Bödigheim,. Aus Anlass des „Europäischen Tages der jüdischen Kultur 2024“ versammelten sich etwa 25 Personen zu einem Rundgang über den jüdischen Friedhof in Bödigheim.
Ein Mitarbeiter im Team der Stiftung Bücherei des Judentums Buchen, Dr. Georg Kormann, übernahm die Führung und gab zu Beginn Informationen zum Friedhof, zur Leichenhalle und zum restaurierten Leichenwagen. Der Friedhof ist ein eingetragenes Kulturdenkmal und ein religiöser Ort jüdischer Kultur.
Er besteht schon seit dem späten Mittelalter; seit dem Jahr 1345 lebte eine jüdische Gemeinde in Bödigheim. Das älteste noch erhaltene Grabmal stammt aus dem Jahr 1628, insgesamt sind heute noch circa 1600 Grabsteine erhalten. Der jüdische Friedhof Bödigheim ist einer der größten in Baden mit einer Fläche von circa 140 Ar.
Im Anschluss führte Kormann die Gruppe an einzelne Grabstätten von Mitbürgern aus Bödigheim, Buchen und Umgebung: An das Grab des Bezirksrabbiners aus Bödigheim, Gedalja Metz, an das Denkmal für die jüdischen Soldaten aus der Region, die im 1. Weltkrieg gefallen waren. Der Weg führte auch zum Grab der im Jahr 1913 verstorbenen Henriette Mayer, hier wurde vor der Schließung des Friedhofs durch die Nationalsozialisten 1939 einer der bedeutendsten Buchener Bürger begraben: der Schriftsteller, Mundartdichter und glühende deutsche Patriot und Lokalpatriot Jacob Mayer.
Ein Teilnehmer aus Buchen trug sehr engagiert und berührend das Dialekt-Gedicht aus dem Jahr 1929: „Ma Buche“ und die ersten beiden Strophen des „Schützenmarktliedes“ vor. Durch den sehr lebendigen Vortrag konnte sowohl Jacob Mayers Liebe zur Buchener Heimat als auch sein Engagement für das Buchener Vereinsleben und im Besonderen für die Buchner Fasnacht nachempfunden werden.
Der viele Jahre geachtete Buchener Bürger wurde 1936 zur Geschäftsaufgabe gezwungen, musste bald darauf sein Haus verkaufen und litt sehr unter der Ausgrenzung, Vereinsamung und Verarmung. Am 11. Juli 1939 setzte er seinem Leben ein Ende.
Zum Abschluss des Rundganges besuchte die Gruppe im neuen Teil des Friedhofes die Gräber von Susanna Stern aus Eberstadt, die im Jahr 1939 vom NS-Ortsgruppenleiter Adolf Frey erschossen wurde; auch alle ihre vier Kinder kamen auf tragische Weise durch das NS-Regime zu Tode, hieß es bei der Führung. Ein gutes Ende nahm dagegen die Geschichte der Buchener Familie von Abraham Wolf. Seine Tochter Susi und sein Schwiegersohn Herbert Levi emigrierten mit ihren Kindern unter dramatischen Umständen nach Rhodesien (heute: Simbabwe). Der Sohn Albrecht Lester ging später zum Studium nach England und blieb dort.
Seine Lebensgeschichte wurde 2021 in drei Teilen veröffentlicht, ist im Buchhandel erhältlich und kann bei einem Besuch in der Bücherei des Judentums in Buchen ausgeliehen werden.
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