Bad Mergentheim. Der aus dem nahen Boxberg stammende Cellist Florian Schmidt-Bartha war im Rahmen der Museumskonzerte schon einmal im Roten Saal zu Gast, wo er vor acht Jahren zusammen mit seinem Kollegen Julian Steckel auftrat. Inzwischen gehört der 1991 geborene ehemalige Preisträger des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ zu den gefragtesten Cellisten seiner Generation, der als Kammermusiker und Solist weltweit tätig ist, mit renommierten Kammerorchestern zusammenarbeitet und regelmäßig bei internationalen Festivals zu Gast ist.
Für seinen jüngsten Auftritt zum Auftakt der neuen Saison im angesichts des ungewöhnlichen Feiertagstermins gut besuchten Roten Saal brachte er als Begleiter den rumänischen Pianisten Andrei Gologan mit. Gologan wurde schon mehrfach bei verschiedenen Klavierwettbewerben preisgekrönt und machte gleichermaßen als Solist wie als Kammermusiker in Konzertsälen und auf einschlägigen Festivals auf sich aufmerksam.
Das Programm des Abends schöpfte schwerpunktmäßig aus der Literatur des 20. Jahrhunderts, jener Epoche, in der die unmittelbar vorhergehende romantische(die man in Hinsicht auf das Cello auch als die klassische bezeichnen könnte) in ihren Ausdrucksmöglichkeiten erweitert und teilweise auch bewusst konterkariert wurde. Freilich gehören Komponisten wie George Enescu, Sergej Prokofjew oder die erst heute so richtig gewürdigte Nadia Boulanger (1887 bis 1979) alle noch zu den „gemäßigten“ Vertretern der musikalischen Moderne, deren Stilmittel in all ihrer innovativen Kühnheit auf einem klassisch-romantischen Fundament, zusätzlich erweitert durch Einflüsse aus der Volksmusik oder auch durch Jazz-Rhythmen.
Boulangers 1915 entstandene drei Stücke für Violoncello und Klavier zu Beginn halten sich gleichfalls in einer graziösen Schwebe zwischen retrospektiver Klassik und impressionistischer Klangmalerei, die Molltonarten der drei Stücke schaffen bei aller Leichtigkeit und Eleganz eine Stimmung leiser Schwermut, die durch die zarte, transparente und bei Bedarf(im rhythmisch versatilen Finale) aber feurig auflodernde Interpretation des Duos kongenial umgesetzt wurde. Die ausklingende Romantik kam an diesem Abend ebenfalls zu ihren Recht in Form von zwei Stücken von Sergei Rachmaninow (1873 bis 1943): Herrlich süffige Cellokantilenen von Florian Schmidt Bartha, geschmeidige Eleganz im Duktus und die exotisch gefärbte Sinnlichkeit des „orientalischen Tanzes“ prägten diese reizvolle, publikumswirksame Nummer zu Beginn des zweiten Konzertteils.
Die gewichtigen Werke(zu sämtlichen Programmnummern gab übrigens Florian Schmidt-Bartha kleine Einführungen) entstammten aus dem Fundus der klassischen Moderne: George Enescus (1881 bis 1955) viersätzige C-Dur Sonate Nr.2 aus dem Jahr 1935 und die 19149 entstandene viel gespielte C-Dur Sonate von Sergej Prokofjew, die schon lange zu den pieces de resistance der hochkarätigen Cello-Literatur zählt. Kein Wunder, entstand dieses Werk doch in enger Zusammenarbeit mit dem legendären Mstislav Rostropowitsch, einem der führenden Cellisten des letzten Jahrhunderts, während Enescu seine Sonate dessen gleichrangigem, nicht weniger legendären Kollegen Pablo Casals gewidmet hat. Enescus Werk ist mit einer Spieldauer von etwa dreiviertel Stunden eine echte Herausforderung für jedes Duo, seine formale Komplexität und Zerklüftetheit geben Raum für unterschiedliche Analysen und natürlich Interpretationen. Florian Schmidt Bartha und seinem Partner Andrei Gologan gelang es dabei ausgezeichnet, die eher herbe, sperrige und introvertierte Tonsprache dieser Sonate zugänglich zu machen: Durch Klarheit der Interaktionen, klassische Expressivität und reine Klangschönheit, beispielsweise eine Kunst der tiefen Töne, die der Cellist vor allem in den ersten beiden Sätzen hinreißend zelebrierte. Auf der anderen Seite demonstrierte Pianist Andrei Gologan seine souveräne dynamische Spannweite von lyrischer Intimität bis hin zu furiosen Attacken.
Sie bewährte sich auch beim wohl unstreitigen Schluss- und Höhepunkt dieses Konzertabends, bei Prokofjews zu Recht berühmter C-Dur Sonate, worin der Komponist die traditionellen Ausdrucksmöglichkeiten des Violoncellos zu einer neuartigen Sprache von ungekannter Frische und Lebendigkeit emporführt. Das Duo Bartha – Gologan lief hier zu wirklich großer Form auf: Vom genussvoll ausgekosteten Cello-Rezitativ des Eingangs-Andante, den prachtvollen Klangkaskaden des Mittelsatzes bis hin zum explosiven Ausrufezeichen des Allegro-Finales.
Sehr langer, sehr herzlicher Beifall im Roten Saal, für den sich die beiden Musiker sehr großzügig mit zwei Kostbarkeiten bedankten: Der „Vocalise“ von Rachmaninow und dem „Danse sentimentale“ von Peter Tschaikowsky.
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