Boxberg. Eine Gedenkwanderung zu den Kriegskämpfen Karsamstag 1945 veranstaltete der Heimatverein Boxberg am Ostermontag. Etwa 30 Interessierte folgten Lukas und Dr. Dieter Thoma von der Mediothek bis zum Friedhof Wölchingen. An sieben Stationen vermittelten Augenzeugenberichte das Chaos und die Angst ums eigene Überleben.
Am Karfreitagabend (30. März 1945) hatte Pfarrer Werner Mennicke noch erreicht, dass die vor Ort stationierten deutschen Truppen abzogen. Doch am Karsamstag-morgen rückten neue Soldaten an, meist junge kampfunerfahrene Reserveoffiziersanwärter (ROB). Ihr Auftrag: die Amerikaner bei Berolzheim aufhalten. Aber diese hatten schon Angeltürn erreicht. So zogen sich die ROB’ler kämpfend an dieBahnlinie und in die Wälder nach Wölchingen zurück. Die Amerikaner schossen von der Landstraße in die Wälder, ins 300 Meter entfernte Wölchingen und nach Boxberg hinein, bevor es auch noch zu Häuserkämpfen kam. Damit wurde der 31. März 1945 zu einem der leidvollsten Tage in der Geschichte von Boxberg und Wölchingen. Die Schreckensbilanz: über 60 getötete Soldaten, über 70 brennende Häuser.
Im Keller des evangelischen Pfarrhauses hatten sich über 30 Leute versammelt. Plötzlich bezog eine deutsche Kompanie, gut 60 Mann, den Keller. Pfarrer Mennicke erreichte, dass die Soldaten kampflos in den hinteren Keller rückten. Draußen wurde gekämpft und gestorben, die amerikanischen Panzer rollten vorbei. „Doch es geschah das größte Wunder meines Lebens. Es war, als ob unser Haus von Gottes Händen ausgespart wurde. Im Nachbarhaus wurden zwei deutsche Soldaten erschossen – uns geschah nichts.“ In der Dunkelheit konnte sich die Kompanie dann aus dem Keller schleichen.
Drei Häuser weiter erlebte die zwölfjährige Gisela Weber, wie ihr Elternhof in Brand geschossen wurde. Die Familie musste aus dem Keller flüchten, konnte aus dem Stall nur einen Gaul retten, und rannte über 500 Meter durch die Linien der schießenden Soldaten. Zwei Häuser daneben, schon Wölchinger Gemarkung, durchlebte Gertrud Volk ähnliche Todesängste. Sie konnte sich durchs Kellerfenster aus dem brennenden Haus retten. Am nahen Mühlkanal kauerte die Familie auf der Erde und musste zusehen, wie ihr Haus und die Gärtnerei ein Raub der Flammen wurden.
Währenddessen hatte sich am Wölchinger Ortsende der Fleischbeschauer Max Thoma mit Schnaps in den Keller zurückgezogen. Auf der einen Kellerseite Richtung Uiffingen sah er die zwei Wölchinger Mühlen in Flammen aufgehen. Auf der anderen Seite wurde die Hasengasse zum Feuermeer. Sein Tagebuch schildert die Ereignisse der Kar- und Osterwoche am ausführlichsten.
In der Gaisbach flüchtete die 19-jährige Hedwig Volk zunächst ein paar Häuser weiter. Als ihr Nachbarhof zu brennen begann, kehrte sie zum eigenen Gehöft zurück. Gegen 16.30 Uhr hörte sie den Ruf: „Alles raus – wir sollen das Dorf verlassen!“ Ihre Freundin Emilie Geißler war während der Schießerei mit Milch über die Gützäcker hoch zur Landstraße gelaufen. Sie erreichte bei den Amerikanern eine halbe Stunde Waffenstillstand. So konnten sich viele Zivilisten in Sicherheit bringen. Als Hedwig Volk am nächsten Morgen ins Dorf zurückkehrte, zählte sie acht tote deutsche Soldaten, alle mit Kopfschuss.
Die Gedenkwanderung führte schließlich zum Wölchinger Friedhof. Hier wurden 36 deutsche Gefallene beerdigt – fast alle jünger als 20 Jahre. „Symptomatisch für die Endphase des Krieges – die Jugend wurde verheizt.“ Der Friedenswunsch von Pfarrer Mennicke stand am Ende der Führung: „Möchte nie mehr Krieg werden!“
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