Die Künstler Michael Blümel und Lothar Lempp würdigen den 100. Geburtstag von Stanislaw Lem mit einer Ausstellung.
Bad Mergentheim. Wenn jemand hundert wird, ist das schon eine Ehrung wert, am besten eine Feier. Doch Jubiläumsfeiern hatten’s schwer in diesem Corona-Jahr. Ob sich nun die Geburts- und Todestage von Malern, Bildhauern, Autoren oder Komponisten jährten: jenseits von Biographien und Reprints tat man sich schwer, zumindest in Gemeinschaft zu würdigen, zu ehren und neu mitzuerleben, was Jubilar und Jubilarin geschaffen hatten.
Stur geblieben
So ging es auch den beiden Mergentheimer Künstlern Michael Blümel und Lothar Lempp, die sich vorgenommen hatten, den 100. Geburtstag von Stanislaw Lem gebührend zu würdigen. Zwei geplante Ausstellungs- und Performance-Termine mussten sie coronabedingt canceln. Da könnte einem leicht die Puste ausgehen. Die beiden aber blieben stur: Zumindest noch im Jahr des Hundertsten wollten sie eine Lem-Hommage präsentieren. Gut, dass es kunstfreundliche Unternehmen gibt: Das Architekturbüro Imhof und Kruhm ermöglichte die Umsetzung des Plans im Rahmen der bis zum 24. Februar zu erlebenden Ausstellung „GoLEM go!“ im „Forum in der Au“. Im Foyer und auf der Balustrade sind gut 40 von Stanislaw Lem inspirierte Arbeiten des gefragten Literaturillustrators Michael Blümel und etliche Kleinskulpturen und einzelne Großobjekte von Lothar Lempp zu sehen.
Einige Gäste mehr bei der Vernissage im „soft opening“-Format hätte man sowohl den beiden Künstlern als auch Stanislaw Lem gewünscht, denn Lempp und Blümel stellten ganz traditionell am Anfang des Events Lem vor. Der Philosoph, Essayist und erfolgreiche Science Fiction-Autor, dessen Geburtstag sich bereits am 12. September zum 100. Mal jährte, muss ein echt nervendes Kind gewesen sein, berichten sie. Vor Tisch forderte der Arztsohn Unterhaltung ein, und nicht gerade zaghaft: Wiederholt musste sein Vater erst auf dem Tisch tanzen, bevor sich der Filius bequemte, die Mahlzeit einzunehmen. Der hochintelligente und extrem quirlige Bursche zerlegte schon als Gymnasiast Motoren und entwickelte Ideen für Auto- und Flugzeugkonstruktionen. Lem war ein Sprachgenie, beherrschte neben der polnischen Muttersprache Latein, Deutsch, Englisch, Französisch, dazu Russisch und Ukrainisch.
Vielseitig gebildet
Vielseitig gebildet und charakterstark engagierte er sich im polnischen Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht, sein Medizinstudium beendete er ohne Examen, weil er sich weigerte, die geforderten pseudowissenschaftlichen Antworten zu geben, dem Stalinismus trat er unter anderem mit einer Satire entgegen, die prompt der Zensur zum Opfer fiel. Weitsichtig und oft mit satirisch spitzer Feder kritisierte er potentielle negative Auswirkungen eben erst in Entstehung begriffener Technologien und Entwicklungen: Als blicke er aus einer Zeitmaschine, nahm er in seinen Texten Entgleisungen künstlicher Intelligenz, virtueller Realitäten, Gentechnischer Manipulationen und humanoider Roboter vorweg.
Wurzeln geschlagen
Dass so einer in Köpfen wie denen von Blümel und Lempp Wurzeln schlägt und sie zu eigenen Auseinandersetzungen inspiriert, muss keinen wundern, der die beiden Mergentheimer Künstler bereits erlebte. Beide setzten sich – der eine zeichnend, der andere Klänge, Skulpturen und Inistallationen gestaltend – mit Lems Figuren und Ideen auseinander und gestalteten den Vernissage-Abend als Performance. Da produzierte Lempp auf einem besaiteten Schrubber und einer zum Geräuschinstrument gestalteten alten Schublade schräge Sphärenklänge zu einem auf Kaleidoskopaufzeichnungen basierenden Solaris-Video, da malte Blümel live und via Beamer im Großformat verfolgbar zu Lempps Lem-Lesung aus der Kyberiaden-Sammlung, da projizierten beide mit Schlierenfarben via Overheadprojektor auf einem Großballon Planetenschöpfung und Planetenuntergang.
Noch längst nicht fertig seien sie mit diesem Autor, so Blümel unisono mit Lempp: Während der Ausstellung im „Forum in der Au“ seien noch etliche Sonderaktionen, Livezeichnen und Performance-Veranstaltungen zu erwarten. Und noch viel mehr ist im Entstehen: Lems Golem XIV, Ijon Tichy, Pirx und auch die Kyberiaden-Roboter Trurl und Klapauzius wollen in Livezeichnungen und Spiegelungen, in Lesungen, Figuren-, Objekt- und Schattentheater Gestalt annehmen und drängen auf die Bühne.
Homepages beachten
Man darf gespannt sein – und sollte immer mal wieder auf den Homepages der beiden Künstler (www.michael-bluemel.de und www.lemppart.de) vorbeischauen, um weitere Termine im Rahmen der Ausstellung und darüber hinaus nicht zu verpassen.
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