Buchen. „Ein Konzert dieser Art habe ich noch nie erlebt!“, stellte Michael Wüst in seinen kurzen Schlussworten fest. Begeisterung, Lebendigkeit, unverhüllte Emotionen: All das erlebte man bei dem 45-minütigen Singpausenkonzert in der Stadthalle. Die Hauptdarsteller befanden sich nicht auf der Bühne, sondern im Saal. Rund 200 Kinder von der Jakob-Mayer-Grundschule Buchen, dem Bildungshaus Bödigheim-Waldhausen und der Baulandschule Hettingen feierten sich selbst und ihre Begeisterung am Singen. Die anderen drei Schulen hatten wegen Corona nicht teilgenommen.
Eindrucksvolles Bild
„Eigentlich müsste ich meine Begrüßung singen“, stellte Bürgermeister Roland Burger zutreffend fest und fasste sich in seiner Ansprache kurz. „Das ist ein eindrucksvolles Bild“, sagte er. „Es war richtig, die Ward-Methode einzuführen.“ Beeindruckend war vor allem, mit welcher Selbstverständlichkeit die Kinder die in den vergangenen Monaten eingeübten Lieder trällerten. Horst Berger und Lisa Helmle sagten die Lieder kurz an, sangen aber selbst nicht mit. Hong Zhu begleitete am Flügel den Gesang, Oliver Trahndorf am Schlagzeug.
Das Konzert begann mit einem gesungenen „Guten Morgen, liebe Kinder!“, bevor „Gestern an der Haltestelle“ folgte, welches das Lieblingslied der Kinder zu sein scheint. Niemals sangen die Kinder nur, immer war Bewegung dabei. Die Grundschüler klatschten, nahmen die Hände über den Kopf und kreisten die Unterarme umeinander.
Singen von fremden Sprachen
Dabei waren die Lieder nicht immer so einfach, wie man es von Kinderliedern erwarten würde. Bei „Ich lieb den Frühling“ mussten die jungen Sänger eine Synkope beachten. Auch war der Tonumfang durchaus anspruchsvoll. Als die Schüler voller Inbrunst das Lied der „Heeschter Berkediebe“ trällerten und anschließend „Ich bin in Buche verliebt“, gewann man den Eindruck, dass sich die Fastnachtsgesellschaften um ihren Nachwuchs würden keine Sorgen machen müssen. Auch Fremdsprachen sangen die Kinder ohne Scheu. So erklang ein russisches Geburtstagslied sowie der Kanon „Bruder Jakob“ in Französisch, Englisch, Russisch, Türkisch und Japanisch. Das Lied „Nashorn, Elefant und Krokodil“ präsentieten die Kinder in einer schnellen und in einer Schnecken-Version. Das Konzert endete mit einem Frucht-Kanon und einer Zugabe.
Das ist die Singpause
Zweimal wöchentlich unterbricht ein ausgebildeter Lehrer den laufenden Unterricht an einer Grundschule.
In dieser 20-minütigen Pause vermittelt dieser nach der Ward-Methode grundlegende Fertigkeiten im Singen nach Noten.
Neben einer systematischen musikalischen Grundlagenbildung vermittelt die Singpause den Schülern Freude am Singen.
Die Kinder erarbeiten sich einen Liedkanon und sie lernen örtliche Konzertstätten kennen.Dadurch soll sich ihre Hemmschwelle verringern, dort kulturelle Veranstaltungen zu besuchen.
Die Ward-Methode hat die amerikanische Musikpädagogin Justine Ward Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt.
Seitdem wurde die Methode immer wieder verbessert. Nach ihr arbeiten unter anderem die Kölner Domsingschule und die Regensburger Domspatzen.
Einige Eltern hatten die Kinder zu ihrem ersten großen Konzert begleitet, darunter auch Aljona Graf. Ihr siebenjähriger Sohn besucht die erste Klasse der Baulandschule Hettingen. „Das war richtig schön“, sagte sie. „Meinem Sohn macht das Spaß. Er singt jetzt auch zu Hause .“ Christopher Pfannenschwarz-Gehrig hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Seine siebenjährige Tochter singt häufiger spontan oder wenn sie sich mit ihren Freundinnen trifft. „Das Singen stärkt das Selbstbewusstsein“, stellte er fest. Olga Teusch war überrascht davon, wie gut ihr siebenjähriger Sohn Edvard mitgemacht hatte. Dieser besucht die erste Klasse an der Jakob-Mayer-Grundschule. „Er war voll und ganz bei der Sache.“
Die Stadt Buchen hat die Singpause im Schuljahr 2019/2020 auf Anregung von Kirchenmusiker Horst Berger eingeführt. Über die Joseph-Martin-Kraus-Musikschule finanziert sie die Lehrkräfte Horst Berger und seit dem Schuljahr 2021/22 Lisa Helmle. Im kommenden Schuljahr soll das Team durch Helen Kemmerer verstärkt werden. Dann können nahezu alle Grundschüler an Singpausen teilnehmen.
Das Singpausen-Konzept soll eine „musikalische Alpahetisierung“ bei Kindern erreichen. Sie lernen nicht nur Notenlesen, sondern auch Rhythmik und Intonation. Wie Bürgermeister Roland Burger im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten erläuterte, will die Stadt damit auch den musikalischen Nachwuchs für Musikkapellen und Gesangvereinen fördern.
Gut für soziales Verhalten
Kirchenmusiker Horst Berger weist auf den positiven Effekt des Singens auf die Persönlichkeit der Kinder hin. So lernten diese unter anderem Gemeinschaftssinn und soziales Verhalten. Davon würden später die Gesellschaft insgesamt und Arbeitgeber profitieren.
Auch Lehrer haben positive Effekte der Singpause über das Singen hinaus festgestellt. So könnten sich manche Schüler besser konzentrieren.
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