Tauber-Odenwald. „Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten.“ Sätze solchen Inhalts kommen einem irgendwie bekannt vor. Dieses Eingangs-Zitat könnte von einem Politiker stammen, von einem Soziologen oder – von einem aktuell agierenden Geschäftsführer oder Unternehmer. Tatsächlich ist es so, dass man jüngst vermehrt Stimmen aus der Wirtschaft vernimmt, denen ein böses Wehklagen über die Leistungsbereitschaft von jungen Menschen zu vernehmen ist. Doch stimmt die Behauptung, die jungen Arbeitnehmer seien faul? Gibt es Studien oder sogar Belege dafür? Die Fränkischen Nachrichten sind diesen Fragen bei Unternehmen sowohl im Main-Tauber- als auch im Neckar-Odenwald-Kreis nachgegangen – mit erstaunlichen Ergebnissen.
Offiziell will kein Unternehmer, kein Geschäftsführer, kein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied etwas zu diesem Thema sagen – zumindest von den Unternehmen, bei denen wir angefragt haben. Das ist nachvollziehbar, denn welche Führungskraft möchte sich schon in der Öffentlichkeit negativ über seine Belegschaft äußern. „Off records“ jedoch, also bei ausgeschaltetem Aufnahmegerät und geschlossenem Notizblock, sprudelt es aus einigen Chefs regelrecht heraus, wenn es darum geht, den Einsatz junger Menschen an ihrem Arbeitsplatz zu beurteilen. Sätze wie „Anspruchsdenken und Leistungsbereitschaft der jungen Menschen liegen oft weit auseinander“ werden mehrfach artikuliert. Zudem: Betrieben fällt die Suche nach qualifizierten Auszubildenden immer schwerer. Das wiederum liegt nicht immer an den Auszubildenden selbst, sondern auch an der Qualifikation, die eigentlich über die Schulen vermittelt werden sollte. Thema: Bildungsniveau. Ein Geschäftsführer meint sogar: „80 Prozent der Bewerber fehlt der richtige Drive.“ Ein Teil der Bewerber bringe aus Sicht der Unternehmen nicht die Grundvoraussetzungen für eine Ausbildung mit, hieß es im Sommer vonseiten der IHK Region Stuttgart. Doch es sind nicht nur die Bewerber und Auszubildenden, die Sorge bereiten: „Es gibt immer weniger im Unternehmen, die bereit sind, den Karren zu ziehen“, sagt ein Firmenchef.
Kanzler Merz fordert: „Mehr Kraftanstrengung!“
Angesichts der wirtschaftlichen Situation im Land muss es einem da doch angst und bange werden. Bundeskanzler Friedrich Merz ist es das wohl schon lange, denn bereits in seiner ersten Regierungserklärung im Mai forderte er „eine gewaltige Kraftanstrengung, um das Land wieder wettbewerbsfähig zu machen“. Fast wortgleich wiederholte er dieses Ansinnen jüngst bei seiner Rede zum „Tag der Deutschen Einheit“. Offensichtlich ist die Kluft zwischen Leistungsnotwendigkeit und Leistungsbereitschaft sehr groß. Was allerdings die meisten FN-Gesprächspartner betonen: „Es sind um Gottes willen nicht alle Bewerber so – aber doch einige.“ Die Zahl der Leistungswilligen nehme insgesamt ab.
Unternehmer, auch aus der Region, wünschen sich vor allem mehr Einsatz statt Gedanken über die Vier-Tage-Woche. Sie würden sich über mehr Eigenverantwortung anstatt in den Vordergrund gerückter Work-Life-Balance freuen. „Erst mal etwas bringen, statt gleich fordern.“ So lassen sich einige Aussagen von Führungskräften zusammenfassen. Zudem unterscheide sich die Selbsteinschätzung von Mitarbeitenden über das Geleistete oft sehr von dem tatsächlichen Geleisteten.
Und was sagen die Verbände dazu? Gibt es bei der IHK belastbare Daten dafür, dass großen Teilen der Jugend die Leistungsbereitschaft fehlt? Sowohl die IHK Rhein-Neckar (zuständig für Unternehmen im Neckar-Odenwald-Kreis) als auch die IHK Heilbronn-Franken (für Unternehmen im Main-Tauber-Kreis) teilen uns auf Anfrage mit, dass man diesen Trend nicht bestätigen könne. Das überrascht. Die Handwerkskammer Heilbronn-Franken äußert sich ähnlich: „Es liegen keine belegbaren Erkenntnisse oder Daten vor.“ Mit dem Zusatz der Handwerkskammer „im Handwerk packt man noch gemeinsam an“, konfrontieren wir einen Geschäftsführer aus der Industrie, der darauf sagt: „Das kann sogar stimmen. Im Handwerk kann man sich nicht so leicht wegducken.“
„Chef sein“ streben immer weniger junge Menschen an
Aber warum ist das so? Warum hat sich die Einstellung junger Menschen zu ihrem Beruf und zum Arbeitgeber verändert? Einst war es so, dass es mehr Menschen gab, die versuchten, mit ihren Fähigkeiten im Unternehmen möglichst das Maximale herauszuholen, um bestenfalls irgendwann einmal in einer Führungsrolle Einfluss auf die Geschicke der Firma nehmen zu können. Doch diese Haltung hat sich grundlegend verändert. „Chef sein ist keine Sehnsucht bei Menschen unter 30. Die jüngeren Generationen haben oft an ihren Eltern sehen können, was ständige Überarbeitung und hohe Verantwortung anrichten können, und wollten diese Art des Teufelskreises nicht wiederholen“, wird Myriam Bechtoldt, Professorin für Leadership an der European Business School in Oestrich-Winkel, in einem ARD-Beitrag zitiert. Stattdessen stünden gute Arbeitsbedingungen hoch im Kurs. „Viele junge Menschen sind mehr an Work-Life-Balance, Selbstverwirklichung und nachhaltigen Arbeitsbedingungen interessiert als an hohen Gehältern und Status.“ Zu einer ähnlichen Erkenntnis gelangt auch die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025“. Der Kanzler vertritt dazu diese Meinung: „Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können.“
Dass man am Ende beiden Seiten – den Jüngeren und den Älteren – ihre Ansichten einräumen muss, zeigt schließlich das Eingangs-Zitat. Es ist nämlich nicht aktuell, sondern ist einer babylonischen Tontafel entnommen. Und die stammt etwa aus dem Jahr 1000 vor Christus. Das heißt: Das Thema, das derzeit so heftig (meist hinter vorgehaltener Hand) in den Unternehmen in ganz Deutschland diskutiert wird, ist kein Neues. Es besteht ein reichhaltiger historischer Zitatenschatz zur Behauptung „die Jungen taugen nichts mehr“, der deutlich zeigt, dass sich seit tausenden Jahren jede Generation mit dieser Gegebenheit beschäftigt. Die historische Diskussion verdeutlicht aber auch, dass es immer weiter geht. Die Frage ist dann nur: in welcher Form? Sicher ist nur: auf jeden Fall anders…
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