Bad Mergentheim. Im Frühjahr wundern sich manche im Schlosspark über die vielen Bärlauchpflanzen. Diese sind vor allem in Wäldern anzutreffen. Aber warum ist so viel im Park zu finden? Die Lösung ist auf einem gut hundert Jahre alten Foto zu entdecken. Beim ersten Blick denkt man: Windbruch und Holzauktion in einem Laubwald. Aber das Foto wurde im Schlossgarten aufgenommen und zeigt, dass der Park nachdem er ans Königreich Württemberg und den späteren Volksstaat Württemberg gelangte, nicht wie der ursprüngliche Englische Park gepflegt, sondern wie ein Waldstück beförstert wurde.
Der Handwerker Julius Aschfalk und Chronist hat 1945 ein Schulheft mit Erinnerungen über den Hofgarten geschrieben. Nachfolgend einige Zitate, welche die wechselvolle Geschichte des 1791 begonnenen romantischen Parks beleuchten.
„Wenn man den alten Schlosspark durchstreift, erstehen in Erinnerung die einstigen, alten und zum Teil gefürchteten Größen wie der alte Hofgärtner Louis Wagner, der Steidinger und die Forstwarte Albrecht und Weber, welche auf strenge Zucht und Ordnung ihr besonderes Augenmerk richteten. Mit der Zeit hat die alte Schönheit des Schlossgartens sehr viel verloren und da vollends in den Kriegszeiten derselbe ohne Aufsicht steht, wird an den Anlagen viel gesündigt. Die jeweiligen Schlossgärtner waren zum Teil dieses Berufes nicht gewachsen und so wurden die Anlagen vielfach falsch behandelt. Der alte Hofgärtner Wagner war der weitaus Beste unter ihnen. Durch gewissenhafte Pflege waren die Sträucher viel dichter und boten Singvögeln viel bessere Nistgelegenheiten, es waren früher Hunderte von Nachtigallen, die im Schlosspark brüteten.
Durch die Nachfolger des Wagner wurde dieses sehr vernachlässigt, weil sie das Raubzeug wie Hunde, Katzen, Krähen, Dohlen und Elstern überhand nehmen ließen. Die Gärtnerei sowie die angrenzende Herrenmühle hatten früher sehr viel unter dem Hochwasser zu leiden, das Wohnhaus sowie die Herrenmühle standen oft metertief im Wasser, der halbe Schlossgarten war oft wochenlang überschwemmt, was uns Jungen reichlich Gelegenheit zum Fischen bot. Durch die Tauberkorrektion am Frauenberg und der Wolfgangsbrücke und die Erstellung des Hochwasserdammes sowie die Einmauerung der oberen Hofgartenhalle ist dieses jetzt ausgeschlossen. Später wurde der Schlosspark dem Forstamt unterstellt. Auch dieses war ein großer Missgriff und nicht das Richtige. Die Forstbeamten waren zu sehr im Wald und Amt beschäftigt und hatten nicht viel Zeit für den Park übrig. Förster Uhl, gewiss ein sehr tüchtiger Forstbeamter, kam auch dieser Arbeit im Park nicht ganz nach. Er richtete einen Dreijahresplan ein wodurch der Park in drei Teile geteilt wurde von denen jedes Jahr nur ein Teil bewirtschaftet wurde, die andern zwei Teile ließ man liegen und als man im Schnitt an diese kam, waren sie zu sehr verwildert und mussten, da die Sträucher zu stark wurden viel zu sehr zurückgeschnitten wurden. Der Schlossgarten war früher mit vielen exotischen Bäumen und Sträuchern bestanden. Auch im Blumengarten standen viele exotische Bäume, welche leider durch den damaligen Major Renner unsinnig abgeholzt wurden. Erhalten haben sich dort noch zwei schöne Blutbuchen. Da der Schlossgarten für den Staat ein wertloses Objekt ist, das nichts einbringt und nur Ausgaben verursacht, sind auch keine solche Bäume und Ziergehölze mehr angepflanzt worden.
Auf dem Schneckenberg stand früher ebenfalls ein kleines Lusthaus. Er war auch früher von einem See umgeben, welcher vom Kanal aus gespeist wurde und war vermutlich ein Karpfenteich, womit hier das Wasser bequemer zu regulieren war. Der Einlauf war an seiner Ostseite und der Auslauf an der mittleren Kanalbrücke.
Glücklicherweise ist dieser See wieder hergestellt. Der alte liebe Schlossgarten sah in seiner langen Zeit viel freudige Bewegung, bezog aber auch viel tiefes Leid. Manch bedrücktes Menschenherz flüchtete in den Schlossgarten, um an einem verborgenen Platz seinen Sorgen zu entrinnen. Aber auch viel freudige Ereignisse hat der Schlossgarten zu verzeichnen. Sehr viele sind nach der Tages Arbeit, Last und Mühe sich zu erholen, abends in den Schlossgarten gepilgert. Auch rauschende Feste wurden im Schlossgarten abgehalten, denn dieser ist wie geschaffen zu einem idealen Festplatz. Am letzten großen Bezirkskriegertag war der Schlossgarten schön und sauber gerichtet, jedoch hatte es in der Woche viel geregnet und am Samstag fiel noch ein Wolkenbruch. Trotzdem das Wetter am Festsonntag wunderschön war, war der Wiesenboden so feucht, dass einige der Festdamen ihre Schuhe im Morast verloren. Auch heute strömt und eilt alles, wer gerade in der Nähe ist dem Schlossgarten zu, wenn man plötzlich von der Alarmsirene überrascht wird und sucht Schutz darinnen.
Möge unser Schlossgarten, um den uns die ganze Welt beneidet, uns noch lange erhalten bleiben und auch in Zukunft, wenn wieder bessere Zeiten eintreten und bessere Aufsicht darin gehandhabt wird uns noch lange und noch viele Generationen nach uns erfreuen.“ So schrieb Julius Aschfalk über den ehemaligen Hofgarten. Erfreulicherweise geht der Wunsch in Erfüllung, denn im Hinblick auf die Landesgartenschau 2034 wird der ehemalige Hofgarten des Deutschen Ordens wieder in seiner alten Schönheit erblühen. Wenn es deshalb in Zukunft weniger Bärlauch geben wird, ist dies zu verschmerzen.
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