Fünfstellige Schadenssumme

Boxberg: Wurde eine Familie Opfer einer perfiden Betrugsmasche?

Ein Garten- und Landschaftsbauer lässt einen Garten so verwüstet zurück, dass er unbenutzbar ist. Die Familie sieht Kriminelle am Werk, der Unternehmer wehrt sich

Von 
Simon Retzbach
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Die Außenanlage des Grundstücks ist durch die unfertigen Arbeiten nicht benutzbar, an einer Außentüre klafft ein gut zwei Meter tiefer Abgrund. © Retzbach

Tauber-Odenwald. „Ich schlag dir den Schädel ein!“, brüllt ein Mann ins Telefon. Dass man in einem Gespräch über möglichen Betrug im Garten- und Landschaftsbau plötzlich diese Todesdrohungen hört, ist nur eine der zahlreichen kuriosen Wendungen im Fall der Familie Müller aus dem Raum Boxberg. Die Außenanlage ihres Hauses befindet sich in einem Zustand, der die Benutzung unmöglich macht - und das seit nun schon knapp einem Jahr. Dass die Außenanlagen mancher Wohnhäuser längere Zeit etwas unfertig aussehen, lässt sich wohl in jeder Wohnsiedlung beobachten. Viele Hausherren haben oft keine Zeit oder finanzielle Mittel, diese herrichten zu lassen. Insofern wäre der Anblick am Haus der Familie Müller nichts besonderes. Doch kennt man die Hintergrundgeschichte, erscheint der Vorgang um den unfertigen Garten der Müllers in anderem Licht. Denn was sie im FN-Gespräch erzählen, klingt nach einer perfiden Betrugsmasche. Doch zuerst: Familie Müller heißt eigentlich anders. Ihre Namen wurden von der Redaktion geändert. Zum einen, weil ihnen ihr Schicksal sichtlich peinlich ist. Zum anderen, weil sie befürchten, dass ihr ehemaliger Auftragnehmer M. sie bedroht, wenn der Name in der Zeitung steht. Sie wollen trotzdem erzählen, was ihnen passierte. Auch, um andere zu warnen.

Durch Anzahlungen für Baumaterial gingen der Familie mehr als 20.000 Euro verloren

Begonnen hatten die Probleme mit der Suche nach einem Anbieter für Garten- und Landschaftsbau (kurz Galabau), der die marode Außenanlage instand setzen sollte. Schnell fand sich ein Anbieter aus Buchen. Eine Natursteinmauer und eine große Zisterne sollten gesetzt, eine Treppe errichtet und verschiedene Erdarbeiten ausgeführt werden. Auf Initiative der Familie hielten der Anbieter aus Buchen und die Boxberger Familie das Angebot schriftlich fest. Die Familie war anfangs misstrauisch. Nachdem sie jedoch eine andere Baustelle des Galabauers besichtigten, zerstreuten sich diese Bedenken. „Es ging gut los. Die Arbeiter kamen recht schnell nach Angebotsvereinbarung“, erzählt Familienvater Manfred. Täglich seien sie mehrere Stunden da gewesen und hätten unter Anweisung von Galabau-Chef M. Arbeiten ausgeführt. Doch schon nach einer Woche gingen die Probleme los, der Materialnachschub kam ins Stocken - und mit ihm die Arbeiten. Irgendwann kam niemand mehr zu den Müllers. Bis heute. Tiefe Gräben ziehen sich durch das Grundstück, an verschiedenen Stellen sind Erdhügel mit Teilen der abgerissenen alten Gartenmauer aufgeschüttet und Baumaterial liegt unbenutzt herum. Durch Anzahlungen für dieses Material sind der Familie bereits 25.000 Euro verloren gegangen.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Zu Beginn war sogar der Chef (links) persönlich vor Ort, um die Arbeiter anzuleiten. © FN

Da stellt sich natürlich die Frage: Hätte man misstrauisch werden müssen? Die angegebene Geschäftsadresse auf dem handschriftlichen Vertrag zeigt ein Wohnhaus in Buchen ohne irgendein Zeichen, dass hier ein Betriebssitz ist. In dem Haus wohnt die Familie M., Geschäftsführer soll aber ein V. K. sein, dessen Initialen auch Teil des Firmennamens sind. Die Müllers wogen sich in (falscher) Sicherheit: „Man denkt, solange die Bagger auf dem Grundstück stehen, wird es schon weitergehen. Von wegen!“ Sie begannen, Nachforschungen anzustellen, sprachen mit Arbeitern des Mannes auf einer anderen Baustelle. Hier erfuhren sie, dass die Männer selbst noch offene Lohnforderungen gegen den M. haben. Auch die Bagger sind scheinbar eine (be-)trügerische Illusion. „Irgendwann im Sommerurlaub bekamen wir einen Anruf von Nachbarn, dass ein Mann vor unserer Tür steht. Er ist der Besitzer des Baggers und wollte ihn abholen, weil der M. ihm dafür noch 6.000 Euro schuldet“, schildert die Tochter der Müllers. Mit geliehenen Geräten und unbezahlten (nicht registrierten) Arbeitern aus dem Ausland erweckte der Buchener Unternehmer den Eindruck einer seriösen Firma. Dabei muss er sehr überzeugend vorgegangen sein. „Er hatte für alles einen lockeren Spruch oder eine Erklärung parat, kennt aus dem Kopf die Preise für Material und Arbeiten“, erinnern sich die Müllers an Gespräche mit dem Unternehmer.

Die unfertige Außenanlage ist seit März 2024 unberührt. Ursprünglich lagen die Baumaterialien sogar direkt in der Einfahrt und blockierten diese, Freunde der Familie räumten sie beiseite. © Retzbach

Einzig mit der Ehrlichkeit gab es scheinbar ein Problem. Denn im Gespräch mit Geräteverleihern aus der Region, die Geräte an M. verliehen hatten, werden offene Rechnungen in fünfstelliger Höhe bekannt. Einem weiteren Geschädigten in Rittersbach soll durch nicht beendete Galabau-Arbeiten ein Schaden von rund 35.000 Euro entstanden sein. Einer der Geräteverleiher lässt den FN eine Tondatei zukommen, in welcher der Mann - angesprochen auf ausstehende Gelder - die eingangs erwähnte Todesdrohung und etliche Beleidigungen ausstößt. Die Geräteverleiher bestätigen zudem, was schon den Müllers aufgefallen war: Der Mann verwendet augenscheinlich zwei verschiedene Namen, signiert Verträge wie den der Müllers unter anderem Namen. Erst nach Vorsprache bei der Polizei erfahren sie den vermeintlich richtigen Namen des Mannes. Für die Boxberger hat der mutmaßliche Betrug gravierende Folgen. „Wir haben das Geld mühsam zusammengespart. Jetzt können wir nicht mehr weitermachen“, erzählen sie. Durch den Stress habe Familienvater Manfred eine behandlungsbedürftige Herzerkrankung bekommen. „Nach so etwas schlafen Sie nachts nicht mehr gut“, beschreibt er bedrückt seine aktuelle Situation. „Wir können jetzt nichts mehr machen, außer andere zu warnen“, erzählt Manfreds Tochter Andrea. Denn sie fürchten weitere Fälle: „Der macht auf jeden Fall so weiter.“ Durch weitere Recherchen und eine Anzeige bei der Polizei erfahren sie: Es gibt noch weitere unfertige Baustellen und auch einschlägige Anzeigen - unter anderem durch die Geräteverleiher, mit denen die FN sprachen. Die Staatsanwaltschaft Mosbach wollte keine Stellungnahme abgeben, man kommentiere mit Blick auf laufende Verfahren grundsätzlich nichts.

Im Internet bewirbt der Mann mit großen Worten weiterhin seine Dienstleistungen

Äußerst gesprächsbereit zeigte sich der beschuldigte Unternehmer. Er sei nur angestellt in besagter Firma und auch ansonsten ließen sich Vorwürfe der Familie und Geräteverleiher widerlegen. „Da ist viel schief gelaufen, auch auf unserer Seite. Das hatte sich aufgebauscht“, beschreibt er die Lage aus seiner Sicht. Die Verleiher hätten ungeeignetes Gerät geliefert, die Bauherren stetig neue und umfangreichere Ansprüche gestellt und auf Angebote zur Konfliktlösung im Oktober 2024 sei nicht mehr reagiert worden. „Wir wollten auf eine normale Lösung hinaus“, so M. mit Blick auf die abrupt beendete Baustelle der Müllers. Für die unterschiedlichen Namen gibt es laut seiner Aussage eine simple Erklärung: Es handle sich um den Geschäftsführer K. und ihn selbst, der als gleichberechtigter Angestellter ebenfalls Unterschriften geleistet habe. Offene Rechnungen bei den Geräteverleihern würden derzeit beglichen. „Als kleines Unternehmen gerät man schnell in Schieflage, wenn Kunden nicht bezahlen. Deshalb werden wir auch nach dem Abschluss letzter Arbeiten die Firma schließen“, so das Fazit des Mannes.

Doch der Fall bleibt rätselhaft. Denn die unterschiedlichen Unterschriften sollen stets vom selben Mann geleistet worden sein, da ist sich Manfred Müller sicher. Auch den Geräteverleihern hat sich der Mann wohl als K. vorgestellt - ehe auch hier die Polizei die wahre Identität enthüllte. Ob der Betrieb wirklich zeitnah eingestellt wird, wie von M. behauptet, darf bezweifelt werden. Auf verschiedenen Serviceportalen im Internet bewirbt er mit neuem Profil Dienstleistungen und bezeichnet sich als „Inhaber eines renommierten Unternehmens in Buchen (Odenwald), das sich auf Garten- und Landschaftsbau spezialisiert hat.“ Desweiteren ist von „vielen zufriedenen Kunden“ und einer „Leidenschaft für hohe Qualität“ die Rede. Eine gewisse Selbstkritik wie im Telefonat? Fehlanzeige, denn weiter schreibt er: „Darüber hinaus wurde Herr M. als einer der besten Innendesigner in Buchen und dem Neckar-Odenwald-Kreis ausgezeichnet.“

Redaktion

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