Buchen. Das Gitarrenduo „Café del Mundo“ um Jan Pascal und Alexander Kilian veranstaltet in ihrer Heimatstadt seit Jahren das Festival Welt-Musik-Stadt-Buchen. In diesem Jahr unter dem Titel „Heimatsound Symphonic“. Hinter diesem Hauch von Understatement verbarg sich vielmehr eine konzertante Welturaufführung. Erstmals traten Pascal und Kilian nicht allein mit der Akkustikgitarre auf, sondern – wie es sich im Laufe des Abends erweisen sollte – in hochkarätig symphonischer Orchesterbegleitung.
Gespannte Erwartungsfreude lag am Samstagabend in der Luft, als sich das Konzertgelände unter dem Wartturm nach und nach mit 2000 Besuchern füllte. Ein „Hallo“ zu anderen hier, ein Blick auf das Wetter dort. Doch schon am Nachmittag hatte es sich ausgeregnet: Es blieb trocken. Applaus brandete auf, als um 20 Uhr die 37 Musiker des Orchesters „Neue Philharmonie Frankfurt“ mit ihrem extra aus London angereisten Dirigenten Richard Balcombe zusammen die Bühne betraten. Mit diesem und dem „Royal Philharmonic Orchestra“ aus London hatte „Café del Mundo“ im Frühjahr das Album „Symphonic“ eingespielt – in den berühmten „Abbey Road Studios“ in Westminster.
Anflug mit dem Gleitschirm
Bläser und Streicher stimmten ihre Instrumente nach. Dann Stille. Jan Pascal und Alexander Kilian fehlten. Ein Video wurde eingespielt. Darin forderte der jüngere Kilian seinen zwölf Jahre älteren musikalischen Partner Pascal zu einer Challenge heraus: Wohl wissend um dessen Höhenangst zu einem Fallschirmsprung. Video Ende. Jan Pascal und Alexander Kilian fehlten noch immer. Das Publikum begann, sie herbei zu klatschen. Dann ein Raunen. Erste Blicke und Arme wiesen nach oben. Am Abendhimmel näherte sich ein Sportflugzeug. Erst eine, dann eine zweite Person sprangen heraus. Gleitschirme öffneten sich und kreisten zum Boden herunter, falteten sich neben der Bühne zusammen. Ein kurzes Verschwinden der beiden gelandeten Personen backstage – und schon waren sie da: Unter dem ersten tosenden Applaus des Abends betraten Jan Pascal und Alexander Kilian entspannt mit ihren Gitarren in der Hand die Bühne, Sie begrüßten die Gäste an diesem, ihrem „Herzensort“, wie Jan Pascal sagte. Und: „Es ist unfassbar, was hier emotional gerade abgeht. Hier unter dem Wartturm, oberhalb von Buchen – mein Lieblingsort.“
Es wechselten sich danach Stücke aus dem Album „Symphonic“ mit Klassikern und Publikumslieblingen aus dem „Café del Mundo“-Repertoire ab. Als ein ganz neues Klangerlebnis. Kannte man Kilian und Pascal bislang allein als virtuos auf der Akkustikgitarre, umtanzten sich an diesem Abend unter dem Wartturm erstmals der klassische „Café del Mundo“- mit symphonischen Orchester-Sound. Ein Klangerlebnis, das Christian David Rheber für Orchester hervorragend arrangiert hatte. Am Mischpult bewies sich Manuel Stein mit höchster Professionalität. Das Wechsel- und Zusammenspiel von Gitarren-Duo und symphonischem Orchester unter Bedingungen im Freien, speziell bei zeitweise heftigem Wind so gekonnt abzumischen – Chapeau!
Ausgelassene Spielfreude
Ihm gelang es nicht nur die Störungen weitestgehend außen vor zu lassen, wie das Wind-Wummern von Mikrofonen, sondern vor allem die Nuancen abzubilden, die sich aus dem Zusammenspiel der Musiker ergaben. Mal galt es, Pascal und Kilian akustisch vor das Orchester zu stellen, dann wieder die Opulenz des Orchesters in all seinem Klangvolumen und all seiner Ausdruckskraft zu betonen, dann wieder beide zusammen zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen zu lassen. Erleichtert wurde ihm all das durch die ausgesprochene Spielfreude an diesem Abend, sowohl der Orchestermusiker und ihres Dirigenten Richard Balcombe, als auch des gastgebenden Duos.
In seinen Überleitungen zwischen den Stücken erzählte Jan Pascal von deren Entstehungsgeschichten, damit verbundenen Orten, Personen, Erinnerungen – weltweit. Er bekannte sich zur Musik als weltweit Menschen verbindende Kraft, die Weltoffenheit erzeugt und sie leben lässt. Dieses Bekenntnis von gleichermaßen Pascal und Kilian, koppelten sie immer wieder rück, als geradezu inniges Geständnis ihrer persönlichen Heimatliebe: Buchen im Odenwald, in „Alemandalucia“. Wertschätzend etwa, erinnerten sie die Konzertbesucher auf dem Stoppelfeld daran, dass sie sich „im Wohnzimmer unserer Landwirte“ befänden, „die für uns Lebensmittel herstellen: Applaus für unsere vier Landwirte, die uns diese Fläche zur Verfügung stellen!“
Zu „Spread your wings“ forderten sie die Konzertbesucher zu fröhlichem Mut auf, „auch mal in Situationen des Lebens hineinzuspringen“ – sonst gehe es ja nicht weiter. Ein Schmankerl und Ohrenschnalzer war auch der „Café del Mundo“-Hit „Arabian Nights“, der so noch nicht gehört wurde: voluminös-orchestral begleitet, Holzbläsersolo auf der Klarinette inklusive.
Orientalisch Lichtspiel
Die Szenerie der Bühne eingehüllt in orientalisch anmutendes Lichterspiel, das in all seinen Farben dem Auge die Gewürzvielfalt eines arabischen Bazars in Erinnerung rief: Curcumagelb, Safranorange, Sumachrot und Kardamomgrün. Das war Veranstaltungskönnen auf bereits vor dem Konzert angekündigtem Weltniveau: Weltoffenheit und Heimatliebe auf einer Bühne unter dem Wartturm. Gerahmt vom Abendhimmelblick über den Odenwald.
Hervorragend war auch der vom Publikum mit Begeisterung quittierte Tanz-Act im zweiten Teil des Konzertabends zum Stück „Smile“. Flamenco-Star Mercedes Pizarro performte zusammen mit Hip-Hoppern des Projekts „99“ aus Buchen: drei Tänzer und eine Tänzerin der Crew „Next Level“, der Weltmeister-Crew 2018, plus eine Tänzerin der Crew „X-Ception“.
In Deutschland geboren, stammt Mercedes Pizarros Familie aus der Extremadura in Spanien. Pizarro ist brillante Tänzerin des Flamenco, mit kraftvollem Stil und außergewöhnlicher Bühnenpräsenz. Sie gilt als hervorragende Dozentin dieses ausdrucksstarken Tanzes und hat zahlreiche Engagements in vielen Ländern Europas. An diesem Samstag begeisterte sie in Buchen. Mit „Café del Mundo“ zusammen, trat sie in der Vergangenheit bereits in deren Programm „The Art of Flamenco“ auf.
Vitalität und Virtuosität
Gegen Ende des Konzerts hielt es die 2000 Besucher nicht mehr auf ihren Sitzen. Kilian, Pascal und das Orchester ließen zwischen Filmmusiken und Flamencos noch einmal ihr ganzes künstlerisches Können zwischen Vitalität und Virtuosität aufebben, das in all seiner Lebensfreude und Leichtigkeit einem Tanz mit dem Publikum gleichkam, bei dem die Künstler mit ihm geradezu fröhlich kokettierten. Das ließ sich gerne verführen und bewies das mit mehrerem Zwischenapplaus, rhythmischem Klatschen, Mitsingen, Mittanzen.
Mehr kann ein Konzert nicht leisten, wie an diesem Sommerabend hoch oben oberhalb der Stadt: das Verschmelzen von Publikum und Performance zu einer gefühlten Einheit. Die gegenseitige Umarmung von Heimatliebe und Weltoffenheit unter dem Wartturm. Das war Weltkönnen!
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