Odenwald-Tauber. „Wir spüren, dass sich der Arbeitsmarkt stark verengt hat“, sagt der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises Dr. Achim Brötel. Engpässe sieht der Landkreischef in technischen Berufen, in der IT, im Asylbereich oder in Tätigkeitsfeldern „direkt an der sozialen Realität“. Und auch im Main-Tauber-Kreis gibt es viele offene Stellen – bei Städten sowie Gemeinden und dem Landkreis.
Auch beim Landratsamt des Main-Tauber-Kreises (rund 1000 Mitarbeiter) sind offene Stellen an der Tagesordnung, bestätigt Pressesprecher Markus Moll. Problematisch seien solche, die nach mehrmaliger Ausschreibung nicht besetzt würden, was einen Mehraufwand sowie „eine noch höhere Arbeitsbelastung für die Mitarbeitenden bedeutet“.
In diese Kerbe schlägt auch Assamstadts Bürgermeister Joachim Döffinger, denn „meine Leute haben so viel Überstunden wie seit Jahren nicht“ und beklagt, dass immer mehr auf die Kommunen „reinprallt.“ In Stuttgart oder Berlin werde Politik gemacht, ohne zu fragen: „Schafft ihr das?“ Zudem könnten kleine Kommunen sich kein weiteres Personal leisten. Man reagiere nur noch, anstatt zu agieren.
„Das Maß an Bürokratie ist voll“, echauffiert sich Külsheims Rathauschef Thomas Schreglmann. Man kümmere sich um Straßen, Wasser, Winterdienst, „aber was denen in Berlin sonst noch so alles einfällt, wird immer doller.“ Bislang habe man jede Stelle besetzen können und kaum Fluktuation, doch stehe das Rathaus in Konkurrenz zur freien Wirtschaft, wo man deutlich besser verdiene. Insbesondere der Bauhof sei nicht konkurrenzfähig. Als „völlig utopisch“ bezeichnet er den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen. Es drohe die Gefahr, dass Betreuungskräfte von Kitas in Schulen wechseln, „dann fehlen sie in der Kita“.
Diesen Konkurrenzkampf in den eigenen Einrichtungen sieht auch Ahorns Bürgermeister Benjamin Czernin. Immerhin habe man bei Stellenbesetzungen bislang Glück gehabt, erinnert er sich an die letzte Ausschreibung in der Verwaltung: „Der Kämmerer ist mit einem Verwaltungsfachmann super besetzt.“ Nichtsdestotrotz werde es immer schwieriger, jemanden zu finden, der aus der Verwaltung komme. Quereinsteiger aus der Wirtschaft seien keine Seltenheit, auch wenn man als kleine Kommune deren Gehaltsgefüge nicht abbilden könne. Man biete flexible Arbeitszeiten, aber wenn jeder Bereich mit nur einer Person besetzt sei, sei Homeoffice nicht machbar. „Hier ziehen wir gegenüber größeren Behörden und Firmen den Kürzeren.“ Visuell erkennbar sei der Mangel beim Aufschlagen des „Staatsanzeigers“, wenn Stellen mehrfach ausgeschrieben werden.
Ansprache auf Ausbildungsmessen, einschlägigen Portalen und Sozialen Medien
Der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, Dr. Achim Brötel, stellt in Sachen Mitarbeiterfluktuation auch fest, dass es eine höhere Bereitschaft jüngerer Arbeitskräfte gibt, auch einmal den Arbeitgeber zu wechseln. Brötel sieht das nicht negativ. Es erweitere gar den Horizont. Erfreulich sei, dass viele derer wieder zurückkämen.
Bei der Stadt Buchen gibt es laut Hauptamtsleiterin Simone Schölch immer wieder offene Stellen in allen Bereichen. Man schreibe gefühlt so viel aus wie seit Jahren nicht. Die in Ruhestand gehenden Babyboomer „werden Löcher reißen“.
Allzu vertraut ist die Arbeitsmarktsituation auch Osterburkens Bürgermeister Jürgen Galm. Noch könne die Stadt in der Verwaltung alle Stellen besetzen, doch werde es zunehmend schwieriger. Mitunter werde das Anforderungsprofil, aus dem Verwaltungsfach zu kommen, nicht erfüllt. Dennoch arbeiteten sich Quereinsteiger mit Bank- oder kaufmännischer Ausbildung gut ein. Dies gelte auch für die technischen Bereiche sowie den Bauhof. Für letzteren musste mehrfach ausgeschrieben werden. Wie seine Kollegen äußert Galm seinen Unmut über den bürokratischen Mehraufwand. Während vor Jahren der EDV-Bereich „nebenbei“ mitbearbeitet wurde, sei dies nicht mehr leistbar. Zudem konkurriere man nicht nur mit der Wirtschaft, sondern auch mit größeren Behörden, die von den Rahmenbedingungen oft attraktiver seien. Es spreche die „blanke Wahrheit der Zahlen“, das offenkundige Missverhältnis zwischen denjenigen, die in den Ruhestand gingen und denjenigen, die nicht in gleichem Maße nachkämen.
Mit verstärkter Präsenz sowie gezielter Ansprache auf Ausbildungsmessen, einschlägigen Portalen und Sozialen Medien gehe man auf die Menschen zu, teilen die Behörden und Ämter auf Nachfrage mit. Arbeitnehmerbindung durch Weiter- und Fortbildungsangebote, „Corporate Benefits“, also Zusatzleistungen und Rabattangebote steigern die Attraktivität des öffentlichen Dienstes, einem „Bürgerdienst“, wie Bürgermeister Benjamin Czernin aus Ahorn ihn nennt. Dennoch fehlen laut Prognose bis 2030 mehr als eine Million Fachkräfte in der Verwaltung, blickt er in die Zukunft. Der demografische Wandel sei unaufhaltsam. Laut Markus Moll (Landratsamt Main-Tauber-Kreis) wird die Grundthematik sein, sich auf Pflichtaufgaben zu konzentrieren. ee
Heidrun Beck, Bürgermeisterin der Stadt Boxberg, die drei offene Stellen in der Verwaltung hat, kann ein Lied hiervon singen. Sie betont die stete Bereitschaft auszubilden und freut sich, dass letztes Jahr eine Ausbildungsstelle besetzt wurde, bedauert aber im selben Atemzug, dass es für dieses Jahr noch keine Bewerbung gebe. „Das Interesse ist zurückgegangen“, stellt sie fest und führt ebenfalls die Konkurrenz seitens der Wirtschaft ins Felde. Die Arbeitsbelastung für ihr Team wachse kontinuierlich. Von der Digitalisierung habe man sich mehr Vereinfachung erhofft, doch sei die Umsetzung alles andere als das.
Auch Walldürns Bürgermeister Markus Günther beklagt die Bürokratie: „Es wird so viel aufgebläht“, das frustriere das Personal. Erfreulicherweise habe er in der Verwaltung keine offenen Stellen. Im bautechnischen Bereich hingegen „kriegt man niemanden.“ Bauhofstellen zu besetzen sei schwierig. Er hoffe inzwischen auf Bewerber aus der Wirtschaft, die die Sicherheit des öffentlichen Dienstes schätzten. Seine Stadt bilde permanent aus, leider sei die langfristige Treue zum Arbeitgeber nicht mehr gegeben. Als „sehr hart“ bezeichnet er den Markt im sozialen Bereich und die anstehende Ganztagsbetreuung in Grundschulen – wenig überraschend – als „utopisch und nicht umsetzbar.“ Es werde einen „Riesenkampf“ um Arbeitskräfte geben, die dann anderswo fehlten.
Laut Pressesprecherin Helga Hepp zeichnet sich bei der Stadt Tauberbischofsheim ein ähnliches Bild ab. Zwei dauerhaft vakante Stellen gebe es im Tiefbaubereich. Darüber hinaus erhalte man weniger qualifizierte Bewerbungen als noch vor Jahren. Das Engagement als Ausbildungsbetrieb verbunden mit adäquaten Perspektiven nach Ausbildungsende zeichne sich aus, so dass man überlege auch im technischen Bereich auszubilden.
Auch in Bad Mergentheim sind laut der stellvertretenden Pressesprecherin Lorena Klingert in allen Bereichen Stellen offen. Mit Blick auf die anstehende Ruhestandswelle der Babyboomer bemühe man sich zeitnah um Nachfolger, um mittels einer Übergangsphase eine gute Nachbesetzung zu sichern.
In der Großen Kreisstadt Wertheim gibt es ebenso in allen Bereichen offene Stellen, so Virginia Templeton, Mitarbeiterin der Stabsstelle für Kommunikation und Öffentlichkeit. Ausbildungsstellen schreibe man permanent auf der Homepage aus. Mehrere Fach- und Führungskräfte würden mit den Babyboomern in den Ruhestand gehen, schiebt sie noch nach.
Dorn im Auge
Die Antworten sind beinahe austauschbar. Rathäuser, ob groß, ob klein und Landratsämter wissen um die prekäre Lage auf dem Arbeitsmarkt, der sich vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt gewandelt hat. Die überbordende Bürokratie ist allen ein Dorn im Auge. Die geburtenstarken Jahrgänge, die vor Jahren noch in der „Blüte ihrer Arbeitszeit“ standen, um es mit Markus Molls Worten auszudrücken, verabschieden sich sukzessive und wenig überraschend in den Ruhestand.
Die Bürger werden sich in Geduld üben müssen, dass manche Dienstleistung nicht umgehend bearbeitet werden kann, heißt es auch immer wieder. Das Handwerk lässt grüßen.
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