Buchen. Die Hoffnung vieler, vielleicht doch noch eine alternative Entsorgungsstätte für die rund 3000 Tonnen Bauschutt des Kernkraftwerks Obrigheim zu finden, wurde mit dem gestrigen Tag zerschlagen. Das Material kommt mit Verweis auf die geltende Rechtslage nach Sansenhecken. Der Kreis sei per Gesetz verpflichtet, auf seiner Deponie in Buchen so genannte freigemessene Abfälle anzunehmen. Darauf verwies gestern erneut Umweltminister Franz Untersteller in einer Stellungnahme.
In einer Pressekonferenz informierte die Abfallwirtschaftsgesellschaft des Neckar-Odenwald-Kreises (AWN) über das weitere Vorgehen bei der Entsorgung des KWO-Bauschutts. Das Thema hatte in der Vergangenheit für heftige Diskussionen auf politischer Ebene und für große Sorge in der Bevölkerung gesorgt.
"Riesengroßer Schritt"
Nun gibt es eine Entscheidung, die nicht nur den Neckar-Odenwald-Kreis betrifft, sondern alle Kernkraftwerks-Standorte in Baden-Württemberg. Außerdem gilt es als wahrscheinlich, dass die von Landkreistag und Städtetag vorgelegte "Handlungsanleitung zur Entsorgung freigemessener Abfälle auf Deponien" bundesweit zur Anwendung kommen wird. Erarbeitet wurde das Papier von einer Expertengruppe, die sich unter anderem aus Vertretern des Landkreistags, des KWO-Betreibers EnBW, des Umweltministeriums als Atomaufsichtsbehörde sowie der AWN zusammensetzte.
Diese "Handlungsanleitung" sieht insbesondere vor, dass der bereits von der EnBW freigemessene Bauschutt vor dem Abtransport nach Buchen zu 100 Prozent erneut einer Überprüfung durch unabhängige Kontrolleure unterzogen wird. "Das ist ein riesengroßer Schritt, denn vorher wurden nur rund zehn Prozent des Materials ein zweites Mal auf Strahlung untersucht", so AWN-Geschäftsführer Dr. Mathias Ginter.
Außerdem wird die AWN selbst, quasi in dritter Instanz, stichprobenartig eigene Prüfungen vornehmen. Alle Vorgänge werden protokolliert und sowohl dem Umweltministerium als auch der AWN vorgelegt.
Die "Handlungsanleitung" ist jedoch, wie der Name schon sagt, nur eine Anleitung, oder? "Für uns ist sie quasi Gesetz. Auf unserer Deponie wird nicht ein Gramm landen, das nicht exakt nach diesen Vorgaben geprüft und freigemessen wurde", stellte Ginter klar. Andere Betreiber würden ganz sicher nicht anders verfahren. Auch das Umweltministerium als Aufsichtsbehörde werde darauf achten, dass sich die Abfallerzeuger - in diesem Fall die EnBW - strikt daran halten, glaubt Ginter.
"Wir haben viel erreicht"
"Andernfalls gibt es keinen Freigabebescheid", betonte auch AWN-Bereichsleiter Thomas Gambke, der wie Dr. Ginter an der Ausarbeitung der "Handlungsanleitung" unmittelbar beteiligt war.
Neben den Prüfungen selbst sind für das Material weitere Vorkehrungen verbindlich. Nur verplombte Container dürfen zur Deponie gebracht werden. Außerdem soll die Anlieferung des Materials auf ein Zeitfenster von jeweils wenigen Tagen im Jahr reduziert bleiben. "Wir haben viel erreicht. Mehr war aus unserer Sicht nicht zu machen", betont der AWN-Geschäftsführer rückblickend. "Die Last der Annahme des Schutts wird uns niemand abnehmen. Nach aktuellem Stand werden wir keine alternativen Entsorgungswege beschreiten können, obwohl es die nach unserer Auffassung gegeben hätte. Zum Beispiel in der Untertagedeponie in Heilbronn", so Ginter weiter.
Das Land poche jedoch mit aller Macht auf die Entsorgungspflicht der Kreise. Dennoch habe man es geschafft, die Entsorgung zu einem überregionalen Thema zu machen, eine Vielzahl von anerkannten Experten an einen Tisch zu holen und einen landes-, voraussichtlich sogar bundesweit einheitlich geregelten Umgang mit dem Material zu bewirken. "Die Entsorgungsstandards wurden deutlich angehoben und wir haben nun eine lückenlose Überwachung des Materials, was gegenüber dem vorherigen Prozedere einem Quantensprung gleichkommt", so Ginter.
Und weiter: "Wir haben nun eine hundertprozentige Kontrolle für diesen Bauschutt, der -objektiv betrachtet - völlig unbedenklich ist." Dies bestätigte gestern auch Christian Küppers vom Institut für angewandte Ökologie (Darmstadt). Für Deponiebeschäftigte und schon gar nicht für die Bevölkerung bestehe eine Gesundheitsgefahr. "Insofern sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Gesundheitsgefährdung bei weniger als eins zu zehn Millionen pro Jahr liegt", so Küppers.
Laut Dr. Ginter liegen aktuell keine Anfragen für eine Anlieferung von Bauschutt aus Obrigheim vor.
Zum Thema
- Artikel "Mit dieser Anleitung schaffen wir Transparenz"
- Artikel "Roland Burger lehnt Deponierung weiterhin ab"
- Kommentar "Große Strahlkraft"
Chronologie der Ereignisse
- 13. Dezember 2012: Uli Sckerl (Grüne), fragt nach, warum Rückbaumaterial vom KWO in Sinsheim und nicht in Buchen eingelagert wurde.
- 9. Juli 2013: Schreiben von Landrat Dr. Achim Brötel an Umweltminister Franz Untersteller mit dem Wunsch nach Moderation des Prozesses.
- 31. Juli 2013: Anwort des Ministers. Eine Moderation wird mit Verweis auf die Rechtslage abgelehnt.
- 29. Oktober 2013: Die Bürgerinitiative Bigmueg wendet sich an die Öffentlichkeit und äußert Bedenken.
- 14. November 2013: Schreiben von Landrat Brötel an Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
- 2. Dezember 2013: Der Buchener Gemeinderat spricht sich einstimmig gegen eine Annahme von Rückbaumaterial aus Obrigheim aus.
- 12. Dezember 2013: Schreiben von Ministerin Silke Krebs an Landrat Brötel. "Keine Gefährdung der Bevölkerung zu befürchten".
- 8. Januar 2014: Bürgerinitiative Bigmueg übergibt in Stuttgart rund 2000 Unterschriften an das Umweltministerium.
- 28. Januar 2014: Offener Brief von Umweltminister Untersteller an die Bürger der Region.
- 29. Januar 2014: Pressekonferenz der AWN. FAQ-Liste wurde erstellt. gf
"Handlungsanleitung"
Durch die in der "Handlungsanleitung" aufgezeigten Zusatzmaßnahmen werden zwei Dinge sichergestellt:
- Nur freigemessene Abfälle, die zweifelsfrei aus dem Geltungsbereich des Atomgesetzes entlassen sind und als Abfälle dem Kreislaufwirtschaftsgesetz unterliegen, werden auf Deponien angenommen.
- Es gibt einen einheitlichen Umgang mit diesen Abfällen auf Deponien.
Zusatzmaßnahmen sind neben der lückenlosen Kontrolle unter anderem:
- Verplombung der Anliefercontainer.
- Staubminimierung bei der Anlieferung durch Verzicht auf lose Schüttung.
- Abdeckung des Abfalls nach dem Ende des Einbaus.
- Dokumentation des Einbauorts, um spätere Eingriffe in diesen Bereich der Deponie zu vermeiden.
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