Tauber-Odenwald. Volkswagen, Bosch, ZF – dass hier möglicherweise zehntausende Stellen wegfallen könnten, sorgte unlängst für große Schlagzeilen. Allgemein trüben sich bedeutende Wirtschaftsindikatoren für Deutschland erheblich ein, die Zeichen stehen auf Krise.
Doch wie ist die Lage in der Region? Denn auch im Main-Tauber-, Neckar-Odenwald- und im Hohenlohekreis sind zahlreiche Unternehmen angesiedelt, die als Zulieferer direkt von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung betroffen sind. Auch sie würden dementsprechend die Turbulenzen der deutschen Wirtschaft zu spüren bekommen.
Ein solches Beispiel ist die Würth- Gruppe mit Sitz in Künzelsau sowie einem größeren Standort in Bad Mergentheim. Aus dem früheren Schraubenimperium ist mittlerweile ein vielfältig aufgestellter Konzern mit 400 Gesellschaften in über 80 Ländern geworden. Hier spürt man branchenabhängig jedoch ebenfalls die allgemeinen wirtschaftlichen Probleme.
„Die noch zu Beginn des Jahres prognostizierte schrittweise Erholung der Produktionslevel der deutschen Industrie tritt noch nicht zutage. Insbesondere im Bereich der produzierenden Industrie wird unsere Umsatzentwicklung stark von dieser Situation beeinflusst“, erklärt Stephanie Boss für Würth Industrie Service, eine eigenständige Tochter des Konzerns mit Sitz in Bad Mergentheim. Durch die Zentralstrategie des Konzerns mit der Kurstadt als Anlaufstelle für Einkauf, Logistik, Technik und Marketing der Industriebelieferung für ganz Europa könne man Schwankungen in den einzelnen Regionen besser kompensieren, da man nicht ausschließlich von der deutschen Konjunktur abhängig sei.
„Gezielte Kosteneinsparungen“
Kurzarbeit oder Stellenabbau sind laut Sprecherin am Bad Mergentheimer Standort nicht geplant, gekürzt wird jedoch an anderer Stelle. Denn bereits zuvor war in der Belegschaft von Kürzungen bei Veranstaltungen und Feiern zu hören. Offiziell bestätigt klingt das so: „Aufgrund der angespannten Marktlage wurden [...] gezielte Kosteneinsparungen auf Sachkostenebene in verschiedenen Unternehmensbereichen realisiert, um den Fokus auf die Kernbereiche zu setzen.“ Das heißt konkret, dass es beispielsweise keine zentrale Weihnachtsfeier bei Würth mehr geben wird.
Auch bei den Ventilatoren-Herstellern ebm-Papst und Ziehl-Abegg im benachbarten Hohenlohekreis merkt man die Konjunkturschwäche in Deutschland, beide haben Kurzarbeit beantragt und setzen dieses Mittel nach Bedarf ein. Dies teilten sie der Heilbronner Stimme mit. „Wir haben Mensch und Maschinen für Wachstum an Bord geholt, das dann nicht kam“, erklärt Rainer Grill, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei Ziehl-Abegg, hierzu.
Kunden sind verunsichert
Von einer „Durststrecke“ spricht der Weikersheimer Maschinenbauer Ceracon. „Durch den plötzlichen Auftragsstopp eines großen Herstellers für Batteriespeicher für Photovoltaikanlagen, der große Kapazitäten [...] belegt hatte, ist die Auslastung in der Lohnfertigung seit bereits einem Jahr eingebrochen. Da zusätzlich über das gesamte Produktportfolio die Produktionszahlen rückläufig waren, haben wir für diesen Geschäftsbereich seit November 2023 Kurzarbeit angemeldet“, erklärt Andreas Kreissl, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens.
Der Ausstieg der Bundesregierung aus der finanziellen Förderung für E-Autos macht sich ebenfalls bemerkbar. Seit dem Ausstieg im Dezember 2023 habe sich der Auftragsbestand für Produktionsmaschinen kontinuierlich abgebaut. „Unsere wichtigsten Kunden (internationale Großkonzerne) sind verunsichert und versuchen, ihre Investitionen so weit als möglich nach hinten zu verschieben oder setzen Projekte komplett aus. Ersten Abteilungen in unserem Unternehmen geht deshalb bereits jetzt die Arbeit aus, so dass wir uns entschieden haben ab September 2024 auch im Bereich Maschinenbau Kurzarbeit anzumelden“, gibt Kreissl einen Einblick in die aktuelle Situation. Dass beim Tauberbischofsheimer Maschinenbauer Weinig Kurzarbeit angemeldet wurde, um einen Stellenabbau zu vermeiden, gab CEO Gregor Baumbusch bereits in einem FN-Interview im August bekannt.
Doch nicht jeder Arbeitgeber in der Region muss seine Produktion zurückfahren. Beim Igersheimer Antriebstechniker und Maschinenbauer Wittenstein ist „derzeit keine Kurzarbeit“ geplant, teilt ein Sprecher mit. Bei der VS, die in Tauberbischofsheim Schul- und Büromöbel fertigt, gab es „in den letzten Jahren keine Kurzarbeit – auch nicht während der Coronazeit – und es wird aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit auch keine geben. Die Auftragslage ist bei uns weiterhin sehr gut.“
Geschäftsführer Philipp Müller ist dementsprechend sogar auf der Suche nach weiteren Mitarbeitern und wünscht sich seitens der Politik „Maßnahmen und Rahmenbedingungen, um perspektivisch den Fachkräftemangel abzumildern.“
Optimistisch in die Zukunft
Doch wie blicken die Unternehmen mit eingeschränkter Produktion in die Zukunft? Wann geht es wieder aufwärts? „Wir sehen aktuell eine ansteigende Nachfrage nach unseren Lösungen zur Kosten- und Prozesseinsparung in ganz Europa“, schildert Stephanie Boss die Situation bei Würth. Dementsprechend ein vorsichtiger, aber optimistischer Blick in die Zukunft.
Bei Ceracon hat man das Jahr 2025 im Blick. Das Unternehmen geht „stark davon aus“, dass sich die Kaufzurückhaltung der Unternehmen bis dahin zunehmend auflöst. „Aufgestaute Investitionen und Aufträge“ würden dann wieder einen höheren Personalbedarf ergeben. Ähnliches beobachtete das Weikersheimer Unternehmen bereits 2022: Mit dem Auslaufen der Corona-Pandemie endete auch die Kaufzurückhaltung und „flutete den Markt mit überproportional vielen Aufträgen“.
Kurzarbeit in Zahlen
- Der Bezirk der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim umfasst den Landkreis Schwäbisch Hall, den Hohenlohekreis, den Main-Tauber- und den Neckar-Odenwald-Kreis.
- Es wird zwischen „angezeigter“ und „realisierter“ Kurzarbeit unterschieden. „Angezeigt“ bedeutet, dass Unternehmen eine Information über die Notwendigkeit der Kurzarbeit an die Arbeitsagentur übermitteln. „Realisiert“ wird die Kurzarbeit, wenn es tatsächlich zu Kurzarbeit kommt und die Betriebe eine Erstattung des Kurzarbeitergeldes beantragen.
- Insgesamt haben aktuell knapp 205 Betriebe für 8346 Arbeitnehmer im Bezirk Kurzarbeit angezeigt.
- Für realisierte Kurzarbeit gibt es aktuelle Zahlen aus dem Februar. Im Main-Tauber-Kreis wurde im Februar 2024 in 26 Betrieben kurz gearbeitet, es waren 1210 Arbeiter betroffen. Für den Neckar-Odenwald-Kreis 420 Arbeiter in 22 Betrieben. Diese Zahlen liegen deutlich höher als im Februar 2023
- Zahlen zur realisierten Kurzarbeit dürften auch in den Folgemonaten hoch sein, da das Arbeitsamt bei den Anzeigen und beim Beratungsbedarf zur Kurzarbeit ebenfalls Anstiege feststellt
- Betroffen sind viele Branchen wie Maschinenbau, Elektro, Metall, Bau und in der Folge auch Zulieferer und Logistik.
Stichwort Pandemie: „Die aktuell unberechenbaren Märkte erschweren eine langfristige Personal- und Auftragsplanung. Ein Wunsch an die Politik wäre es daher zu einer Kurzarbeitsregelung zurückzukommen, wie wir sie während der Pandemie hatten. So wird es den Unternehmen ermöglicht, sehr flexibel und langfristiger auf die schwankende Auslastung zu reagieren. Ziel all dieser Maßnahmen ist es schließlich, erfahrene Mitarbeitende sicher im Unternehmen und der Region halten zu können.“
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