Jüdisches Museum Creglingen

Ausstellung zum Leben und Werk Bonhoeffers eröffnet

Dekanin Renate Meixner würdigt Mitgründer der Bekennenden Kirche

Von 
Inge Braune
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Dekanin Renate Meixner führte sehr persönlich in die Dietrich Bonhoeffer-Ausstellung ein. © Braune

Creglingen. Dass die 2020 anlässlich des 75. Todestages von Dietrich Bonhoeffer vom Evangelischen Presseverband konzipierte Wanderausstellung ausgerechnet in der Woche der Brüderlichkeit in Creglingen eröffnet wird, mag Zufall sein. Diese Märzwoche will nicht nur an die Gräuel der Shoah erinnern, sondern auch die Verbundenheit zwischen Christen und Juden in Europa stärken.

Passender aber könnte kaum ein Ort und ein Termin gewählt werden: Wie der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer verweist auch das Jüdische Museum Creglingen auf gemeinsame Wurzeln. Dass sich an die 30 Gäste zur Eröffnung der Ausstellung einfanden, freute die Stiftungsvorsitzende Sabine Kutterolf-Ammon und ihre Kollegen.

Sehr persönlich führte Dekanin Renate Meixner am Mittwoch in die 18 Tafeln zu Leben und Werk des weltweit wohl neben Luther der am meisten verehrten Protestanten ein, dem unzählige Straßen, Schulen und Gemeindehäuser gewidmet wurden.

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Nicht einmal 40 Jahre alt wurde der in Breslau geborene Theologe, der schon als kaum selbst dem Studium entwachsener junger Studentenpfarrer seine Zuhörer in den Bann zog. Als Theologe, konsequenter Christ und ab 1940 kritischer Zeitgenosse, der seinen Widerstand gegen das Nazi-Regime noch kurz vorm Kriegsende 1945 im KZ Flossenbrück mit dem Leben bezahlte, beeindruckte Bonhoeffer nicht nur seinen Freund und wichtigsten Interpreten Eberhard Bethge. Die 18 Ausstellungstafeln führen durch sein bewegtes und bewegendes Leben: Von der Kindheit im toleranten christlich - nicht kirchlich - geprägten Elternhaus über das schnell absolvierte Studium und die Tätigkeit als Theologe, die ihn unter anderem nach London und New York führte bis zu seiner heimlichen, seinerzeit nicht einmal engen Freunden bekannten Undercover-Tätigkeit im Widerstand reicht der Spannungsbogen.

Es ist ein besonderer Mensch, den Ausstellungsbesucher in Bonhoeffer kennen lernen können, einer, dessen Sprachgewalt stellenweise an Luther erinnert. Als „widerwärtig“ kritisierte er in New York die auch von Pfarrern gelebte und gerechtfertigte Diskriminierung von Menschen mit dunkler Hautfarbe; drängend fordert er seine vor dem Nationalsozialismus zurückweichenden Mitchristen heraus: „Nur wer für Juden schreit, darf gregorianisch singen.“

Bonhoeffer beließ es nicht bei Worten: Bereits 1933 gründete er gemeinsam mit Martin Niemöller den Pfarrernotbund, um seine vom NS-Regime bedrohten zum Christentum konvertierten Kollegen zu unterstützen. Selbst die von ihm mitbegründete Bekennende Kirche war ihm im Widerstand gegen den Nationalsozialismus nicht klar genug: sein Weg führte über verzweifelte Appelle an seine Mitchristen in die Illegalität.

Fein ausgerichtetes Gewissen

Es ist ein sehr fein ausgerichtetes Gewissen, das ihn nicht nur dazu bringt, aus jüdischen Familien stammenden Freunden wie seinem Pfarrerskollegen Franz Hildebrandt und natürlich seinem Schwager Gerhard Leibholz die Treue zu halten, sondern in Kauf zu nehmen, dass er als aktives Mitglied des geheimen Widerstands von vielen für einen Verräter an eben diesem Widerstand gehalten wird. Es ist ein weiterer Schwager, Hans von Dohnanyi, der Bonhoeffer Zugang zum Oberkommando der Wehrmacht verschafft. Seine als vermeintlicher NS-Kollaborateur unternommenen Reisen nutzt er, um im Ausland Unterstützung für die Widerstandsbewegung zu werben.

Wer sich nach dem Ende des Mordens mit „Befehlsnotstand“ zu entschuldigen suchte, hätte bei Bonhoeffer wohl kaum Gehör gefunden, denn er warnte: „Der Mann der Pflicht wird schließlich auch dem Teufel gegenüber noch seine Pflicht erfüllen müssen.“

Man stockt vor mancher Tafel: Sprach sich der Theologe, Pfarrer und klare Kriegs- und Gewaltgegner sogar für ein Attentat auf Hitler aus. Zwar, so sein Gedankengang, sei jede Anwendung von Gewalt mit Schuld verbunden, doch es gebe Situationen, in denen ein Christ aus Liebe zum Nächsten auch Schuld auf sich nehmen müsse.

Die Ausstellung, die über QR-Codes zusätzliche Informationen, Ton- und Videodokumente erschließt, ist vom morgigen Sonntag bis zum 1. Mai im Jüdischen Museum Creglingen (Badgasse 3) während der regulären Öffnungszeiten (Sonntags, 14 bis 17 Uhr) und nach Vereinbarung (Gruppen und Führungen auf Anfrage – telefonische Infos unter 07933 7002520, E-Mail jmc@juedisches-museum-creglingen.de) zu erleben.

Freie Autorin Berichte, Features, Interviews und Reportagen u.a. aus den Bereichen Politik, Kultur, Bildung, Soziales, Portrait. Im Mittelpunkt: der Mensch.