„Verein(t) durch die Krise“ (1) - Der Vorsitzende des TSV Buchen,  Kurt Bonaszewski bedauert Mitgliederschwund / Aber: "Die Leute gieren nach Bewegung und Begegnung"

Im Lockdown fiel der TSV Buchen durch viele Aktionen auf

Mit knapp 2500 Mitgliedern ist der TSV Buchen einer der größten Vereine im Neckar-Odenwald-Kreis. Im FN-Gespräch zeigt der Vorsitzende Kurt Bonaszewski auf, wie er zusammen mit seinem Führungsteam den TSV bisher durch die Krise manövrierte.

Von 
Michael Fürst
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Alles im Blick hat der Vorsitzende des TSV Buchen, Kurt Bonaszewski. Zusammen mit seinem Team manövrierte er den Verein bisher gut durch die Krise. © Michael Fürst
Ist der TSV Buchen während der Corona-Krise auch erkrankt oder ist er weiter gesund, Herr Bona-szewski?

Buchen.

Vereine sind gerade für den ländli chen Raum eine Lebensader. ...

Vereine sind gerade für den ländli chen Raum eine Lebensader. Mit Tausenden ehrenamtlicher Stun den bereichern sie das Leben in der Region. Sie bieten Freizeitaktivi täten und Sport an, kümmern sich um Kulturgut und - einige retten

Kurt Bonaszewski: Der TSV Buchen ist gesund, aber er hat auch Krankheitssymptome.

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Welche sind das?

Bonaszewski: Ein Symptom ist, dass wir während der Pandemie viele Mitglieder verloren haben. Wir hatten vor der Corona-Krise etwa 2850 Mitglieder. In der Vergangenheit war es so, dass jährlich zwischen 150 und 300 Mitglieder ausgetreten- aber ebenso viele auch eingetreten sind. Deshalb blieben wir immer in etwa auf einem Niveau. Während der Pandemie sind bis heute etwa 400 Mitglieder ausgetreten, aber keiner ein. Halt doch: Zwei sind aus Solidarität eingetreten (lacht).

Reißt dieser Mitgliederschwund ein finanzielles Loch in den Haushalt des TSV?

Bonaszewski: Nein. Es ist so, dass die Sparten vom Hauptverein jedes Jahr eine gewisse Summe bereitgestellt bekommen für ihr Training und ihre Wettkämpfe. Dieses Geld haben Sie bisher aber nicht gebraucht und deshalb auch nicht abgerufen. Wenn es jetzt wieder losgeht, bekommen sie nun nicht das ganze Sümmchen. Dazu haben wir den ersten Preis bei der Sepp-Herberg-Stiftung (5000 Euro, Anm. d. Red.) gewonnen.

Haben Sie beim Badischen Sport-Bund Corona-Hilfen beantragt?

Bonaszewski: Ja, und wir haben sie für 2020 auch erhalten. Unsere Geschäftsführerin Brigitte Röckel ist immer auf der Suche nach weiteren Fördermöglichkeiten. Dazu haben die Übungsleiter auf ihr Geld verzichtet. Wir haben aber auch FSJler, Festangestellte und Übungsleiter, die davon leben. Sie haben ihr Geld weiter erhalten. Es waren aber auch Mitarbeiter in Kurzarbeit.

Haben Sie sich in Ihrer Funktion als Vereinsvorsitzender während der Corona-Zeit von der Politik ausreichend unterstützt gefühlt?

Bonaszewski: Ja, auf jeden Fall. Da können wir uns als TSV Buchen wirklich nicht beschweren. Und die Unterstützung war parteiübergreifend, egal ob auf Kreis- oder Landesebene.

Wie verhält es sich mit dem Mitgliederschwund bei aktiven Sportlern, die Wettkämpfe bestreiten oder in Ligen spielen?

Bonaszewski: Hier hatte ich befürchtet, dass wir Probleme bekommen, weil alle Sportler ja plötzlich gemerkt haben, wie viel Freizeit sie von jetzt auf nachher hatten – vor allem an den Wochenenden. Von den Verantwortlichen unserer Ballsportarten habe ich die Rückmeldungen erhalten, dass das aber nicht so eingetreten ist. Wenn ich zu unseren Montagsturnern schaue, da sind 60, 70 Leute jedes Alters dabei. Die Leute gieren regelrecht nach Bewegung und sozialen Kontakten.

Ja, und wir machen jetzt im Sommer auch keine Pause. Es wird sozusagen durchtrainiert.

Man hat auch während der Lockdowns immer wieder etwas vom TSV Buchen gehört, sei es durch Impfaktionen, die Breakdance-Gruppe machte Schlagzeilen, der Sepp-Herberger-Preis wurde gewonnen. Woher nahmen Sie mit Ihrem Führungsteam diese Energie? Von anderen Vereinen hat man monatelang gar nichts gehört.

Bonaszewski: Es war und ist auch die Verantwortung und die Verpflichtung gegenüber den Mitgliedern, dass es weitergeht. Wir mussten ja trotz allem die Geschäftsstelle am Laufen halten, die Halle ist da. Wir konnten nicht einfach alles komplett herunterfahren. Aktivität zeigte sich da auch an so etwas Einfachem, wie dass wir an der Klopapierrallye teilgenommen haben. Reha-Sport lief im Übrigen die ganze Zeit weiter. Zudem wurde unsere Breakdance-Gruppe „Next Level“ 2020 Deutscher Meister. An diesem Punkt muss ich den Hut ziehen vor unserer ehemaligen Kultusministerin Eisenmann. Sie hat uns binnen einer Woche die Erlaubnis dafür gegeben, dass die Gruppe überhaupt trainieren durfte. Aber auch hier haben wir uns intensiv darum kümmern müssen. Da ruft man nicht einfach mal geschwind in Stuttgart an und bekommt dann gleich das Okay.

Ist während der Pandemie noch deutlicher geworden, welch großen sozialen Wert die Vereine haben, weil sich hier die Menschen begegnen und auch austauschen?

Bonaszewski: Das stimmt, aber da fehlt immer noch so viel. Es gibt ja zum Beispiel überhaupt keine Sportfeste, es finden längst nicht alle Wettkämpfe statt. Unser Triathlon musste auch wieder abgesagt werden. Aber es ist ja für Vereine auch nur schwer möglich zu planen, weil sich die Verordnungen immer wieder ändern.

Im Amateursport wird jetzt ja ein Stück weit Normalität vorgegaukelt, indem Saisons anstehen – im Handball, im Fußball, im Basketball. Aber ist die Durchführung der Spiele unter all den Vorschriften für die Vereine nicht sehr belastend?

Bonaszewski: Belastend finde ich das nicht unbedingt. Es geht in erster Linie darum, dass die Sportler ihr Hobby wieder ausüben können und dürfen. Da macht jeder gerne ein bisschen mehr. Aber: Bevor es im Mai wieder losging, mussten wir für alle Sportarten die Hygienekonzepte erstellen. Das war richtig Arbeit, ja. Aber ein Feedback von der Stadt oder vom Kreis haben wir nie bekommen.

Schweigen heißt in diesem Fall also wohl auch „ja“.

Bonaszewski: Offensichtlich (lacht).

Sie sagten, dass bei den Aktiven im Grunde alle wieder zurückgekommen sind. Wie ist es bei den Trainern, Übungsleitern und Betreuern?

Bonaszewski: Da haben nur ganz wenige aufgehört – und wenn, dann nicht wegen der Pandemie. Allerdings haben wir bei den FSJlern in diesem Jahr ein Problem. Der TSV Buchen hatte bis zu drei. Ein Grund dafür ist, dass das Burghardt-Gymnasium dieses Jahr kein Abitur hatte. Einen weiteren Grund sehe ich darin, dass die jungen Menschen anderer Schulen so sehr mit ihren Abschlüssen beschäftigt waren, dass die gar nicht daran gedacht haben. Ein freiwilliges soziales Jahr war irgendwie vom Bildschirm verschwunden. Früher hatten wir zehn Bewerbungen für drei Stellen. Aktuell haben wir null für zwei.

Was heißt das in der Konsequenz für die Schulen und Kindergärten?

Bonaszewski: Wir können dort beispielsweise keine Ballschule anbieten und nicht im Sportunterricht unterstützen.

Und das bedeutet wiederum, dass auch weniger Kinder und Schüler Kontakt zum TSV Buchen bekommen. Befürchten Sie deshalb weniger Zulauf als in den Jahren zuvor?

Bonaszewski: Ja schon. Etwa 20, 30 der betreuten Kinder sind dadurch jedes Jahr zum TSV gekommen. Wir hoffen nun, dass unsere FSJ-Stellen im kommenden Jahr wieder besetzt werden können, wenn sich „die Lage“ hoffentlich wieder normalisiert hat.

Wenn wir das Gespräch bis hierhin zusammenfassen: Die Sportler sind alle wiedergekommen, bei den Übungsleitern hat der TSV im Grunde keinen Aderlass, Ihr Verein ist trotz des Mitgliederrückgangs finanziell gut aufgestellt. Das heißt doch, dass der TSV Buchen recht gesund aus der Corona-Krise gekommen ist.

Bonaszewski: Wir sind immer noch in der Pandemie und die Frage ist, wie lange wir das noch so aushalten können.

Haben sich während der Krise für den TSV Chancen aufgetan, zum Beispiel bei der Digitalisierung?

Bonaszewski: In fast allen Sparten haben die Sportler „per Video“ trainiert. Wir hatten bis vor kurzem nur Vorstandssitzungen per „Zoom“. Das ist ja mal ganz nett und hat uns durch die Krise geholfen. Aber ich hoffe inständig, dass sich das nicht durchsetzen wird. Wie schön war mal wieder eine Vorstandssitzung in Präsenz. Da sind Diskussionen und Entscheidungsfindungen viel lebendiger. Als es hieß, wir gehen wieder in den Präsenzsport, waren die Sportler wieder glücklich – und die Übungsleiter auch.

Ein Sportverein strebt aber letztlich auch nach Erfolg. Tritt dieses Streben angesichts der Pandemie nun etwas in den Hintergrund, weil es „erst einmal Wichtigeres“ gibt?

Bonaszewski: Es ist weiter wichtig, in welcher Klasse die jeweiligen Mannschaften spielen. Je höher die Liga, desto größer das Interesse und desto mehr ist diese Mannschaft ein Zugpferd für die Kinder. Deshalb wäre es für uns schön, wenn die Fußballer in der Kreisliga zumindest oben mitspielen, ebenso die Basketballer in der Landesliga, und die Handballer die Landesliga halten könnten.

Haben Sie die Befürchtung, dass die Saisons wieder abgebrochen werden könnten?

Bonaszewski: Im Fußball nicht. Doch auch die Fußballer müssen sich zusammenreißen und solche Sachen wie Kabinenpartys unterlassen. Skeptischer bin ich bei den Hallensportarten. Wer kontrolliert da immer genau die 3G-Regeln? Und, mal ehrlich, ist da jeder Test wirklich „echt und richtig“? Es wäre extrem wichtig, die Runde zu beenden, damit es Auf- und Absteiger gibt.

Sie haben als Vorsitzender des TSV Buchen einen Wunsch frei. Wie lautet der?

Bonaszewski: Dass die Leute alle vernünftig sind oder werden und dass die Pandemie durch eine hohe Impfquote besiegt wird.

Ressortleitung Reporterchef und Leiter der Sportredaktion

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