt schlaglichtartig die eindrucksvollen Lebensgeschichten außergewöhnlicher Frauen – einige bezahlten ihren Widerstand mit dem Leben.

Bei der Eröffnung der Ausstellung stellte Kirchenrat Dr. Björn Mensing aus Dachau die Biografie von drei Frauen vor, die alle mit dem KZ Dachau in Verbindung standen. Die „vielleicht exotischste“ Frau sei Noor-un-Nisa Inayat-Khan, wie der Redner zu Beginn sagte. Sie wird 1914 in Moskau als Kind einer indisch-muslimischen Familie geboren. Ihre Eltern sind Anhänger des Sufismus – einer islamischen Glaubensausrichtung, die mystisch und spirituell ausgeprägt ist. Im Ersten Weltkrieg zieht die Familie erst nach England und dann nach Frankreich. Nach dem deutschen Überfall auf das Nachbarland im Jahr 1940 flieht sie zurück nach England. Als Noor-un-Nisa Inayat-Khan dort von der Verfolgung der Juden erfährt, trifft sie eine waghalsige Entscheidung: Sie will zurück nach Frankreich und sich dem Widerstand anschließen. Als Pazifistin lehnt sie den Dienst mit der Waffe ab. Aber sie lässt sie sich in England zur Geheimagentin ausbilden und 1943 mit einem Flugzeug wieder in Frankreich absetzen. Dort nimmt sie Verbindung zur Resistance auf und wird als Funkerin eingesetzt, die Nachrichten an den englischen Geheimdienst sendet.

Vermutlich durch Verrat fällt sie der Gestapo in die Hände. Auch unter Folter verrät sie keine Namen und wird, nachdem zwei Fluchtversuche gescheitert sind, im September 1944 ins KZ Dachau verlegt, wo die Nazis sie nur einen Tag später per Genickschuss hinrichten. Posthum erhielt sie in England und Frankreich hohe Auszeichnungen. In Deutschland hingegen ist Noor-un-Nisa Inayat-Khan „nur eine Randfigur“, wie Björn Mensing kritisch anmerkte, „das sollte sich ändern, denn sie verdient es, erinnert zu werden“. Wenn er Schulklassen durch die KZ-Gedenkstätte in Dachau führt, stellt er die Widerstandskämpferin stets als erste Frau vor – das bringt vor allem Besucher mit arabisch-muslimischen Wurzeln ins Grübeln, da sie die Shoah meist nur mit der Vernichtung jüdischen Lebens in Verbindung bringen. „Noor-un-Nisas Schicksal durchbricht die üblichen Denkmuster“, hob Dr. Mensing ihre besondere Stellung hervor.

Zwangsarbeiterinnen treten in den Streik

Als zweites Beispiel weiblichen Heldenmuts führte der Pfarrer die Niederländerin Mary Vaders (1922 – 1996) an, die sich nach der deutschen Besetzung Hollands ebenfalls dem Widerstand anschloss. Auch sie kommt nach Dachau, allerdings in ein Außenlager und wird als Zwangsarbeiterin im Agfa Camerawerk eingesetzt. Zusammen mit den anderen holländischen und slowenischen Insassinnen tritt Mary Vaders im Januar 1945 in einen Streik, da die Verpflegung immer schlechter wird. Weil sich der Widerstand nicht gegen die SS-Lagerleitung, sondern gegen die Werksleitung richtet, verläuft die Aktion insgesamt glimpflich – allerdings nicht nur Mary Vaders, die willkürlich als Rädelsführerin in Einzelhaft kommt – und zwar in eine so enge Zelle, dass sie nur stehen kann. Schwer traumatisiert überlebt sie die Tortur. Wie Dr. Mensing berichtete, habe sie sich bis an ihr Lebensende nicht in kleinen Räumen mit geschlossener Tür aufhalten können. In der Gefangenschaft hat Mary Vaders im übrigen Gedichte geschrieben, „sehr eindrückliche Werke“, wie der Redner sagte.

Als dritte Frau stellte Dr. Mensing Maria Seidenberger (1927 – 2011) vor. Sie lebte in Hebertshausen bei Dachau. Als 17-jährige Fotolaborantin hat sie heimlich Fotos von KZ-Dachau-Häftlingen entwickelt und per Post an deren Familien geschickt. Als die SS in den letzten Tagen des Krieges Häftlinge auf den Todesmarsch treibt, führt dieser direkt am Haus der Seidenbergers vorbei. Maria greift zur Kamera und macht heimlich Fotos. Ihre Aufnahmen sind eine der wenigen authentischen Zeugnisse dieser SS-Verbrechen. Um ihre wagemutige Arbeit hat sie nach dem Krieg nie groß Aufhebens gemacht, und so wundert es auch nicht, dass sie erst 2005 geehrt wurde – fast gegen ihren Willen. Die Stadt Dachau verlieh ihr den Preis für Zivilcourage. „Was ich gemacht habe, war doch ganz normal“, habe Maria Seidenberger einmal gesagt. Damit erntet sie bei Dr. Mensing deutlichen Widerspruch: „Das war es überhaupt nicht“, würdigte er nachdrücklich den Mut der Frau. Alle 18 in der Ausstellung portraitierten Frauen seien es wert, sich mit ihnen zu beschäftigen, schloss der Theologe seine Einführung.

Rüstige Politaktivistin entfernt Nazi-Symbole

Für Stiftungsvorsitzende Sabine Kutterolf-Ammon war es „eine besondere Ehre und ein Glücksfall“, dass man zu der Vernissage solch kompetenten Besuch erhalten habe. Dr. Mensing ist seit 2005 Pfarrer der evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau und damit Leiter des zentralen Gedenkorts der evangelischen Kirche in Deutschland für die Opfer des Nationalsozialismus. Er hat zahleiche KZ-Überlebende persönlich kennengelernt, unter anderem 2016 den damals 98-jährigen Bruder von Noor-un-Nisa Inayat-Khan.

Eine der 18 vorgestellten Frauen ist noch am Leben – die 1945 geborene Berlinerin Irmela Mensah-Schramm, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, NS-Symbole aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Mal übermalt die rüstige Polit-Aktivistin die Nazi-Inschriften, mal kratzt sie sie ab. Das hat ihr schon eine Menge Ärger mit der Justiz eingebracht. Davon aber lässt sie sich nicht abschrecken. „Ich lasse mit den Mut von niemandem nehmen“, wird die 80-Jährige in der Ausstellung zitiert. Für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus wurde Mensah-Schramm vielfach ausgezeichnet. Ihr Mut – wenn man so will: ihr alltäglicher Mut – ist beispielhaft. Wer mehr über die tapferen Frauen erfahren möchte, dem ist die Ausstellung wärmstens zu empfehlen.

Ausstellung bis 1. Juni zu sehen

Die Ausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus “ stellt 18 prominente und weniger bekannte Frauen aus allen sozialen Gruppen und politischen Lagern vor. Kuratorin ist Dr. Rieke C. Harmsen von der Initiative „ausstellung leihen“. Die Schautafeln hat Carolin Lintl entworfen.

Jedes Plakat ist mit einem QR-Code versehen, der zur digitalen Ausstellung führt. Dort findet man ausführliche Portraits, Videos und weiteres Material zu den vorgestellten Personen.

Die Ausstellung ist bis Sonntag, 1. Juni, im jüdischen Museum Creglingen zu sehen. Das Museum ist jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet, außerdem am Ostermontag ebenfalls von 14 bis 17 Uhr. Öffnung für Gruppen und Führungen auf Anfrage unter Telefon 07933-7002521.

Redaktion Redakteur bei den FN

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