Buchen. Einen aufschlussreichen Blick auf Positionen zeitgenössischer Malerei gewährt die neue Ausstellung des Kunstvereins Neckar-Odenwald im Kulturforum Buchen in der Kellereistraße. Unter dem Titel „schau!“ versammelt die Präsentation Arbeiten von Absolventen der Freien Akademie Essen (Klasse Bernard Lokai), und es lohnt sich, hinzuschauen und festzustellen, welch unterschiedliche Ansätze der kuratierende Lehrer für diese „Schau“ ausgewählt hat.
Bei der Vernissage spürte man die Freude darüber, dass nach zwei der Pandemie geschuldeten Verschiebungen nun der dritte Anlauf erfolgreich war. Und während Vorsitzender Harald Kielmann daran erinnerte, das Bernard Lokai bereits mit einer Einzelausstellung beim Kunstverein zu Gast war, trug Buchens Bürgermeister Roland Burger Verse aus Rainer Maria Rilkes „Über die Geduld“ vor. Auch im Namen von Landrat Dr. Achim Brötel wünschte er einen „inspirierenden Vormittag“ – und den hatten die Gäste dank einer profunden Einführung von Bernard Lokai.
Seine Vorstellung der einzelnen Künstler und Künstlerinnen und deren Werke gestaltete Lokai zu einem ebenso lehrreichen wie kurzweiligen kunstgeschichtlichen Exkurs, die einzelnen Arbeiten beschreibend und vor dem Hintergrund historischer Ereignisse und Stilrichtungen verortend.
Unrühmliches Ende
Gerade bei der zweiteiligen Arbeit in Mischtechnik „Om ‘ote len ‘eleka“ des einzigen männlichen Teilnehmers, Karl-Heinz Theiss, war dies angebracht, denn der Belgier erinnert damit an das unrühmliche Ende der belgischen Kolonialgeschichte im Kongo. Die politischen Akteure König Baudouin, General Mobuto, Katangas Premierminister Tschombé und UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld vereint er gemeinsam mit einer jubelnden Menge auf einem knallbunten Großformat, während eine kleinere Arbeit daneben den gefolterten und dann ermordeten ersten Premierminister des unabhängigen Kongo, Patrice Lumumba, zeigt. Der vom Geschehen abgewandte Blick des Revolutionärs unterstreicht die Ironie der Huldigungsszene.
Steht hier die mahnende Erinnerung an ein historisches Thema im Fokus, so verdeutlichen die Arbeiten von Claudia Rega (Münster) die Einlassung Lokais, dass ursprünglich eine Schau mit rein abstrakten Werken geplant war. Doch im Lauf der letzten Jahre hätten sich in den künstlerischen Positionen grundlegende Änderungen mit teilweise sehr gegenständlichen Arbeiten ergeben.
Für Claudia Rega hielt der Kurator fest, dass sie sich an der Grenze zwischen abstrakter und figurativer Malerei bewegt, innere Bilder mit verschwommenen Figuren entstehen lässt und die in Buchen zu sehende Serie durch ausgeprägte farbige Harmonie zusammen hält. Die mehrschichtigen Bildräume bleiben im Zusammenspiel transparent und erlauben eine Debatte über den Standpunkt des Menschen, hier angedeutet mit jungen Mädchen, in der gesellschaftlichen Debatte.
Konkrete Kunst
Ganz anders dagegen Irmi Obermeyers Bilder. Bei ihr dominieren die malerische Geste, der Rhythmus, und dennoch, so Lokai, gelingt ihr eine Art von Räumlichkeit. „Konkrete Kunst, die nichts mehr vorstellt.“ In ihren geschichteten Bildern sieht er „alles im Fluss“, die grafischen Elemente schwebend und durch den Verzicht auf den Grund das Malerische betont. „Green Day“, eine Art skulpturaler Malerei, steht im Gegensatz zu „Vega“. Hier ist das Weiß neben grafischen Elementen integraler Bestandteil des Bildgeschehens.
Anklänge der klassischen Moderne finden sich in den beiden großformatigen Gemälden von Evelina Velkaite (Litauen). Ihr farbenfroher Indien-Zyklus mit blockhafter Anordnung freier Formen zieht die Blicke an der Stirnseite des Raumes auf sich. Abstrahierte Landschaftsräume eröffnen sich dem Betrachter. Werke von Per Kerkeby oder Clifford Still sieht Lokai als mögliche Bezugspunkte.
Susanne Dela Veras in altmeisterlicher Malweise geschaffene Bilder strahlen eine Art vibrierender Dunkelheit aus, dennoch das Licht einfangend. Auf erste Acrylmalereien folgen Schichtungen von Öl-Lasuren, die den Arbeiten eine enorme Tiefe verleihen. Die eigentlich abstrakten Motive verwandeln sich durch diese Verdichtung in scheinbar reale Szenerien, denen teilweise eine verblüffende Materialität zuteil wird: „Wildbret, Rembrandt“. Nicht nur hier stellt sich dem Betrachter die Frage nach dem Wahrheitsgehalt einer Bildaussage. kvno
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