Tauber-Odenwald. Streuobstwiesen prägen das Landschaftsbild in Hohenlohe und im Taubertal – und sie liefern in diesem Jahr eine erfreulich reiche Ernte. Nach schwächeren Jahren sprechen die Erzeuger wieder von vollen Bäumen, stabilen Preisen und einer guten Wertschätzung für die ökologische und kulturelle Bedeutung dieser besonderen Form des Obstanbaus.
„Wir können dieses Jahr auf eine richtig gute Ernte hoffen“, sagt Florian Reinhard, Geschäftsführer der in Bad Mergentheim ansässigen BAGeno, jener Erzeugergemeinschaft, die im Gebiet Vorbach- und Taubertal, Jagst- und Hohenloher Land Streuobst erfasst. Schon seit Ende August rollen die Wagen mit Äpfeln auf die Annahmestellen – Montag und Donnerstag für konventionelles Obst, freitags für Bio-Ware. „Wir sind jetzt beim fünften Annahmetag, und die Mengen sind beachtlich.“
Konventioneller Bereich einiges größer als Bio
Die BAGeno vereint im Bio-Bereich rund 280 Mitglieder, die knapp 300 Hektar bewirtschaften. Doch der konventionelle Bereich ist noch um einiges größer. Beide Segmente laufen parallel, wobei Bio-Anlieferungen streng zertifiziert und separat erfasst werden. „Wir haben im vergangenen Jahr eine Gruppenzertifizierung umgesetzt – die erste ihrer Art in Deutschland für den Streuobstbereich“, erklärt BAGeno-Mitarbeiter Rainer Schuch. „Damit können wir die hohen Kosten der Einzelkontrollen abfedern.“
Das Sammelsystem sei eingespielt: Obst werde gewogen, die Qualität überprüft, und dann entweder ausgezahlt oder im beliebten Umtauschsystem vergütet. „Die Äpfel müssen reif und gesund sein, faulige Ware nehmen wir nicht an. Eine Messung des Zuckergehalts gibt es bei uns aber nicht“, erläutert Reinhard.
Besonders gefragt sei der Umtausch gegen Apfelsaft. Wer Äpfel liefert, erhalte Saftkarten, mit denen später günstiger eingekauft werden könne. „Aus 100 Kilo Äpfeln entstehen rund 60 Liter Saft“, rechnet Reinhard vor. „Wenn man den Saft selbst verbraucht, kann man so einen Gegenwert von bis zu 25 Euro pro Doppelzentner erzielen.“
Der Auszahlungspreis in Geld schwanke dagegen von Woche zu Woche. Am Anfang sei er niedriger, steige aber im Lauf der Ernte. „Für viele lohnt sich der Umtausch einfach mehr“, sagt Rainer Schuch. „Und ganz nebenbei binden wir so die Verbraucher enger an die Region.“
Eigentlich wäre 2025 ein schwaches Alternanzjahr, in dem die Bäume weniger tragen. Doch die Natur habe es anders entschieden. „Wir hatten eine hervorragende Blüte, keinen Spätfrost und im Sommer genügend Regen“, berichtet Reinhard. „Das hat zwar der Getreideernte geschadet, aber den Apfelbäumen geholfen. Die Bäume haben die Früchte nicht fallen lassen.“
Bundesweit rechnet der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie mit einer niedrigeren Ernte als im Vorjahr, doch Hohenlohe und das Taubertal stechen positiv heraus. „Wir haben hier vor Ort ein starkes Jahr – das sieht man an den voll behangenen Bäumen“, so Reinhard.
Streuobstwiesen seien mehr als nur Produktionsflächen. „Das ist ein ökologisch wertvoller Lebensraum für Insekten, Vögel und viele seltene Arten“, betont Rainer Schuch. „Und gleichzeitig Teil unserer Kulturlandschaft.“
Die Äpfel von Hochstämmen unterscheiden sich von Plantagenfrüchten am Bodensee oder in Südtirol. „Für einen guten Saft ist es sogar besser, wenn viele verschiedene Sorten verarbeitet werden“, sagt Florian Reinhard. „Das macht den Charakter des Saftes aus.“
Pflanzenschutz sei bei Streuobstwiesen praktisch kein Thema. „Bei uns in der Region wird kaum gespritzt – höchstens im Promillebereich“, meint Schuch. „In den Bioflächen ist es ohnehin ausgeschlossen.“
Die gelieferten Äpfel gehen containerweise an die Partner in der Saftindustrie. Wichtigster Abnehmer sei die Kelterei Kumpf bei Ludwigsburg, die auch das Umtauschmodell unterstütze. „Früher hatten wir zusätzlich Hohenloher Fruchtsäfte, aber die sind leider in die Insolvenz gegangen“, bedauert Reinhard. „Zum Glück können wir die frei gewordenen Mengen bei Kumpf unterbringen.“
Die Absatzsicherheit sei entscheidend. „Natürlich gibt es immer Konkurrenz mit Plantagenobst aus Polen oder anderen Ländern“, äußert sich Schuch. „Wenn dort die Ernte riesig ausfällt, sinken bei uns die Preise. Aber regionales Streuobst findet immer seine Abnehmer.“
Für manche Besitzer rechnet sich Handarbeit nicht
„Eine Gefahr sehen die Verantwortlichen der Genossenschaft darin, dass nicht alle Flächen gelesen werden. „Manche Besitzer lassen die Äpfel einfach liegen, weil sich die Handarbeit nicht rechnet“, sagt Reinhard. Zwar gebe es Hilfsmittel wie Baumschüttler oder Auflesemaschinen, doch 99 Prozent der Arbeit geschehe nach wie vor von Hand. „Es ist schade um jedes Kilo, das verfault.“
Im Vorjahr nahm die BAGeno rund 600 Tonnen Streuobst an – in guten Jahren waren es schon über 4000 Tonnen. „Dieses Jahr erwarten wir wieder eine höhere vierstellige Zahl“, zeigt sich Schuch optimistisch.
Die Politik unterstützt den Streuobstbau, doch die Begeisterung junger Leute hält sich in Grenzen. „Es ist viel Arbeit, das darf man nicht verschweigen“, weiß Florian Reinhard. „Aber es gibt nichts Regionaleres, als wenn jemand seine Äpfel bringt und später denselben Saft wieder nach Hause trägt.“
Das Ziel sei klar: „Wir wünschen uns, dass die Streuobstwiesen erhalten bleiben, gepflegt werden und ihre Äpfel auch tatsächlich genutzt werden“, fasst Schuch zusammen. „Denn regionaler und ökologischer geht es eigentlich nicht mehr.“
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