Vortrag von Dr. Adalbert Ruhnke

Taktisch brillanter Sieg: Mythos durch Realität entzaubert

Die Schlacht bei Herbsthausen 1645 war ein taktischer Sieg im Dreißigjährigen Krieg – mit drastischen Folgen auch für die Bevölkerung rund um Bad Mergentheim.

Von 
Michael Weber-Schwarz
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Die Schlacht bei Herbsthausen in einem Figuren-Diorama: Die Grausamkeit des Geschehens wurde beim Vortrag ebenso deutlich, wie das taktische Vorgehen der Kampftruppen. © Michael Weber-Schwarz

Bad Mergentheim. Der Dreißigjährige Krieg mit Millionen von Toten, er war die „größte Katastrophe“ in Europa bis zum Zweiten Weltkrieg. Mit dem Fokus auf die Schlacht bei Herbsthausen von 1645 referierte jetzt Dr. Adalbert Ruhnke bei einer Veranstaltung des Vereins Deutschordensmuseum. Der gut besuchte und lebendig gestaltete Vortragsabend fand bei „Würth“ auf dem Drillberg statt – denn dort befindet sich aktuell das Zinnfiguren-Diorama mit der Schlachtaufstellung. Dieses war lange im Museum im Schloss zu sehen.

Am 5. Mai 1645 trafen bei Herbsthausen nahe Bad Mergentheim französische und bayerische Truppen aufeinander. Die eigentliche Schlacht dauerte lediglich eine Stunde, doch die Auswirkungen waren verheerend: Die bayerische Armee unter General Franz von Mercy überraschte die französisch-weimarischen Truppen unter dem Heerführer Henri de Turenne, die unter ungünstigen Bedingungen kämpfen mussten. Die französischen Truppen wurden nahezu vollständig aufgerieben oder gefangen genommen, während ankommende Reiterregimenter nur noch den Rückzug Turennes decken konnten.

Das bittere Resümee eines Dichters

Ruhnke schickte seinem Vortrag das bekannte Gryphius-Gedicht „Tränen des Vaterlandes“ (1637 ff) voraus. Die strenge Sonettform trägt die Spannung des Kriegs-Themas in sich – Chaos, Reflexion über die Sterblichkeit und ein bitteres Resümee: Im Krieg wird den Menschen nicht nur das Leben, sondern vielfach auch der „Seelenschatz abgezwungen“.

Zwar werde der Dreißigjährige Krieg als Auseinandersetzung zwischen den beiden Konfessionen wahrgenommen, so Ruhnke, doch vor allem war er ein politischer Machtkampf und ein extrem komplexes Geschehen. Die Schlacht von Herbsthausen zeige, dass auch Katholiken gegeneinander kämpften; ein Beleg gegen die einfache Darstellung als „Religionskrieg“.

Was geschah vor und rund um die Herbsthäuser Schlacht? Henri Turenne hatte in den Tagen davor seine Kavallerie im weiten Umkreis (bis Amorbach und Buchen) in den Dörfern verteilt. Er glaubte den Feind weit weg, denn Mercy stand bei Feuchtwangen. Das bedeutete einen Fußmarsch von rund 60 Kilometern. Durch Spione und Meldereiter waren beide Parteien zwar ganz gut über einander informiert, doch der hervorragende Logistiker Mercy trieb seine Truppen mit einem Eilmarsch nach Herbsthausen. Turenne erfuhr erst in der Nacht vor der Schlacht von der prekären Situation. Es gelang ihm nicht, genügend Verbände heranzuführen. Die gegnerische Artillerie wirkte stark demoralisierend.

Tausende Tote rund um Herbsthausen

Schließlich gelang es der bayerischen Seite, Herbsthausen von Westen zu umgehen und den Franzosen in den Rücken zu fallen. Es kam zu Fluchtbewegungen Richtung Burg Neuhaus und Bad Mergentheim, wo sich die Kriegskasse befand. Die Verluste waren erheblich: Auf bayerischer Seite starben etwa 800 Soldaten, während die französischen Verluste bei rund 2.600 Toten und Gefangenen lagen. Postwendend wurden die unterlegenen Söldner ins Sieger-Heer integriert.

Was passierte mit den vielen Toten? Um 1770 wurde ein Massengrab Richtung Bad Mergentheim entdeckt. Der Referent berichtete – auf der Basis von ähnlichen Funden – von fein säuberlich in Schichten aufgestapelten Leichen. Am Beispiel eines Soldaten zeigte Dr. Adalbert Ruhnke anhand von Röntgenaufnahmen und Grabungsbefunden die medizinisch-forensiche Seite eines damals „Gefallenen“ auf: Nach einem Pistolenschuss in den Schulterbereich wurde dem Soldaten mit einer Hellebarde der Schädel zertrümmert, dann folgte noch ein final tödlicher Dolchstoß. Die multiple Fraktur des Unterkiefers dürfte von den Pferden stammen, die über den Leichnam hinweg galoppierten.

Krieg endet 1648 am Verhandlungstisch

Zusammenfassend lässt sich über die Schlacht von Herbsthausen sagen: Aus Sicht der bayerischen Seite endeten die Kämpfe mit einem taktisch brillanten Sieg – und doch war die Schlacht im großen Bild des Dreißigjährigen Krieges strategisch wenig bedeutsam. Über Jahrzehnte hinweg verschob sich die Front ständig, Städte und Dörfer wurden geplündert, die Bevölkerung dezimiert – ein endloses Mosaik aus Kampf, Zerstörung und politischen Manövern.

Der Krieg endete schließlich nicht an der Front, sondern am Verhandlungstisch: 1648 wurde der Westfälische Frieden geschlossen. Religiöse Konflikte wurden formal beendet, territoriale Ansprüche neu geordnet, und viele kleinere deutsche Fürstentümer erhielten Souveränität. Für die Bevölkerung brachten die Kämpfe Jahrzehnte des Leids, Millionen Tote und Zerstörung. Militärische Siege einzelner Schlachten, wie bei Herbsthausen, hatten letztlich keinen Einfluss auf den Ausgang.

Dr. Adalbert Ruhnke referierte bei einer Veranstaltung des Museumsvereins in lebendiger Weise über die Schlacht. © Michael Weber-Schwarz

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Bad Mergentheim

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