Unterschüpf. Die Band „Quadro Nuevo“ gab in der Kulturkirche in Unterschüpf ein beeindruckendes Konzert.
Das letzte Lied dann im Dunkeln der Kirche, alle Scheinwerfer abgeschaltet, gespannte Stille, die Musiker nur noch umrisshaft zu erkennen: „Ikarus Dream“, eine Komposition von Quadro Nuevo, die auf dem höchsten Gipfel der Ost-Ägäis entstand, unweit des Meeres, in das die mythologische Gestalt des Ikarus auf seinem Flug in die Freiheit abgestürzt sein soll. Der alte Traum, dem Schicksal entrinnen zu wollen.
Mulo Francel bewegte sich mit seiner Klarinette in traumhafter Leichtigkeit in die Mitte der Kirche und lotete Höhen und Tiefen des Raums aus. Noch ein Lied zuvor wurde das Ensemble mit Standing Ovations gefeiert, nach „Ikarus Dream“ war der Applaus fast verhalten, also ob das Klatschen der Hände einen begnadeten Augenblick unterbräche.
Mulo Francel (Saxophon, Klarinette), Andreas Hinterseher (Akkordeon), D.D. Lowka (Kontrabaß) und Tim Collins (Vibraphon) verneigten sich noch einmal und verabschiedeten sich nach einem großartigen Konzert. Das Publikum hingerissen, weil es mit elementarer Kreativität in Kontakt gekommen ist. Kreativität, mit der Quadro Nuevo mal tänzerisch leicht im Tango beflügelt, mal trancehaft in weitläufigen und dynamischen Rhythmen eines Arrangements des ägyptischen Oud-Spielers Basem Darwisch betört.
Quadro Nuevos virtuoses Spiel verführt zur je größeren Freiheit, Mensch zu sein. Auf ausgedehnten Reisen lebt und arbeitet das Ensemble weltweit mit lokalen Musikern. Was dann entsteht, ist Weltmusik, die die Tiefe menschlicher Erfahrung auslotet. Eine radikal offene Haltung wird spürbar, die Grenzen des Festgelegten und vermeintlich Gewissen aufbricht und neugierig auf das Leben macht, das sich ereignet. Solche Freiheit war im Raum der Kulturkirche zu erleben: „An manchen Orten geht das prima: komplett akustisches Spiel ohne Verstärkeranlage. Nur ein kleiner Bass-Verstärker und Ansagemikro.
Ansonsten klangliches Verschmelzen mit dem natürlichen Raumklang“, beschrieben die Musiker ihren Auftritt in der Kulturkirche. Und Mulo Francel zeigte sich erfreut über eine „der Kulturaura gewidmete, offene Kirche“ – samt Pfarrhaus und Pfarrgarten, das sich in eine gastliche Backstagezone der Künstler verwandelte.
Pfarrer Dr. Kücherer war beglückt, dass mit Quadro Nuevo jene Musiker erstmals in Unterschüpf auftraten, die mit ihrer künstlerischen Kreativität den Aufbruch zur Kulturkirche vor Jahren maßgeblich inspirierten. Gehört Quadro Nuevo zu den besten weltmusikalischen Jazzensembles, so bleiben die Musiker in ihrem Spiel hautnah und in ihren bisweilen urwüchsig gewitzten Moderationen sympathisch zugänglich.
Beim Konzert in Unterschüpf wurden sie von Tim Collins unterstützt, einem aus dem Bundesstaat New York stammenden US-amerikanischen Jazzmusiker, der mit seinem Vibraphon zu zaubern vermag. Also ein wunderbarer Nachmittag mit einem wunderbaren Ensemble. Schön, wenn das Team der Kulturkirche in Kooperation mit der Evangelischen Erwachsenenbildung Odenwald-Tauber Räume der Begegnung ermöglicht, in denen sich Inspiration zu mehr Menschlichkeit ereignet. Kulturelle Freiräume, die in Zeiten mehrfacher Krisen bitter nötig sind.
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