Initiative „Volksantrag G9-Gesetz BaWü“

Landtag soll sich des G9-Themas annehmen

„Wir wollen die Hürden für die Unterzeichner so gering wie möglich halten“, erklären Katrin Müller und Yvonne Valentin. Beide fungieren als Ansprechpartnerinnen der Initiative „Volksantrag G9-Gesetz BaWü“.

Von 
Elisabeth Englert
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Katrin Müller, Unterstützerin und Ansprechpartnerin vor Ort, kümmert sich in Tauberbischofsheim um den reibungslosen Ablauf des Volksantrags. © Elisabeth Englert

Odenwald-Tauber.. Im Gegensatz zur Petition, bei der eine elektronische Teilnahme, also ein Click am PC, ausreichend sei, gelten für einen Volksantrag qualifiziertere Regelungen: Formular ausfüllen, die Unterschrift von der Wohnsitzgemeinde bestätigen lassen, kuvertieren und im Original absenden. Erst durch die Bestätigung der Unterschrift durch die Kommune zähle die abgegebene Stimme, erklärt Müller und kann verstehen, dass diese beiden unterschiedlichen Verfahren für Unsicherheit sorgen. Schon mehrfach sei sie angesprochen worden, warum denn schon wieder eine Aktion laufe, man habe doch die Petition bereits unterstützt.

Beim Volksantrag, „als starkem demokratischen Mittel“ müssten, im Gegensatz zur Petition, die auch eine Einzelperson stellen könne, 0,5 Prozent der Wahlberechtigten innerhalb eines Jahres mit ihrer Unterschrift ihre Unterstützung postulieren. Bis 11. November 2023 sei eine Beteiligung noch möglich. Mit Erreichen des Quorums, nämlich 39 000 Unterzeichnern, müsse sich der Landtag mit der Angelegenheit befassen, was diese wiederum von der Petition unterscheide. Bei letzterer sei er nicht verpflichtet.

Etwas umständliches Verfahren

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Von
Klaus T. Mende
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Um es den Unterstützern angesichts des etwas umständlichen Verfahrens so angenehm wie möglich zu machen, engagiere sie sich als Ansprechpartnerin in Tauberbischofsheim, was bedeute, sie sammle die in den Sammelstellen abgegebenen Formulare ein, lasse sie von der Stadt gegenzeichnen und sende sie zu den Hauptinitiatorinnen der Kampagne. Kritisch bemängelt sie die fehlende Zeit im G8 erlerntes Wissen zu festigen und zu vertiefen. Als Mutter zweier Kinder, wovon eines die sechste Klasse eines G8-Gymnasiums besucht, weiß sie, wovon sie spricht. Der Lehrermangel trage ebenso dazu bei, „eine ausgefallene Unterrichtsstunde fällt bei G8 noch mehr ins Gewicht.“

Darüber hinaus berichteten Erziehungsberechtigte von einem deutlich höheren Stresslevel, zum Teil einhergehend mit körperlichen oder psychischen Problemen. Noch habe sie keine Bedenken, dass ihr Sohn diesen Weg bewältige, doch ärgere sie sich, dass es keine Lernanpassungen gegeben habe, der Schulstoff lediglich komprimiert wurde. Auch die durch die Alternativen G8 und G9 entstandene Konkurrenz unter den Gymnasien bezeichnet sie als „ganz, ganz ungut.“ Familien seien geneigt, weitere Schulwege in Kauf zu nehmen, um ein G9-Gymnasium zu besuchen, wenngleich ein Gymnasium vor Ort erreichbar sei, aber keinen G9-Zug anbieten dürfe.

Kein Argument

Auch das von Politikseite angeführte Argument, man habe nach der 10. Klasse die Möglichkeit ein berufsbildendes Gymnasium zu besuchen, um dann nach 13 Jahren Abitur zu machen, lässt die nicht gelten. Denn dies sei nicht im Geringsten ein Argument für die Beibehaltung des Turboabiturs und entkräfte nicht einen der Kritikpunkte. Vielmehr zeige sich, dass das einst, zu Zeiten als es noch eine verbindliche Grundschulempfehlung gab, beabsichtigte Ziel, junge Menschen schneller in den Beruf zu bringen, nicht erfüllt werde.

Reif genug?

„Mit 17 Abi, da wissen viele noch nicht, was sie werden wollen“, gibt die Elektroingenieurin zu bedenken, so dass nicht selten zunächst der Weg ins Ausland oder in ein FSJ eingeschlagen werde. Abitur nach zwölf Jahren, Beendigung eines Bachelorstudiengangs – die jungen Menschen seien gerade mal 20 beim Berufseinstieg. „Haben sie dafür die persönliche Reife?“, fragt sie zweifelnd. Dies hinterfragt auch Yvonne Valentin, Ansprechpartnerin für Bad Mergentheim und Igersheim und appelliert an Kindergarten- und Grundschuleltern sich mit dieser Thematik zu befassen, denn „die Zeit rennt.“ Auch sie mache sich Sorgen mangels ausreichender Zeit zur Vertiefung des Erlernten. Des Weiteren befindet die Mutter eines Sechstklässlers, werde durch die Verkürzung vieles behandelt, das noch nicht der Persönlichkeitsentwicklung der Schüler entspreche. Zudem solle nach dem Willen der Kultusminister das Abitur vergleichbarer werden und für eine gerechtere Studienplatzvergabe sorgen. Vor dem Hintergrund, dass Baden-Württemberg als letztes westdeutsches Flächenbundesland an der G8-Reform festhalte, scheine ihr dies entfernter denn je.

Die Initiative, betont Valentin, wolle nicht das G8 abschaffen, vielmehr fordere man G9 als Regelweg mit der Möglichkeit eines G8-Zuges. Aktuell laufe es umgekehrt. G8 sei die Regelform. G9 werde an gut 40 Gymnasien parallel angeboten mit der Folge, dass an diesen Gymnasien hier in der Region mangels Anmeldungen kein G8-Zug angeboten werde. Ein klares Indiz für den Wunsch vieler nach G9. „Die Menschen stimmen mit den Füßen ab, indem ihre Kinder die G9-Modellschulen besuchten.“

Keine Strukturdebatte

Da im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde, dass hierüber keine Strukturdebatte geführt werde, müsse man den Landtag mittels des Volksantrags verpflichten, sich dieser Thematik anzunehmen. Gerade vor dem Hintergrund der Pandemie mit ihrem Homeschooling sei das mehr als geboten. „Das Thema liegt mir sehr am Herzen“, und das spürt man angesichts ihres Engagements, mit dem sie versucht, allen die Teilnahme am Volksantrag zu erleichtern. Die Versendung des Links an Eltern, Formulare verteilen an Vereine, Betreuungseinrichtungen, Arbeits- oder Sammelstellen zum Ausfüllen vor Ort – es gebe viele Möglichkeiten, diese Herzenssache in die Öffentlichkeit zu bringen. Wahlberechtigt ab 16 dürften auch Schüler abstimmen. Es sei ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, dass es der Jugend gut gehe, so dass sich auch alle hierfür stark machen sollten.

Dem stimmt auch Dr. Renate Heinisch aus Boxberg zu. Mit ihrem vor 30 Jahren gegründeten Elternverein zum Erhalt des G9 bricht die 85-Jährige eine Lanze für gute Bildung und unterstreicht, dass diese allen Generationen am Herzen liege. Darum rühre die ehemalige Landeselternbeiratsvorsitzende engagiert die Werbetrommel für „G9 jetzt!“ Denn lebenslanges Lernen müsse man lernen. Ob Eltern, Groß- oder Urgroßeltern, sie alle seien sich einig: „Gute Bildung ist das Wichtigste.“

Dies teilt auch Sven Feiler, Elternbeiratsvorsitzender des Ganztagesgymnasiums Osterburken, wenngleich er nicht als Ansprechpartner fungiert. Man sei der Diskussion und des Kampfes überdrüssig, frustriert und enttäuscht vom Kultusministerium, das schlichtweg nicht reagiere, obwohl ihm der Ball schon längst zugespielt sei. Daher möchte man die Energie in den Schullalltag sowie eine gute Präsentation der Vorzüge des GTO stecken, bekräftigt der Vater zweier G8-Gymnasiasten. Überdies würde er sich mehr Geschlossenheit der Schulen sowie mehr Vertrauen der Eltern in die Fähigkeiten ihrer Kinder wünschen. „Schade, dass die Politik bei den Kindern spart, sie sind die Zukunft und brauchen gute Bildung.“ Ein immer wiederkehrendes Mantra, das hoffentlich auf offene Ohren stößt.

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