Boxberg. „Schon als Jugendliche habe ich meinem Vater gesagt, dass ich einmal Chefin im Rathaus werde“, erzählte die frischgebackene Wahlsiegerin Heidrun Beck am Wahltag Ende März 2021. Vier Jahre ist Heidrun Beck inzwischen Bürgermeisterin in Boxberg. Im Gespräch mit den FN blickt sie auf die „erste Halbzeit“ zurück – und benennt Themen, die sie und die Stadt weiterhin beschäftigen werden.
Frau Beck, schon früh war Bürgermeisterin in Boxberg ihr Berufswunsch, jetzt sind die ersten vier Jahre vorbei. Welche Bilanz ziehen Sie?
Heidrun Beck: Vier Jahre gehen unheimlich schnell vorbei. Die Bilanz fällt tatsächlich durchwachsen aus. Es sind viele Dinge noch nicht so weit, wie ich sie gerne hätte. Ich wäre mit vielem, wie etwa dem Themenkomplex Schule, gerne schon viel weiter. Und die Bürokratie lähmt uns, die spüren wir jeden Tag. Das sind die Schattenseiten des Berufs. Als Kind hatte ich diese noch nicht so im Kopf.
Ist die Bürokratie in den vier Jahren schlimmer geworden?
Beck: Ja, in manchen Dingen schon.
Obwohl es anders versprochen war und immer wieder Bürokratieabbau versprochen wurde?
Beck: Wir spüren insgesamt keine Erleichterung. Zwar gibt es bei der Vergabe eine kleine Erleichterung, aber wir haben in vielen Dingen jetzt viel mehr Vorschriften und Verordnungen. Wieviele Fortbildungen und Unterweisungen meine Mitarbeiter heute brauchen... das sind drei Wochen Fortbildung für jeden einzelnen pro Jahr. Das können wir gar nicht mehr bewerkstelligen, wir lähmen uns dadurch selbst. Wieviele Statistiken wir mittlerweile abgeben müssen. Ein Beispiel: Wir sind gesetzlich verpflichtet, einen Ganztagesbetrieb in der Kinderbetreuung anzubieten. Das erste, was geschaffen wurde, war die Stelle für die Statistik. Es ist immer noch ein Traumberuf, Bürgermeister zu sein, aber es ist im Alltag nicht leicht.
Was sind denn aktuell die größten Baustellen in Boxberg?
Beck: Feuerwehr, Kindergarten, Schule (lacht). Die Themen sind immer noch die gleichen, aber es tut sich was. Wir sind in einem guten Lauf. Die ersten Arbeiten für die Mensa am Schulzentrum haben begonnen, der Bauantrag für die Grundschulaufstockung wurde abgegeben, um hier mehr Kapazitäten für die Ganztagesbetreuung zu schaffen. Schritt für Schritt kommt dann im Anschluss die Realschule.
Bürgermeister in der Heimatgemeinde ist sicher nochmal etwas Besonderes. Nimmt man da die eigene Gemeinde und die Menschen noch einmal anders wahr?
Beck: Dadurch, dass ich nicht hier lebe, habe ich einen gewissen Abstand. Aber ich komme von hier, habe hier meine Wurzeln. Allerdings komme ich aus einem Ortsteil, Bobstadt. Und wir sind hier schon noch sehr heterogen, die Ortsteile sind sehr verschieden. Ich habe also einen professionellen Abstand zu den meisten, trotzdem bin ich natürlich gerne unter Leuten.
Dieser Abstand kann auch eine Erleichterung sein, oder?
Beck: Es ist durchaus eine Erleichterung, zuhause bei der Familie zu sein und zu wissen: Ja, jetzt habe ich Feierabend. Aber erreichbar ist man natürlich immer. Außerdem ist es gut, jeden Morgen mit einem neuen Blick von außen zu kommen. Ich kriege auch mit, wie es woanders läuft und was man hier verbessern könnte.
Was waren die wichtigsten Projekte der ersten vier Jahre? Was ist besonders gut gelungen?
Beck: Tatsächlich laufen die wichtigsten Projekte alle noch. Ich finde, wir haben eine sehr gute Grundlage für die Feuerwehr geschaffen. Da möchte ich weiter drauf aufbauen, um künftige Aufgaben zu meistern.
Probleme gibt es auch da noch. Stichwort Uiffingen, wo noch unklar ist, wie das Feuerwehrhaus gebaut werden soll.
Beck: In Uiffingen haben wir die Ausschreibungen für den Bau zurückgenommen, weil die tatsächlichen Kosten den Rahmen komplett gesprengt haben. Wir haben das dann alles nochmal überarbeitet und dabei kritisch hinterfragt. So konnten wir die Kosten minimieren und haben aktuell wieder Ausschreibungen laufen. Die Angebotsabgabe findet zeitnah statt und wir hoffen auf eine Vergabe im Mai. Der Standort bleibt wie geplant. Weil wir mit diesem Gebäude mittendrin natürlich auch zum Ortsbild beitragen. Wir wollen da keine Brachlandschaft belassen, sondern mittendrin einen Treffpunkt für die Feuerwehr haben.
Welche Projekte stehen im Feuerwehrwesen noch an?
Beck: Die großen Schritte wären nochmal die Feuerwehrgebäude für Windischbuch und Unterschüpf. Beide sind laut Feuerwehrbedarfsplanung nicht groß genug. Gleichzeitig haben wir in Unterschüpf auch eine eher schwierige Situation mit der Ausfahrt, zum einen mit dieser Engstelle durch die Häuser und zum anderen mit dem Mannschaftstransportwagen, der über den Schulhof ausrückt. Das ist eher unglücklich. Da sind wir derzeit am Erwerb eines Grundstücks, müssten dann dort einen Bebauungsplan machen. In Windischbuch haben wir zum Glück das Grundstück. Da wird es bei einem positiven Bescheid für einen Zuschuss in die weitere Planung gehen.
Und welche Projekte waren außerhalb der Feuerwehr noch wichtig?
Beck: Was weniger sichtbar, aber dennoch wichtig war: Die Abschaffung der unechten Teilortswahl. Es ist natürlich schade, dass nicht mehr jedes Ort vertreten ist, das tut mir für die kleinen Ort natürlich leid. Aber die eine Stimme wird am Ende das Ruder nicht herumreißen. Ich hoffe, dass wir durch die Abschaffung nochmal mehr zusammenwachsen können.
Erste Erfahrungen gibt es, erste Sitzungen seit der Wahl 2024 sind gelaufen. Gab es Rückmeldungen, dass sich manche Orte schlechter vertreten fühlen?
Beck: Zum Großteil nehmen wir Bedenken aus Ortsteilen immer ernst. Der Großteil des Gemeinderats denkt aber tatsächlich gesamtstädtisch und nicht nur auf seinen Ort bedacht. Das finde ich sehr schön und mit dem neuen Gemeinderat gibt es bislang eine sehr gute Zusammenarbeit.
Boxberg ist finanziell noch in einer vergleichsweise komfortablen Lage. Gleichzeitig laufen aktuell Großprojekte, für die in den kommenden Jahren immer wieder große Summen benötigt werden. Macht ihnen die Finanzlage trotz der aktuell guten Situation schon Sorgen, sehen Sie Sparzwänge?
Beck: Ja, durchaus. Wir müssen uns bei jeder zusätzlichen Leistung oder Personaleinstellung immer überlegen: Können wir das in Zukunft noch tragen, brauchen wir das wirklich? Dinge zurücknehmen ist immer schwieriger, als etwas grundsätzlich nicht einzuführen. Das macht mir Sorgen, aber keine Angst. Angst ist ein ganz schlechter Ratgeber. Aber ich bin auch voller Hoffnung, dass wir das gut meistern können. Wir sind hier im Rathaus sehr gut aufgestellt mit einem hervorragenden Kämmerer.
Die Zahlen, gerade im Bereich der Schulen, sind beachtlich.
Beck: Wir planen inklusive der Mensa mit insgesamt 20 Millionen Euro an Investitionen. Das ist eine enorme Summe, das hätte vor zehn Jahren wahrscheinlich die Hälfte gekostet. Aber die Steigerungen der Baukosten kann man einfach nicht vorhersehen, vor allem nicht die Extreme, die wir dann hatten. Aber trotz allem sind mir das die Kinder und Jugendlichen wert, das ist eine Investition in die Zukunft. Ohne Schule sind wir nichts – so bin ich angetreten und dazu stehe ich immer noch. Boxberg braucht eine gut funktionierende Schule.
In der Vergangenheit haben die FN im Rahmen einer Serie auch die Ortsteile von Boxberg in den Blick genommen. Da gab es, neben intaktem und regem Vereinsleben und Ehrenamt, auch die ein oder andere Sorge und Kritik. Beispiel Windischbuch: Hier bereiten die Verkehrssituation und der Standort der Firma Hofmann Menü Sorgen.
Beck: Ich kann die Menschen in Windischbuch da absolut verstehen. Ich habe aber tatsächlich keine andere Lage für Hofmann Menü. Es braucht den Anschluss ans Gewerbegebiet. Hofmann Menü ist einer der größten Betriebe vor Ort, als Stadt können wir uns einen Verlust des Unternehmens nicht erlauben. Wir werden aber natürlich darauf achten, dass der Bau für Windischbuch so verträglich wie möglich wird. Verkehr ist für Windischbuch ein brennendes Thema, das ist wirklich eine Belastung. Wir versuchen, was wir können, aber viel können wir beim Verkehr nicht beeinflussen.
Verkehr ist auch in Schweigern ein Thema, eine geänderte Verkehrsführung wurde schon thematisiert. Wie stehen Sie dazu?
Beck: Da ist bereits eine Geschwindigkeitsbegrenzung, die muss allerdings auch eingehalten werden. An sich ist dieser Bereich übersichtlich, wenn jeder sein Tempo einhält. Für eine Veränderung der Verkehrsführung wäre das Land erforderlich. Wir haben das bereits angeregt, es gab gute Ideen, aber bislang gab es keine finale Rückmeldung.
In Uiffingen gab es wohl die deutlichste Kritik an Ihnen. Der Stadtteil wirkt etwas wie ein Sorgenkind. Unter anderem wünscht man sich dort von Ihnen mehr Einsatz zum Erhalt des Kindergartens im Pfarrhaus.
Beck: Der Kindergarten in Uiffingen ist tatsächlich ein großes Sorgenkind. Geplant war eine Sanierung für 300.000 Euro. Bei genauerer Betrachtung der Planung sind wir auf einmal bei einer sehr hohen Kostensumme gelandet und waren mit zusätzlichen Problemen konfrontiert. Wir sind mit dem damaligen Ortsvorsteher auf die Idee eines Naturkindergartens als Bereicherung für ganz Boxberg gekommen. So hätten wir den Kindergarten erhalten können, aber eben nicht im Pfarrhaus. Einzelne Eltern haben sich dagegen lautstark gewehrt. Bei einer neuen Planung mit einem weiteren Architekten haben sich gewisse Umstände geändert, Kompromisse beim Denkmalschutz sind möglich. Man würde es baulich wohl hinbekommen, dennoch bleibt die Frage, ob man das Geld einsetzt. Letzte Schätzungen lagen noch unter einer Million Euro, aber ich habe Zweifel, ob das reicht. Ein Umbau im denkmalgeschützten Bestand ist immer mit Kompromissen verbunden, in diesem Fall zulasten der Kinder. Ich kann verstehen, wenn die Menschen dort den Kindergarten erhalten wollen, aber ich muss es gesamtstädtisch betrachten.
Ein Thema für die Gesamtstadt ist Freiflächenphotovoltaik und Windkraft. Was ist hier noch zu erwarten?
Beck: Es gibt die konkrete Planung für Angeltürn, dafür wurde ein Aufstellungsbeschluss gefasst. Weitere Flächen gibt es noch Richtung Lengenrieden, in Uiffingen gibt es noch recht viele privilegierte Flächen entlang der Autobahn. Aber momentan gibt es da keine konkreten Pläne. Bei der Windkraft tut sich noch viel, wir sind durch die Planungen des Regionalverbandes mit zwei Flächen in Schwabhausen und einer Fläche zwischen Uiffingen und Kupprichhausen betroffen. Es gab schon Gespräche mit Projektierern und Eigentümern. Klar ist: Sobald einer unterschreibt, wird es dort umgesetzt. Da nehme ich bislang auch keinen großen Widerstand aus der Bevölkerung wahr.
Mobilfunk wurde von mehreren Teilorten als Problem genannt. Was tun Sie da als Stadt?
Beck: Wir haben natürlich Bedarf und stellen Grundstücke zur Verfügung. Wir hoffen auf einen gewissen Druck aus der Politik auf die Anbieter. Als Stadt haben wir uns bemüht, dass ein 450-Megahertz-Funkmast aufgestellt wird. Da können sich auch andere Mobilfunkanbieter relativ günstig einmieten. Vor allem Epplingen ist noch ein großer, weißer Fleck beim Mobilfunk.
Wenn man durch Boxberg fährt, sieht man öfter mal den Rettungswagen an der Durchfahrtsstraße stehen. Sie würden den Standort gerne verstetigen.
Beck: Auf jeden Fall. Für uns gibt es nichts besseres, man fühlt sich gleich viel sicherer. Wir haben dem Roten Kreuz gleich signalisiert: Wir sind jederzeit bereit, mit anzupacken. Vielleicht könnte man das sogar mit einem neuen Feuerwehrhaus verbinden. Aktuell läuft aber noch die Probephase. Medizinische Versorgung sollte mehr in der Fläche gedacht werden und nicht nur entlang der Tauber.
2023 äußerten Sie in einem Interview den Wunsch, „Heimat und Kultur erlebbar“ machen zu wollen. Da ist mit Schlossbergfestspielen und Maimarkt auch schon etwas passiert. Was ist noch so geplant?
Beck: Die Schlossbergfestspiele kommen dieses Jahr ab dem 28. Juni wieder. Sogar mit mehr Terminen, weil die Karten in der Vergangenheit so schnell ausverkauft waren. Da freue ich mich schon drauf. Es wird fleißig geprobt. Die Maimesse ist unsere Großveranstaltung, auf die wir uns sehr freuen. Wir sind da erstmals in der Halle, das wird eine andere Messe als früher. Von Jung bis Alt ist für jeden was dabei.
Zum Abschluss noch ein allgemeiner Blick in die Zukunft. Was steht in den kommenden vier Jahren an?
Beck: Die jetzt geplanten Gebäude stehen dann hoffentlich alle und werden mit Leben gefüllt. Wir sind wieder bei den Themen Kindergärten, Schulen und Feuerwehr. Die sind wesentlich, ansonsten schwelen viele Dinge wie Arbeiten an Wasser- und Abwasserstrukturen unter der Oberfläche.
Abschließend: Welche Schlagzeile soll am Ende ihrer Amtszeit über Sie zu lesen sein?
Beck: Realistisch wären wir auch in vier Jahren beim Thema Schule, da könnten wir große Einweihung feiern. „Bildung und Betreuung vorangebracht“ fasst es vielleicht gut zusammen.
Jetzt wäre noch die früheste Möglichkeit, die Kandidatur für eine zweite Amtszeit anzukündigen.
Beck: Das will ich zu dem Zeitpunkt noch nicht verkünden, aber es ist natürlich durchaus realistisch. In vier Jahren bin ich 43, in der Blüte meines Lebens (schmunzelt).
Zur Person Heidrun Beck
- Sie wurde am 30. Mai 1985 als Heidrun Kappes in Bad Mergentheim geboren.
- Aufgewachsen ist sie in Boxberg-Bobstadt , lebt mittlerweile aber in Niederstetten.
- Nach dem Abitur am Wirtschaftsgymnasium 2004 studierte sie Rechtswissenschaften in Würzburg. Ihr Referendariat absolvierte sie am Landgericht Karlsruhe.
- In Niederstetten , wo sie seit rund sechs Jahren mit ihrer Familie lebt, wurde sie 2019 in den Gemeinderat gewählt.
- Dort hatte sie 2018 auch erstmals als Bürgermeisterin kandidiert . Sie unterlag mit rund 36 Prozent im ersten Wahlgang Heike Naber.
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