Medizinische Versorgung

Hausärzte im Neckar-Odenwald-Kreis: Droht die Unterversorgung?

Obwohl die Zahl der Hausarztpraxen im Neckar-Odenwald-Kreis sinkt und die Zahl auch in Zukunft weiter zurückgehen wird, ist Kreisentwicklerin Leonie Rodemers vorsichtig zuversichtlich.

Von 
Nicola Beier
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In den vergangenen zehn Jahren haben zehn Hausarztpraxen im Neckar-Odenwald-Kreis geschlossen. © picture alliance/dpa

Neckar-Odenwald-Kreis. Die ärztliche Versorgung auf dem Land nimmt ab. Das ist wohl ein weit verbreitetes Gefühl in der Bevölkerung. Dazu zählen dann nicht nur Ärzte in Krankenhäusern, sondern auch der Mangel an Fach- und Hausärzten. In der Vergangenheit war immer wieder von Hausärzten in der Region zu hören, die ihre Praxistüren schließen – zum Teil ohne einen Nachfolger gefunden zu haben. Da war beispielsweise Dr. Michael Schneider, der seine Praxis für Allgemeinmedizin in Merchingen 2022 schloss, oder die Ärzte Dr. Annette Eichhorn-Fleck und Dr. Johannes Fleck in Sindolsheim, die nach Walldürn umziehen und es zunächst keinen Nachfolger für den Baulandort gab (wir berichteten). Dr. Karl Dobrick aus Mudau hatte mit Dr. Ngoc Khanh Huynh zum 1. Juli indes einen Nachfolger finden können.

Wie sieht die Versorgung mit Hausärzten im Neckar-Odenwald-Kreis (NOK) also aus? Gibt es zu wenig Ärzte für zu viele Einwohner? Oder ist die Versorgung gut oder sogar sehr gut? Die Fränkischen Nachrichten haben bei Kai Sonntag, Pressesprecher der Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, und Kreisentwicklerin Leonie Rodemers des Landratsamts nachgefragt, um ein detailliertes Bild zu erhalten.

Zahl der Hausarztpraxen seit 2015 um zehn gesunken

Die wichtigsten Zahlen vorab: „Im NOK gibt es zum Stand Januar 2025 insgesamt 52 Arztpraxen, in denen mindestens ein Hausarzt tätig ist“, informiert Sonntag. Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor, also 2015, gab es im NOK 62 Praxen, in denen mindestens ein Hausarzt tätig war. Sonntag gibt dazu aber Entwarnung: „Diese Differenz deutet allerdings nicht automatisch auf eine schlechtere Versorgungslage des Landkreises hin, sondern kann auch auf mögliche Zusammenschlüsse von Praxen zurückzuführen sein.“

Kreis wird in zwei Mittelbereiche unterteilt

Grundsätzlich gilt: Es gibt eine Vorgabe des Gesetzgebers, wonach die Zahl der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte aus finanziellen Gründen begrenzt sein soll. Für Hausärzte gelten Mittelbereiche. „Im NOK wären das die Mittelbereiche Buchen und Mosbach, also ein Mittelbereich, der den östlichen Teil und einer, der den westlichen Teil des Landkreises abdeckt“, informiert Sonntag. Außerdem gibt es eine allgemeine Verhältniszahl, die besagt, wie viele Einwohner rein statistisch auf einen Hausarzt in Vollzeit kommen sollen, damit ein Versorgungsgrad von 100 Prozent erreicht wird. Die allgemeine Verhältniszahl ist 1.616. „Diese wird dann für jeden Mittelbereich noch regional angepasst. Hier werden einzelne Faktoren wie Geschlechterverteilung, Altersverteilung, verschiedene Krankheitsdaten eingerechnet“, ergänzt Sonntag.

So sieht der Versorgungsgrad im NOK aus

Für den Mittelbereich Buchen liegt die allgemeine Verhältniszahl (Stand: Februar 2025) bei 1.589, für den Mittelbereich Mosbach etwas niedriger bei 1.507. „Das bedeutet für den Mittelbereich Buchen einen Versorgungsgrad von 91,8 Prozent und in Mosbach von 82,3 Prozent“, schlussfolgert Sonntag. Ab einem Versorgungsgrad von 75 Prozent gibt es Anzeichen für eine Unterversorgung. Beide Mittelbereiche liegen demnach unter 100 Prozent, gelten aber nach den Vorschriften nicht als unterversorgt.

Der Pressesprecher warnt jedoch, dass die Zahlen auf dem Papier allein nicht aussagekräftig genug sind: „Diese Berechnung ist nur eine sehr grobe Darstellung. Die Verhältniszahlen können daher nicht den Anspruch erheben, die Versorgungsrealität, wie sie sich für die Bürgerinnen und Bürger darstellt, adäquat abzubilden. Daher wäre etwa auch eine Folgerung, im Mittelbereich Buchen ist die hausärztliche Versorgung besser als in Mosbach, nicht zulässig.“

Etwa 1.000 Hausärzte fehlen in Baden-Württemberg

Im Verhältnis Stadt versus Land schneiden ländliche Regionen nicht zwingend schlechter ab: „Wir haben auch Versorgungsengpässe in den städtischen Gebieten. Wir haben insgesamt ein Problem in der hausärztlichen Versorgung“, sagt Sonntag. Aktuell gebe es etwa 1.000 Hausarztsitze in Baden-Württemberg, die nicht besetzt sind, und etwas mehr als 20 Prozent der Hausärzte sei älter als 65 Jahre. „Uns steht demnach eine Ruhestandswelle bevor“, warnt er. Das sieht auch Kreisentwicklerin Leonie Rodemers: „Ein großer Faktor ist der demografische Wandel: Immer mehr Ärztinnen und Ärzte gehen in den Ruhestand und zugleich kommt weniger ärztlicher Nachwuchs nach.“ Beide sind sich außerdem einig, dass individuellen Bedürfnisse und Lebensentwürfe, wie das Schulangebot, der Wohnungsmarkt, Einkaufsmöglichkeiten, Kinderbetreuung und ÖPNV-Anbindungen eine Rolle für die Mediziner spielen.

Positives Feedback für den Landkreis

Rodemers hat für den NOK dennoch positive Nachrichten: „Obwohl wir derzeit und in Zukunft aufgrund des demografischen Wandels noch mehr ärztlichen Nachwuchs benötigen, so deutet sich im Austausch mit Medizinstudierenden und Ärzten in Weiterbildung in vergangener Zeit an, dass wieder mehr (angehende) Medizinerinnen und Mediziner Interesse an einer hausärztlichen Tätigkeit im Neckar-Odenwald-Kreis haben – sowohl im Rahmen einer eigenen Niederlassung als Hausärztin und Hausarzt als auch an einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis.“

Das tut der Landkreis, um die Zahl der Ärzte zu erhöhen

Um Hausärzte speziell in den ländlichen Raum zu locken, gibt es unterschiedliche Angebote. Das Landratsamt des NOK arbeite über das Landarzt-Stipendium sowie den Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin daran, frühestmöglich Nachwuchs für den Landkreis zu gewinnen, informiert Rodemers. „Wir setzen alles daran, interessierte Ärztinnen und Ärzte auf ihrem Weg in die Niederlassung bestmöglich zu unterstützen“, erklärt sie. Dazu zählen Beratungen hinsichtlich finanzieller Fördermöglichkeiten, das Zugänglichmachen von Netzwerken und Kontakten in den Landkreis sowie ein guter Überblick über freie Praxisräumlichkeiten zur Niederlassung und Praxen zur Übernahme. „Das ist ein echter Mehrwert für die jungen Medizinerinnen und Mediziner, der uns einen Vorteil gegenüber städtischen Regionen gibt“, ist Rodemers überzeugt.

Die Kassenärztlichen Vereinigung hat laut Pressesprecher Sonntag ebenfalls Förderprogramme für die Ansiedlung in bestimmten Regionen und fördere die Ausbildung eines angehenden Hausarztes in einer Arztpraxis. Zuletzt hat auch das Land ein Programm aufgesetzt, wonach ein bestimmter Anteil an Studienplätzen an Studenten vergeben wird, die nach dem Studium als Hausarzt im ländlichen Raum tätig werden sollen, sofern es dort eine prekäre Versorgungslage gibt.


Zur Serie „Hausärzte im Fokus“

Wie gut ist die Versorgung durch Hausärzte im Neckar-Odenwald-Kreis? Was passiert, wenn eine Praxis schließt und wie findet ein Hausarzt einen Nachfolger? Wie versucht das Landratsamt, (angehende) Hausärzte für den Neckar-Odenwald-Kreis zu begeistern? Und was bedeutet es für eine Kommune, wenn eine oder sogar die eine Arztpraxis schließt? All das sind Themen, die die Fränkischen Nachrichten in den kommenden Wochen in ihrer Serie „Hausärzte im Fokus“ beleuchten werden. Die Artikel werden in unregelmäßigen Abständen erscheinen. nb

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