Bad Mergentheim. Das neue Logistikzentrum am Caritas-Krankenhaus samt Großapotheke und Reinraumlabor nimmt Formen an. Handwerker und unbefugte Personen dürfen inzwischen das fertige Labor nicht mehr betreten – es wurde zum Hochsicherheitstrakt.
In der Caritas-Apotheke werden seit fast 30 Jahren Zytostatika unter hohen Hygiene- und Sicherheitsstandards produziert. Diese Medikamente dienen zur Behandlung von Krebserkrankungen und sollen die Teilung sowie Vermehrung von Tumorzellen aufhalten. Sie werden jeweils individuell auf den jeweiligen Patienten angepasst und zu jedem neuen Termin der Chemotherapie hergestellt.
Die Zentralapotheke im Caritas ist die logistische Drehscheibe für alle apothekenpflichtigen Waren und versorgt acht weitere Kliniken im nördlichen Baden-Württemberg.
Die offizielle Abnahme der neuen Reinräume durch das Regierungspräsidium hat inzwischen stattgefunden. Die Inspektoren zeigten sich beeindruckt und lobten die technische und fachliche Umsetzung.
Vor einigen Monaten (unsere Zeitung berichtete) wurden sieben Module für das Labor der neuen Apotheke angeliefert. Jetzt galt es Reinraumbedingungen der höchsten Kategorie herzustellen, erzählt der neue Leiter der Krankenhaus-Apotheke, Patrick Lehmann, mit Blick auf die vergangenen Wochen. Für das gesamte Team eine intensive Phase, aber notwendig, bevor Apothekerinnen und pharmazeutisch-technische Assistenten im Neubau mit der hochsensiblen Medikamenten-Herstellung beginnen können.
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Lautes Alarmsignal
Bei der pharmazeutischen Grundreinigung wurde zunächst jeder Millimeter im Raum desinfiziert und ein Luftfiltersystem gestartet. Unterschiedliche Druckverhältnisse in den einzelnen Räumen, sorgen außerdem dafür, dass keine unreine Luft von außen in den nächsten Raum eindringen kann. Bleibt eine Türe versehentlich offenstehen, ertönt sofort ein lautes Alarmsignal. Denn oberstes Ziel ist es jetzt, die zulässige Zahl an Partikeln und Mikroorganismen in der Luft im Inneren des Labors zu minimieren. „Es darf jetzt zu keinen Verunreinigungen mehr kommen“, so Lehmann.
Das Labor ist in mehrere Reinheitsklassen unterteilt, die über mehrere Stufen nach innen immer höhere Anforderungen erfüllen müssen – bis zum Herzstück des Zytostatikalabors, der so genannten „Werkbank“. Hier herrscht die Reinheitsklasse A, in der keine Partikel oder Mikroorganismen in der Luft mehr vorhanden sein dürfen. „Das Produkt, das wir dort herstellen, die Infusionen mit Chemotherapeutika für krebskranke Patienten, muss so rein sein, dass für die oft bereits geschwächten Patienten kein Risiko für Infektionen durch die Chemotherapie besteht“, betont der Fachapotheker für klinische Pharmazie.
Mehrere Schleusen
Um dies zu erreichen, ist ein exakt durchgeplanter Ablaufprozess erforderlich: Die Rohstoffe und Materialien werden zunächst von außen an einem Tresen angeliefert und den Mitarbeitenden in der Apotheke übergeben. Ab jetzt sind nur noch ausgebildete Fachkräfte in den Räumen des Labors zugelassen, die sich zuvor komplett umgezogen haben.
Zwei Schleusen müssen nun passiert werden, bevor es in den nächsten Raum weitergeht: eine Schleuse für die Menschen, eine Schleuse für die Materialien. „In der Personalschleuse wechseln wir wieder die Kleidung komplett bis auf die Unterwäsche und ziehen eine Art blauen Schlafanzug an, der täglich gewechselt wird, Mundschutz ist selbstverständlich“, erläutert Apothekerin Katharina Tempfli. Im Raum der Reinraumklasse D stehen die PC-Arbeitsplätze für die Apotheker.
Bevor es in den nächsten Raum der Reinraumklasse C weitergeht, ist wieder eine Schleuse zu durchlaufen. Hier befindet sich nun ein kleines Zwischenlager mit allen Stoffen, die für die Produktion an diesem Tag gebraucht werden. Langsam nähert man sich nun dem Herzstück des Labors – doch zuerst müssen noch einmal Schleusen passiert werden. Das heißt diesmal: komplett umziehen in einen „Ganzkörperanzug“ für die Menschen und erneut Wischdesinfektion für die Materialien. Jetzt endlich befindet man sich in dem Raum, in dem die Zytostatika hergestellt werden: Reinraumklasse B. Erst unter der eigentlichen Werkbank herrscht dann die praktisch partikelfreie Reinraumklasse A. Kontinuierlich wird die Luft unter der Werkbank nach oben abgesaugt, so dass sterile Bedingungen entstehen. Dieses Verfahren sorgt dafür, dass es keinen Luftaustausch zwischen dem Bereich unter der Werkbank und der Raumluft drumherum gibt. „Es ist wie eine Art Luftvorhang, der den Bereich abteilt“, so Lehmann.
Zwei Kolleginnen arbeiten hier Hand in Hand. Bei der Herstellung der Infusionsbeutel kommt es auf jeden Milliliter an, denn die Zusammenstellung ist individuell berechnet. Eine diffizile Arbeit.
So wie die Materialien nach innen gekommen sind, gelangen sie danach wieder nach außen. Sie passieren in umgekehrter Reihenfolge jede Schleuse bis zur Transportkiste am Eingangstresen.
30 Minuten für kurzen Weg
Auch für die Mitarbeitenden im Reinraum B geht der Weg zurück durch die verschiedenen Schleusen. „Um in den Reinraum B hineinzukommen, brauchen wir bis zu 30 Minuten, zurück geht es oft etwas schneller“, erzählt Katharina Tempfli.
„Kurz mal zur Toilette gehen oder einen Schluck trinken, geht da natürlich nicht“, erzählt sie lächelnd. Doch daran gewöhne man sich: „Das erledigt man dann eben, bevor man das Labor betritt.“
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