Singpause in den Grundschulen - Horst Berger verbindet Singen mit Bewegung und einem spielerischen Charakter / Konzept kommt gut an

Mit Gesang durch den Schulalltag

Von 
Martin Bernhard
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Singen und Bewegung, wie hier in der Wimpina-Grundschule: Auf diese Weise erhalten die Kinder im Laufe der Jahre eine musikalische Grundlagenausbildung. Davon sollen die Musikschulen und Chöre profitieren. © Martin Bernhard

„Singen kann jeder!“: Nach diesem Motto übt Horst Berger seit Beginn dieses Schuljahrs zweimal pro Woche das Singen mit Grundschülern. Er nennt das „musikalische Alphabetisierung“.

Buchen. Wenn Horst Berger das Klassenzimmer der ersten Klasse in der Wimpina-Grundschule betritt, ist Schluss mit Reden. Für die nächsten 20 Minuten wird nur noch gesungen. „Guten Morgen, liebe Kinder“, singt der Musikpädagoge. „Guten Morgen, Herr Berger“, singen die Kinder zurück. „Guten Morgen alle Kinder, die schon Weihnachtsplätzchen gebacken haben“, singt Berger. Die Kinder, auf die das zutrifft, grüßen singend zurück. Später stellt Berger den Kindern gesungene Fragen, die Kinder antworten in ihren eigenen Melodien. Und schließlich wollen die Kinder von dem Musiklehrer wissen, was er gefrühstückt hat, welches sein Lieblingstier ist und welches Auto er fährt.

Singen und pausieren

Horst Berger schaltet den Overhead-Projektor an. Auf der Folie sind Kästchen mit Zahlen, Strichen und Kurven gemalt. Berger zeigt mit seinem „Zauberstab“ auf die Notationen. Ist das grüne Ende vorne, sollen die Kinder singen, beim roten Ende dagegen pausieren. Die Kinder singen überraschend einheitlich eine Melodiefolge im Fünf-Ton-Raum. Dabei wandern ihre Hände zu bestimmten Stellen ihres Körpers – je höher der Ton, desto höher die Hand. Später ticken sie den Rhythmus einer musikalischen Übung mit dem Finger auf die Hand.

Dann stellt der Pädagoge den Erstklässlern musikalische Rätsel. Er singt eine Melodie vor, die Kinder müssen diese nachsingen. Die Schüler melden sich, Berger ruft sie einzeln auf. Das jeweilige Kind singt vor, was es meint, gehört zu haben. Ist die richtige Lösung gefunden, stehen alle auf, drehen sich um die eigene Achse und rufen laut „Juchhu!“. In den letzten vier Minuten der Singpause widmen sich Lehrer und Kinder den sogenannten „Singpauseliedern“. Sie stimmen ein Herbstlied, ein russisches Geburtstagslied und den lokalen Schlager „Ich bin in Buche verliebt“ an. Im Juli werden alle Singpausen-Klassen der Stadt ein großes Konzert in der Stadthalle gestalten.

„Kinder haben Spaß“

„Den Kindern macht die Singpause Spaß“, stellt Diana Weber, Klassenlehrerin der 2a an der Wimpina-Grundschule, fest. „Sie lernen viel und schnell.“ Claudia Röckel, die nach der Singpause die erste Klasse in Mathematik unterrichtet, ist beeindruckt von der Wirkung der Singpause über das Singen hinaus: „Ich muss keine Kinder einfangen.“ Sie seien diszipliniert und konzentriert. „Singen macht den Kopf fit für Lerninhalte, zum Beispiel in Deutsch und Mathematik“, stellt auch Rektorin Regine Mandl fest. Sie weist darauf hin, dass Musik die Entwicklung von Kindern ganzheitlich fördere. Sie stärke die Konzentration und das Zusammengehörigkeitsgefühl und fördere das kognitive Denken sowie das Selbstbild des Kindes.

Heike Busch, Rektorin der Jakob-Mayer-Grundschule, sieht das ähnlich. „Es ist phänomenal, wie sich die Kinder auf das Singen einlassen“, sagt sie. „Ich erlebe Kinder, die aus dem Klassenzimmer kommen und singen.“ Sie hat beobachtet, dass sehr bewegungsfreudige Kinder durch das Singen lernten, sich zu konzentrieren. Und auch Alexander Leix aus Waldhausen, Vater des achtjährigen Luis, beurteilt die Singpause positiv. „Seit dieser Zeit wird bei uns in der Familie wieder gesungen“, sagt er. „Der Kleine fängt an zu singen, wenn er unbeobachtet ist.“

Horst Berger lernte die Ward-Methode, nach der die Singpause aufgebaut ist, durch das katholische Kinderchorwesen kennen. Die Methode sei „stärkenorientiert“, sagt Berger. Die Kinder würden nicht kritisiert. Der Lehrer singe nichts vor. „Die Schüler müssen sich die Melodie selbst erarbeiten.“ Fehler würden toleriert, denn der spielerische Charakter der Singpause solle im Vordergrund stehen. Zudem werde das Singen mit Bewegung verbunden.

Als Horst Berger das Konzept der Singpause Bürgermeister Roland Burger vorstellte, war dieser sofort überzeugt davon. „Wir schaffen damit bei den Kindern eine musikalische Grundlage für die Musikschule und die Chöre“, sagt Burger. „Wer als Kind Freude am Singen hat, singt auch später in einem Chor.“ Mit der Einführung der Singpause leiste die Stadt einen Beitrag zur Familienfreundlichkeit und Sozialarbeit.

Einführung stufenweise

Der Gemeinderat beschloss im Frühjahr, das Konzept der Singpause stufenweise einzuführen. Im aktuellen Schuljahr bringt Horst Berger den insgesamt acht ersten und zweiten Klassen an der Jakob-Mayer- und der Wimpina-Grundschule sowie zwei Klassen an der Bödigheimer Grundschule das Singen nahe. Dafür erhielt er von der Stadt einen Beschäftigungsvertrag für eine 30-Prozent-Stelle. Um das Projekt auf alle Grundschulklassen auszudehnen, benötigt man weitere, in der Ward-Methode geschulte Lehrpersonen.

Die Musikschule unter Leitung von Michael Wüst ist derzeit dabei, solche Lehrkräfte zu finden und in der Ward-Methode ausbilden zu lassen. Im nächsten Schuljahr sollen weitere Grundschulklassen in den Genuss der Singpausen kommen. Auch die Stadt Walldürn hat an der Grundschule in der Keimstraße die Singpause eingeführt. Dort bringt Margit Weber Schülern der 1. und 2. Klasse das Singen nahe.

So funktioniert die Singpause

Zweimal wöchentlich unterbricht ein ausgebildeter Lehrer den laufenden Unterricht an einer Grundschule. In dieser 20-minütigen Pause vermittelt dieser nach der Ward-Methode grundlegende Fertigkeiten im Singen nach Noten. Neben einer systematischen musikalischen Grundlagenbildung vermittelt die Singpause Freude am Singen.

Die Kinder erarbeiten sich einen Liedkanon und sie lernen örtliche Konzertstätten kennen. Dadurch verringert sich ihre Hemmschwelle, dort kulturelle Veranstaltungen zu besuchen.

Die Ward-Methode hat die amerikanische Musikpädagogin Justine Ward Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt. Seitdem wurde sie immer wieder verbessert. Nach ihr arbeiten unter anderem die Kölner Domsingschule und die Regensburger Domspatzen.

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