Nachfolgeprozess

Boxberg: Wenn Familie und Betrieb aufeinandertreffen

Jasmin Wild hilft, einen Familienbetrieb erfolgreich in die nächste Generation zu überführen.

Von 
Linda Hener
Lesedauer: 
Jasmin Wild (rechts) begleitet bei Nachfolgeprozessen in Familienunternehmen – wie im Fall von Marion Winkler (links) und ihrem Vater. Die Gespräche finden oft in naturnaher Umgebung statt. © Lina Hener

Boxberg. Wie gelingt es, einen Familienbetrieb in die nächste Generation zu überführen – ohne dass zwischenmenschliche Konflikte oder unklare Rollen den Weg versperren? Eine, die hier mit ihrer Coaching-Expertise ansetzt, ist Jasmin Wild aus Boxberg. Sie begleitet Familien bei Nachfolgeprozessen – mit besonderem Fokus auf Kommunikation und die Identitätsfrage. So half sie beispielsweise Marion Winkler und ihrem Vater bei der Übergabe.

Besondere Beratungssituation als Anreiz

„Ich wollte immer mit Entscheidern arbeiten – mit Menschen, die durch ihre Strahlkraft Lebensfreude an ihre Teams weitergeben“, antwortet Jasmin Wild bei einem Treffen in der Gartenanlage Leutlein bei Schweigern auf die Frage, weshalb sie sich diese besondere Beratungs-Konstellation ausgewählt hat. An diesem Tag ist sie dort mit Marion Winkler bei einem Outdoor-Coaching unterwegs. Die beiden besprechen Zukunftsthemen und Lösungen für strategische Herausforderungen. Die junge Unternehmerin hat den Biokisten-Betrieb Wino Bio von ihrem Vater übernommen und für die vielschichtige Aufgabe als Geschäftsführerin holt sie sich Unterstützung bei Jasmin Wild.

Aus neutraler Perspektive blind Flecken aufdecken

„Mit Jasmin habe ich jemanden gefunden, der mir eine neutrale Perspektive bietet und auch blinde Flecken erkennt“, begründet Marion Winkler diese Entscheidung. Sie hatte die Boxbergerin zunächst über deren Podcast zum Thema Teamführung wahrgenommen und dann live bei einer Veranstaltung als Moderatorin erlebt. Der positive Eindruck blieb hängen – und führte zur Zusammenarbeit: Die Chemie stimmte. „Mir war wichtig, jemanden Externes dabeizuhaben, um die Kommunikation zwischen meinem Vater und mir zu erleichtern. Dadurch konnten wir potenzielle Konflikte – wir beide sind etwas sturköpfig – rechtzeitig entschärfen.“

Was sonst in Familien meist hinter verschlossenen Türen besprochen wird, wird in einem solchen Coaching offen thematisiert – bei den Winklers zu Beginn im Rahmen einer sogenannten „Workation“, also einer Arbeitsauszeit im Hotel. Dabei ging es um Bereiche wie Rollenverteilung, Verantwortung, Erwartungen und Perspektiven. Auch private Entscheidungen und Planungen wie eine mögliche Familiengründung wurden offen angesprochen. „Mein Vater hat sich auf dieses ‚Experiment‘ eingelassen“, ist die 32-Jährige dankbar für seine Offenheit, eine dritte Person in die Gespräche hinzuzunehmen.

Mehr als nur eine Betriebsübergabe

Für Jasmin Wild ist klar: In Familienunternehmen treffen zwei komplexe „Systeme“ aufeinander – Familie und Betrieb. Das macht Nachfolgeprozesse zu einem besonders sensiblen Thema. „Es geht nicht nur um einen formalen Wechsel, sondern um Identitäten“, betont sie. „Wie positioniert sich die Tochter? Was will sie vielleicht anders machen als der Vater? Und wie geht dieser damit um, dass er Verantwortung abgibt – oft für ein Lebenswerk?“

Im Fall von Marion Winkler wurde der Betrieb nicht vollständig übergeben – sie leitet den Bereich des Biokisten-Vertriebs, während Vater Jürgen Winkler bis heute den landwirtschaftlichen Bereich des Unternehmens führt. Außerdem ist er ehrenamtlich und politisch aktiv. „Er könnte sich auch vorstellen, eine Heckenwirtschaft aufzubauen“, erzählt sie: „Ich glaube deshalb, er würde mit einer kompletten Übergabe nicht in ein Loch fallen.“

Genau das sei entscheidend, bestätigt Jasmin Wild: „Die ältere Generation braucht für eine gesunde Übergabe eine neue Identität jenseits der Geschäftsführung.“

Das Loslassen kann zur größten Herausforderung werden

Doch nicht in allen Familien funktioniert das so harmonisch. Es gebe Fälle, in denen der Vater nur über seine Rolle als Geschäftsführer oder Gesellschafter den eigenen Selbstwert definiere. „Dann kann der letzte Führungsakt – das Loslassen – zur größten Herausforderung werden.“

Für Marion Winkler war lange nicht klar, dass sie den Familienbetrieb übernehmen würde. Ihre Eltern hätten sie dahingehend nie unter Druck gesetzt: „Die Idee ist mit der Zeit gereift“, blickt sie zurück. Ihr BWL-Studium an der Dualen Hochschule wählte sie jedoch bewusst – es war ein Schritt in Richtung Unternehmertum. Die offizielle Übergabe zum Jahreswechsel 2020/21 erfolgte auf beidseitigen Wunsch und passte für Vater und Tochter zeitlich in die persönliche Entwicklung.

Doch auch wenn man vorbereitet ist: Die Führungsrolle ist kein Selbstläufer. Wie sagt man es dem Team? Wie nimmt man die Belegschaft mit? „Ich habe von unseren Mitarbeitenden nie etwas Negatives gehört“, erzählt Winkler. „Gut war allerdings, anfangs habe ich mich wie eine normale Angestellte eingebracht und mein Können gezeigt.“ Dennoch sei es oft eine Herausforderung, sich als „Tochter von“ zu behaupten. Außenstehende würden nicht selten vermuten, einem werde „alles geschenkt – aber was es bedeutet, sich dauerhaft beweisen zu müssen und unter Beobachtung zu stehen, wissen die wenigsten“, bestätigt Jasmin Wild.

Das Unternehmen sitzt mit am Mittagstisch

Das Spannungsfeld zwischen Familie und Firma sei ein täglicher Begleiter. „Das Unternehmen sitzt mit am Mittagstisch“, gibt Marion Winkler zu bedenken. Schon in ihrer Kindheit war das so. Diese Verzahnung, verdeutlichen beide, könne Folgen haben: „Wenn es in der Familie hakt, überträgt sich das ins Unternehmen – und umgekehrt. Es gebe sogar Familien, die sich spalten, weil der Betrieb immer wieder Konflikte neu entfacht.

Um eben genau dem entgegenzuwirken, ist für Jasmin Wild ihre Begleitung bei Nachfolgeprozessen in Familienunternehmen ein Herzensthema. Ihr Fokus liegt auf der zwischenmenschlichen Ebene. Jasmin begleitet Übergeber und Nachfolger in allen Phasen des Generationswechsels. Dabei stellt sie die zentralen Fragen, die oft unausgesprochen bleiben: Wie schaffe ich es als Übergeber, mein Lebenswerk loszulassen und eine neue, sinnstiftende Aufgabe zu finden? Und: Wie gelingt es mir als Nachfolger, voll in die Verantwortung zu kommen und meinen eigenen Führungsstil zu entwickeln?

Jasmin bietet dazu Einzel- und Teamcoachings, moderiert Familiengespräche sowie strukturierte Workation-Einheiten – oft in naturnaher Umgebung oder neutralem Raum wie im Leutlein, aber auch an den Lieblingsorten ihrer Klientinnen und Klienten.

Weitere Infos unter: jasminwild-mentoring.de

Freie Autorin

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke