Buchen. Hätte sich ein Bürger aus der Hochdeutsch-Hauptstadt Hannover am Mittwochnachmittag im Alten Rathaus Buchens aufgehalten, er hätte wohl gedacht, er sei nicht mehr im Deutschland, sondern irgendwo im Ausland unterwegs. Warum? Er hätte vermutlich wenig bis gar nichts verstanden. Der Grund ist einfach: Es wurde Mundart gesprochen, und zwar so richtig. Über 30 Personen aus Buchen, den Stadtteilen, und umliegender Kommunen hatten sich dort versammelt, um beim Erzählcafé „Unser Dialekt“ einem außergewöhnlichen Projekt beizuwohnen. Isabell Arnstein und Lutz Berger waren die Initiatoren dieser Veranstaltung im Rahmen der Feierlichkeiten „1250 Jahre Stadt Buchen“.
Austausch an Thementischen
„Wir werden aus etwa vier Stunden Filmmaterial einen Film zusammenschneiden, damit ein Zeitzeugnis für die Stadt Buchen entsteht“, erklärte Isabell Arnstein das Ansinnen des Nachmittags. Und das funktionierte so: Die Teilnehmer verteilten sich an den vier Thementischen „Bräuche und Feste“, „Landwirtschaft und Handwerk“, „Buchen früher und heute“ sowie „Essen und Rezepte“. Die gesprächsleitenden Personen an den Tischen waren Isabell Arnstein, Hans Slama, Gerhard Schäfer und Christiane Gomer. An den Tischen stand je eine Kamera, die Redner wurden verkabelt, ihre Beiträge via Steckmikro aufgezeichnet. Verantwortlich für das aufwendige technische Equipment war Lutz Berger vom Museum Wagenschwend, der nun einen etwa 20- bis 25-minütigen Film schneiden wird.
Es entwickelte sich ein reger Austausch. Manche Teilnehmer redeten frei von der Leber weg, andere hatten eigens Manuskripte vorbereitet, um Texte in Mundart vorzulesen. Es wurde viel gelacht, auch Applaus brandete zwischendurch einmal auf, zum Beispiel als über den „Schlachttag“ referiert wurde oder als Annemarie Kaiser sagte: „Ich bin dreisprachig erzogen: hochdeutsch, ,buchemerisch’ und ,heeschter Dialekt’“. Der 88-jährige Klaus Kirch, aus dem Schwäbischen stammend, sagte, dass er den hiesigen Dialekt sehr möge und es schade finde, dass ihn junge Menschen immer weniger sprechen. Ja, das fiel auf: Es waren fast ausschließlich Teilnehmer älteren Semesters beim Erzählcafé dabei – die aber eines einte: Sie trugen allesamt ein Stück Heimat auf ihren Lippen. Auch der kleine Otto. Der mit fünf Jahren jüngste Dialektredner an diesem Tag sprach mutig etwas in die Kamera.
„Den Leuten hat es gefallen“, stellte Isabell Arnstein am Ende fest; über eine Wiederholung des Erzählcafés „Unser Dialekt“ wolle man nun nachgedenken. Sollte das so kommen, wird man sich allerdings einen anderen Ort als den Sitzungssaal des Alten Rathauses suchen, denn die Akustik war dem mundartlichen Gemurmel nicht zuträglich.
Burger erinnert an Mayer
Auch Buchens Bürgermeister Roland Burger war dabei. Er ging in seinem Grußwort unter anderem auf die Vielfalt der Dialekte in den einzelnen Ortschaften ein und wies in diesem Zusammenhang auf den Sprachlehrpfad hin, der aktuell auf Buchener Gemarkung entsteht. Burger stellte ebenso fest, dass sich die Dialekte im Laufe der Zeit auch veränderten und nannte als Beispiel Beiträge des Buchener „National-Dichters“ Jacob Mayer, dessen Beiträge man heute nur noch schwer verstehen könne – und ein Hannoveraner vermutlich gar nicht…
Übrigens: Das Thema Mundart haben die Fränkischen Nachrichten bereits 2011 in ihrer Heimatserie behandelt – und zwar in Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden des hiesigen Bezirksmuseums Dr. Wolfgang Hauck und dem einstigen Neckar-Odenwald-Kreis-Landrat Manfred Pfaus. „Die Initiative war damals einmalig“, erinnerte sich Hauck noch am Mittwoch.
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