Odenwald-Tauber. Die Menschen in der Region sind zurückhaltender geworden, wenn es um die Größe des privaten Silvesterfeuerwerks geht. Das haben die FN herausgefunden. Für die Zukunft gibt es gute Vorschläge.
Odenwald-Tauber. Sie heißen „Batterie Eruption“, „Böse Oma“, „Flamehaerts“ oder ganz martialisch: „Kracherinferno“ und „Batterie Monster“. Die Rede ist von Feuerwerksartikeln, die ab heute bis 31. Dezember zu kaufen sind. Wieder zu kaufen sind. Denn in den vergangenen beiden Jahren waren Corona-bedingt keine Feuerwerkskörper erhältlich. Beim Jahreswechsel 2020/21 herrschte sogar eine Ausgangssperre. Die Fränkischen Nachrichten wollten nun von Bürgern aus dem gesamten Verbreitungsgebiet wissen, ob sich das Verbot der vorigen Jahre auf das aktuelle „Böllerverhalten“ ausgewirkt hat. Sprich: Braucht man den Krach, Rauch und Dreck überhaupt noch?
Alles Wissenswerte rund um den Kauf und die Zulassung von Silvester-Feuerwerk
Forderungen nach einem Böllerverbot, wie beispielsweise von der Bundesärztekammer oder der Deutschen Umwelthilfe, gab es auch in diesem Jahr. Das Bundesinnenministerium hat diese Forderungen jedoch zurückgewiesen und für Silvester 2022 kein generelles Verbot ausgesprochen.
In ganz Deutschland gilt: In unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden darf keine Pyrotechnik abgebrannt werden, also nicht geböllert oder Raketen gezündet werden. Das ist gesetzlich geregelt (§23 Absatz 1 SprengV) und gilt schon seit 1977.
Verkauft werden darf Feuerwerk nur am 29., 30. und 31. Dezember.
Klassische Silvesterraketen (Kleinfeuerwerk, Kategorie 2) dürfen nur an Personen über 18 Jahre verkauft werden. Personen unter 18 Jahre dürfen dieses Feuerwerk weder aufbewahren noch abbrennen. Am besten weisen Verkaufsstellen ihre Kunden durch Aushang darauf hin. Kleinstfeuerwerk darf an Personen von zwölf Jahren an verkauft werden.
Grundsätzlich ist eine Gebrauchsanweisung für Feuerwerkskörper notwendig. Entweder auf der Verpackung oder auf jeder einzelnen Rakete bzw. jedem Böller.
Geprüftes Feuerwerk erkennen Sie an der Registriernummer und dem CE-Zeichen in Verbindung mit der Kennnummer der Prüfstelle, das Bundesamt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Geprüftes Feuerwerk muss beide Kennzeichen aufweisen. Die ersten vier Ziffern der Registriernummer geben Auskunft darüber, welche benannte Stelle in Europa den Feuerwerksartikel baumustergeprüft hat. Die Kennnummer 0589 steht für die BAM.
Ausland: Grundsätzlich ist dies zulässig, sofern das Feuerwerk von einer der sogenannten „Benannten Stellen“ der EU, zu denen auch die BAM zählt, auf Übereinstimmung mit den Bestimmungen der geltenden EU-Richtlinie zur Pyrotechnik hin geprüft wurde. In diesem Fall hat das betreffende Produkt eine vierstellige Registriernummer (z. B. 0589 für die BAM) und trägt ein CE-Zeichen. mf
Fecht-Olympiasieger Matthias Behr aus Tauberbischofsheim hat das Feuerwerk an den vergangenen beiden Jahreswechseln nicht vermisst: „Die Böllerei war noch nie mein Ding. Nicht nur aus Kostengründen, sondern eher aus Angst, dass sich irgendjemand, der in der Nähe ist, verletzen könnte. Leider muss man seit Jahren nach Silvester lesen, dass durch Kracher und Raketen etwas Schlimmes passiert ist und die Krankenhäuser extrem belastet sind. Deshalb fände ich es gut, wenn ein von der Kommune organisiertes Feuerwerk für alle durchgeführt würde.“ Wegen der erhöhten Verletzungsgefahr hält die Klinik in Buchen beispielsweise mehr Personal vor: Zwei Leute mehr müssen da in der Nacht des Jahreswechsels arbeiten – „aber nicht nur wegen der Böllerei sondern auch wegen der Völlerei“ – heißt es von dort. Aus dem Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim kommt die Mitteilung: Aus den Zeiten vor der Corona-Pandemie und den Kontaktbeschränkungen wisse man um die erhöhten Unfallgefahren mit Böllern rund um Silvester und Neujahr und sei deshalb auch hier gerüstet.
Nicht ganz verzichten
Offensichtlich ist es so, dass bei den Menschen hierzulande bereits ein Umdenken eingesetzt hat. Die meisten Befragten wollen in Sachen Feuerwerk schon deutlich zurückfahren – dann aber doch nicht gänzlich verzichten: Gundolf „rotschi“ Nohe, „Original“ aus Höpfingen, sagt: „Verbote hatte man in den letzten Jahren zur Genüge, Appelle zur Vernunft sollte es allerdings geben. Vielleicht so: Lasst uns ein Feuerwerk der Lebensfreude und Hoffnung in diesen Zeiten zünden – ohne Böller!“ Alexander Kicerman-Fortuna aus Buchen ist ähnlicher Ansicht: „Komplett dagegen bin ich nicht. Ich finde diese Tradition und den einzigen Tag, an dem man ein Feuerwerk selbst zünden kann, schön. Doch man muss sich schon fragen: Ist es der ganze Lärm, der Rauch und der ganze Müll wirklich wert, für ein paar Minuten Spaß?“ Das Thema Müll hält auch den ehemaligen Fußball-Bundesliga-Profi Martin Lanig aus Königshofen vom Böllern ab: „Braucht man nicht wegen der Umweltverschmutzung“, lässt er knapp wissen und führt noch einen weiteren Punkt an, der vielen anderen Befragten auch am Herzen liegt: der Tierschutz.
So sagt Roman Ujhelyi aus Hardheim: „Als Hundebesitzer habe ich es begrüßt, dass zuletzt nicht geschossen werden durfte, da die Tiere schon sehr ängstlich sind zu dieser Zeit. Dennoch fühlt sich Silvester ganz ohne Feuerwerk auch nicht richtig an. Man sollte sich deshalb nur auf Raketen beschränken und die anderen Böller einfach weglassen.“ Nachgefragt beim Tierschutzverein Wertheim, erklärt Monika Eggerer, die Leiterin des dortigen Tierheims: „Die Tiere sind während des Feuerwerks extrem verängstigt; manche haben Todesangst, rennen den Zaun hoch oder urinieren unkontrolliert.“ Deshalb lässt sie im Heim zum Jahreswechsel das Licht an und Musik laufen – um beruhigend auf die Tiere einzuwirken. Allen Tierbesitzern rät Eggerer: „Wenn die Böllerei losgeht, Ruhe ausstrahlen und den Tieren Sicherheit geben.“
Raketen ja, Feuerwerkskörper eher nein – das scheint der Trend nach der Pandemie-Pause zu sein. Auch Ulf-Peter Klotz aus Bad Mergentheim findet: „Neben den schönen Aspekten eines Feuerwerks überzeugen mittlerweile die negativen Punkte. Die Umwelt leidet und die Feinstaubbelastung steigt deutlich, dazu kommen die hohen Kosten für die Reinigung und eine hohe Belastung der Krankenhäuser aufgrund von Verletzungen.“
Neben dem „ein Feuerwerk für alle“, das Matthias Behr vorschlägt, hat auch Ulf-Peter Klotz eine Lösung für die Zukunft parat: „Mittlerweile bieten Drohnenshows eine sehr gute Alternative für die man sich mindestens genauso begeistern kann.“
Vielleicht ist das Feuerwerk der Zukunft ja tatsächlich digital…
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/buchen_artikel,-buchen-raketen-und-boeller-dieser-trend-ist-erkennbar-_arid,2034598.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim.html
[2] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html
Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar (mit Video-Umfrage) Silvester in Mannheim: Lasst es krachen - aber sicher!