Bund-Ortsgruppe Creglingen

Energiewende, Flächenerhalt und Artenschutz zusammen denken

Gut besuchte Infoveranstaltung mit Yassin Cherid vom Dialogforum Energiewende und Naturschutz. Emotionale Diskussionen

Von 
Inge Braune
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Sehr gut besucht war die Vortragsveranstaltung der Creglinger Bund-Ortsgruppe. Yassin Cherid (rechts) vom Dialogforum Energiewende und Naturschutz sprach über Interessenskonflikte zwischen Energiewende und Artenschutz. © Braune

Creglingen. Ob Windenergie oder Freiflächen-Photovoltaik: Nicht nur in Creglingen und den Teilorten werden diese Themen immer wieder hoch emotional diskutiert. Stehen sie grundsätzlich im Widerspruch zu den Interessen von Artenschutz und Landwirtschaft? Die erst Anfang Juli gegründete Creglinger Ortsgruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) will Klarheit schaffen und lud zum Vortrag mit Yassin Cherid vom Dialogforum Energiewende und Naturschutz ein.

Der Platz im Nebenzimmer des Gasthofs Grüner Baum reichte gerade aus, um den rund 40 Interessierten Platz zu bieten. Gisela Padberg, Mitglied des Vorstands, bedauerte, dass offensichtlich kein Gemeinderatsmitglied Zeit gefunden hatte, um an der Veranstaltung teilzunehmen.

Der Bund-Referent ist studierter Volkswirt. Er ist davon überzeugt, dass „nachhaltige Ökonomie unweigerlich auf ökologischen Werten basiert“. Als Mitarbeiter der Naturschutzorganisation, der beratend Solar- und Windenergie-Projekte begleitet, will er die Energiewende voranbringen, ohne den Natur- und Artenschutz aus den Augen zu verlieren – ein Spagat, aus dem sich oft emotional aufgeladene Diskussionen ergeben. So auch in Creglingen. Es gelte, nicht „Krise gegen Krise“ auszuspielen, sondern Klima und Naturschutz gemeinsam zu denken, zumal der Klimawandel wohl zu den massivsten Verursachern des Artensterbens zählt.

Auch der immense Flächenverbrauch, der in Baden-Württemberg 2020 noch bei 5,4 Hektar pro Tag lag, 2021 sogar auf 6,2 Hektar täglich anstieg, trage durch die Versiegelung für Siedlungsbau, Gewerbegebiete und Straßen zum Artensterben bei. Flächenverbräuche für die Gewinnung erneuerbarer Energien seien dem gegenüber minimal - und in PV-Anlage liege ein großes Potential.

In manchem Creglinger Teilort kochen die Emotionen hoch: Woher überhaupt noch Lebensmittel kommen sollen, wenn den Landwirten nun auch noch durch Freiflächen-PV-Anlagen Agrarland verloren gehe? Man müsse doch erst mal die großen Supermärkte verpflichten, ihre Dächer und Parkplätze mit PV-Anlagen auszustatten! Mancher Zwischenruf wurde polemisch: Die Politik wolle doch wohl gar nicht mehr, dass in Deutschland noch Landwirte Lebensmittel erzeugen. Andere lassen betroffen nachdenken: Eine Landwirtin berichtet von massivem Pachtflächenverlust, da Investoren Verpächtern für Wind- und Sonnenenergieflächen weit höhere Preise bieten, als kleine landwirtschaftliche Betriebe, die ihr Geschäft mit Herzblut betreiben, zahlen können.

Die Probleme sind dem Referenten durchaus bewusst: Genau deshalb fordere der Bund ja auch, der richtigen Standortwahl erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Vorrangig solle man PV-Anlagen auf Dachflächen, an Fassaden und auf bereits versiegelten Flächen einrichten. Doch ohne Freiflächen-Photovoltaik werde man die Energiewende nicht schaffen können. Tabu sein müssten dabei aber Naturschutzgebiete, Nationalparks, Natura2000-Flächen und ökologisch sehr hochwertige Areale, auch wenn sie keinen gesetzlichen Schutzstatus genießen.

Um Solarparks naturverträglich zu gestalten, sei es wichtig, Barrierewirkungen zu vermeiden, zusätzliche Biotope etwa für die Erhaltung von Amphibien anzulegen, durch Steinhaufen, Holzriegel und Sandbänke Strukturvielfalt zu schaffen und mit heimischem Wildpflanzensaatgut auf den PV-Freiflächen-Anlagen Biodiversität zu schaffen.

Auch Vogelschützer tun sich schwer mit PV- und Windkraftanlagen. Für die in Creglingen anzutreffende, eher niedrig fliegende Wiesenweihe gibt Charid weitgehend Entwarnung: Sie sei durch die Freiflächen-PV nur wenig beeinträchtigt. Um die deutlich höher fliegenden und schnell zustoßenden Greifvögel zu schützen, sei auf den Erhalt zusammenhängender Freiflächen und auf möglichst große Abstände zwischen den Modulen zu achten. Mit kluger Standortwahl und technisch heute möglicher Erkennung anfliegender Greifvögel seien auch für sie die Risiken reduzierbar.

Generell fordert der Bund, Schwerpunktvorkommen windenergiesensibler Arten frei zu halten. Bei in Wäldern vorgesehenen Windkraftanlagen fordert das gemeinsame Dialogforum von Bund und Nabu, genau hinzusehen: „Wald ist nicht gleich Wald.“ Freizuhalten seien alte und naturnahe Wälder, genutzt werden könnten hingegen geschädigte und intensiv bewirtschaftete Wälder, sofern die Rodungsflächen minimiert und der Naturschutz beim Waldausgleich berücksichtigt würden und flankierende Artenhilfsprogramme aufgelegt würden.

Viel zu moderat fand eine Diskutantin den Umgang etwa mit Parkplatzflächen: In Frankreich müssten die inzwischen teilweise mit PV-Anlagen überdacht werden. Diesbezüglich steht allerdings Baden-Württemberg gar nicht so schlecht da: Seit diesem Jahr sind bei neu errichteten Parkflächen mit mehr als 35 Stellplätzen ebenfalls PV-Anlagen vorgeschrieben. Es sei ja gut, dass der Bund sich für die Energiewende einsetze, sie aber als ökologischen Gewinn darzustellen, sei nicht so toll, kritisierte eine Teilnehmerin, die es auch für fraglich hielt, ob Flächen zwischen und rund um Solarmodule ordnungsgemäß und für Greifvögel tauglich frei gehalten würden. Etwas zu hoch eingeschätzt würden die Möglichkeiten der NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) Bund, erläuterte die Regionalgeschäftsführerin Heilbronn-Franken Andrea Hohlweck.

Das im Rahmen von Vortrag und Diskussion vermittelte Wissen ist Eines; die emotionale Betroffenheit in einzelnen Teilorten, die befürchten, mit Solarmodulen überpflastert zu werden, ein Anderes. Zu hoffen ist, dass es der Stadt auch mit Unterstützung der Bund-Ortsgruppe gelingt, konstruktive Lösungen zu finden. Denn nicht nur Energiewende und Naturschutz müssen zusammen gedacht und behandelt werden: Es gilt auch, den sozialen Zusammenhalt des Gemeinwesens nicht in Schieflage zu bringen.

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