Angeltürn. Die schlanken Stängel sind kaum noch grün. In den Hülsen reifen die Körner heran. Es dauert nicht mehr lange, dann kann Christian Böres mit dem Mähdrescher anrücken. Was auf dem Acker am Ortseingang von Angeltürn wächst, sind Kichererbsen. Auf einem 40 Ar großen Versuchsfeld gedeihen vier unterschiedliche Sorten der Hülsenfrucht.
Bevor die Ernte ansteht, statten Dr. Carola Blessing, Geo-Ökologin beim Landwirtschaftlichen Technologiezentrums (LTZ) Augustenberg in Karlsruhe, und zwei Mitarbeiterinnen dem Feld noch einen Besuch ab. Sie wollen sehen, wie sich die Sorten in diesem sehr trockenen Jahr entwickelt haben. Um fundierte Ergebnisse zum Ertragspotenzial zu erhalten, werden Stichproben genommen.
2016 startete Christian Böres den Anbauversuch mit Kichererbsen. „Damit war ich der erste in der Region“, sagt er selbstbewusst. Im Jahr zuvor hatte er im heimischen Garten einige Körner ausgesät und war vom Ergebnis positiv überrascht. Also besorgte er sich Saatgut. Das sei gar nicht so einfach gewesen, berichtet der Nebenerwerbslandwirt. In Italien sei er schließlich fündig geworden. Zwei unterschiedliche Sorten hatte er auf einer rund 40 Ar großen Fläche ausgebracht, um mit der mit dem besten Ergebnis weiterzuarbeiten. Inzwischen hat er fünf Hektar der Hülsenfrucht auf seinem Land - und ein Teil ist bereits gedroschen.
Als er vor einigen Jahren die Landwirtschaft im Nebenerwerb von seinem Vater Gerhard übernommen hat, war klar: Neben Weizen und Dinkel fehlt noch das besondere Etwas, um eine Chance zur Wirtschaftlichkeit zu haben. Dann begann Böres zu experimentieren. Linsen und Buchweizen wurden probiert. Selbst Erdmandel, eine Gattung der Zyperngräser, kam in den Boden. Zufrieden war Böres allerdings nicht. Erst mit der Kichererbse hatte er seine Nische gefunden. „Das ist die einzige Frucht , die bei der Hitze trotzdem Ertrag bringt“, so Böres. Anderthalb bis zwei Tonnen je Hektar muss die Ausbeute sein. Familie Böres kennt das auch anders. Die Niederschläge im vergangenen Jahr waren für die Frucht zu viel, der Ertrag gering. Dafür sei der Wuchs größer gewesen. „Wir hatten glücklicherweise 2020 eine sehr gute Ernte“, wirft Vater Gerhard ein.
„Kichererbsen lieben sonnige und warme Standorte. Das ist eine Kultur, die auf die Sommertrockenheit nicht ganz so empfindlich reagiert“, sagt Dr. Blessing. Bei den sich verändernden klimatischen Bedingungen hat sie also für die Landwirte Vorteile. Je mehr Niederschläge, desto anfälliger werde die Pflanze für Pilzkrankheiten. Die Geo-Ökologin, die bereits in Australien mit der alten Kulturpflanze mit dem lateinischen Cicer geforscht hat, war 2016 durch einen Fachartikel auf Böres aufmerksam geworden. Schnell wurden erste Kontakte geknüpft und man steht seitdem im regen Austausch über Saatgut und Standort. Im vergangenen Jahr wurde in Angeltürn schließlich ein Versuchsfeld realisiert. Insgesamt sind drei Jahre für das Projekt im Rahmen der Eiweißinitiative des Landes vorgesehen. Auf sechs Versuchsfeldern in Baden-Württemberg werden die Sorten getestet, zwei davon sind im Main-Tauber-Kreis. Neben Böres engagiert sich übrigens der Wertheimer Landwirt Klein beim Feldversuch des LTZ.
Mit Qualität zufrieden
Die Mitarbeiterinnen des LTZ entnehmen einige Stängel mit den Früchten und zählen die Körner. Auch die Zahl der Pflanzen je Quadratmeter wird erfasst. Dr. Blessing ist zufrieden. Sie vermutet, dass der Ertrag der neuen Sorten bei rund ein bis zwei Tonnen liegen könnte. Auch die Qualität ist in ihren Augen gut.
Der Vorteil der Pflanzen für die Landwirte: Spritzmittel und Dünger werden nicht gebraucht. „Die Pflanze muss wüchsig sein, damit sie die Unkräuter unterdrücken kann“, so Blessing. Die können mechanisch behandelt werden. Dadurch sei sie auch für den Bioanbau interessant. Habe man die Beikräuter im Griff, müsse bis zur Ernte nichts mehr getan werden. Und während der Blüte könne man zahlreiche Insekten, vor allem Hummeln, auf den Feldern finden, erzählen die Landwirte.
Kichererbsen holen sich den Stickstoff aus der Luft. Dazu müssen sie mit artspezifischen Bakterien (Bradyrhizobium ciceri, Bradyrhizobium leguminosarum) geimpft werden. „Dann ist kein Zusatzdünger mehr nötig“, ergänzt Böres. Und auch beim Dreschen ist die Kulturpflanze, die gerne zu Hummus oder Falafel verarbeitet wird, pflegeleichter: Im Vergleich zur „normalen“ Erbse seien die Hülsen weiter weg vom Boden und auch nach Starkregen standfest. Weil der Eiweißlieferant rund zwei bis drei Wochen nach dem Getreide gedroschen wird, haben die Landwirte auch keinen Stress wegen der Erntezeit.
Anspruchslose Spezialkultur
Die Frage, ob die Kichererbse den gängigen Getreidesorten den Rang ablaufen könnte, zaubert der Wissenschaftlerin ein Lächeln ins Gesicht. „Nein, das wird eine Spezialkultur bleiben“, macht sie deutlich, auch wenn der Konsum in Zukunft sicherlich noch steigen werde. Aber es gebe zu wenige Möglichkeiten der Nutzung. „Bisher ist der Proteinlieferant nur in der Lebensmittelbranche einzusetzen.“ Neben Erbsen und Sojabohne nehme die Kichererbse nur einen kleinen Teil bei den Hülsenfrüchten ein. Weil die heimische Produktion mit der anschließenden Reinigung und Aufbereitung sehr teuer ist, sei es für die Konzerne nicht interessant.
Christian Böres, der als Maschinenbautechniker die Maschinen für die Weiterverarbeitung teilweise selbst konstruiert hat, schlägt den Weg der Direktvermarktung ein. Er verkauft einen Teil der Ernte im heimischen Hofladen und auf Bauernmärkten, hat mittlerweile aber auch Abnehmer in der Gastronomie gefunden.
Das Potenzial der neuen Sorten wollen auch Christian und Gerhard Böres nutzen. Sie haben schon mal geschaut, welche Sorte rein optisch die beste Figur macht. Nun warten sie auf das Ergebnis nach dem Dreschen. Auf die Falafel aus frischen Kichererbsen freuen sich die beiden schon.
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