Bad Mergentheim. Trotz Bieranstich beim Volksfest und Olympiade-Start konnten Thomas Tuschhoff und Marc Müller von der Initiative Pro Tauberbahn am Freitag rund 50 Interessierte bei der Informationsveranstaltung in der Mehrzweckhalle Stadtgarten begrüßen.
Bürgermeister der an der Strecke liegenden Orte waren – möglicherweise bedingt durch das Volksfest – nicht im Publikum, dafür aber mit Harald Ebner und Kevin Leiser zwei Bundestagsabgeordnete, dazu MdL Armin Waldbüßer.
Dass sich mit Denis Kollai und Niklas Hofstetter Vertreter der Westfrankenbahn dem Gespräch stellten, Matthias Lieb, Qualitätsanwalt bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg und mit Gero Treuner und Oliver Roßmüller Vertreter des gemeinnützigen Verkehrsclubs Deutschland e.V., kurz VCD ebenso in die Debatte einklinkten wie etwa eine Elternsprecherin einer Bad Mergentheimer Schule belegt die Wichtigkeit des Themas.
Allein die hochkarätige Besetzung des Publikums belegt, dass das Thema auch über die Kernregion hinaus vielen unter den Nägeln brennt, denn es ruckelt gewaltig auf der vor rund 160 Jahren zweigleisig geplanten und seit 2006 von der Westfrankenbahn verantworteten Tauberbahnstrecke zwischen Crailsheim und Wertheim.
Es wird kräftig gebaut
Es wird kräftig gebaut an den Bahnhöfen: Gut so, finden alle Beteiligten. Dass Baustellen Probleme machen, wundert niemanden, und damit kämen die Kunden ja auch klar. Dass die Nutzung der Pendelstrecke, auf der Schüler, Auszubildende, Berufstätige und auch Touristen ihre Zielorte erreichen wollen, aber immer mal wieder zu einer Art Lotterie wird, sorgt zunehmend für Unzufriedenheit.
Abenteuerliche Fahrten
Kein Wunder, werden doch schon mal Schüler an den Haltestellen der Ersatzbusse wegen Überfüllung nicht mehr mitgenommen, sorgen doch mal hier Stellwerksproblem, mal da fehlendes Personal für Verspätungen, verpasste Anschlüsse. Züge, die zwar laut Bahnapp fahren, dann aber kurzfristig doch ausfallen, machen Fahrten vorsichtig ausgedrückt abenteuerlicher, als die meisten Reisenden wünschen.
Angesichts dessen hätte es wohl kaum verwundert, hätte sich die Veranstaltung nach der rund einstündigen Vorstellung des elaborierten „Pro Tauberbahn“-Zukunftskonzepts durch Mark Müller konfrontativ entwickelt. Müller, seit Kinderzeiten Bahn-Fan und genauester Kenner der hochkomplexen Materie Bahnnetz, präsentierte ausgefeilte Analysen und mögliche sowohl kurz als auch langfristige Lösungen und Zielplanungen vor.
Zentral dabei ist sind zwei Anliegen der Initiative: Einerseits wollen sie schnellstmöglich wieder einen zuverlässigen Betrieb der Tauberbahn erreichen, andererseits geht es darum, nicht durch aktuelle Baumaßnahmen Möglichkeiten für eine künftige, auf die Zukunft gerichtete Weiterentwicklungen zu blockieren.
Manches, was Marc Müller präsentierte, war für Bahnlaien kaum noch nachvollziehbar, verlangte aber Kennern der Materie wie Denis Kollai, dem Sprecher der Westfrankenbahn-Geschäftsleitung, deutlich Respekt ab.
Schülerverkehr Kerngeschäft
Auch er finde den aktuellen Zustand höchst unbefriedigend, räumte Kollai im Rahmen der insgesamt rund zweieinhalbstündigen Informationsveranstaltung ein. Gerade Probleme bei den Schülerverkehren nehme er sehr ernst, denn: „Das Kerngeschäft der Westfrankenbahn ist der Schülerverkehr.“
Kollai warb um Verständnis für auch kurzfristige Zugausfälle, die im App-Infonetz aktuell aus technischen Gründen nicht mehr innerhalb einer für Bahnreisende akzeptablen Frist mitgeteilt werden, bat angesichts der schwierigen Personalsituation mit mehreren langfristig erkrankten Mitarbeitenden um Geduld und konnte die gute Nachricht überbringen, dass mittlerweile drei neue qualifizierte Mitarbeiter gefunden wurden, der Personalstamm Mitte des kommenden Jahres wieder ausgeglichen sei und dass bereits nach den Ferien wieder Verlass sein soll auf den Übergangsfahrplan.
Das von der Initiative Pro Tauberbahn dem Land vorgestellte Zukunftskonzept wurde dort ebenso wie das der Westfrankenbahn für zwar fahrbar, aber nicht realistisch umsetzbar befunden, wie Kollai berichtete.
Zu knapp bemessen seien etwa die von Marc Müller eingeplanten Pufferzeiten, ergänzte Kollais für die Infrastukturplanung zuständiger Kollege Niklas Hofstetter, der unter anderem auf die allein die Schiebetritte benötigen Zusatzsekunden verwies.
Fit für die Verkehrswende
Einig scheinen sich Westfrankenbahn-Vertreter und die Pro Tauberbahn-Initiative in der Zielsetzung, die Tauberbahn fit für die Verkehrswende zu machen.
Auch das Land ziehe mit an diesem Strang: Aktuell werde etliches, das in den vergangenen Jahren als verzichtbar galt und zurückgebaut wurde, wieder neu errichtet. Das gelte, so Kollai, zum Beispiel auch für den erneuten Ausbau der Güterverladung wie beispielsweise in Gamburg, wo es bald wieder eine Steinverladung gebe, in Blaufelden oder Miltenberg.
Definition des Wünschenswerten
Weitgehend einig sind sich alle Beteiligten über die Definition des Wünschenswerten – wie etwa dem zweigleisigen Ausbau mehrerer Abschnitte zur Ermöglichung eines flexiblen Kreuzungsverkehrs für Züge oder dem gleiswechselbetriebtauglichen Ausbau des Bahnhofs Königshofen.
Und ebenso einig ist man sich darüber, dass Vieles davon zumindest auf absehbare Zeit schon aufgrund von Finanzierungsfragen – geistergleich scheint Stuttgart 21 aus einer Ecke im Hallenhintergrund zu winken – nur schwerlich wird umsetzen lassen.
Dass es gelang, trotz Vielfachärger über die Bahn ganz generell und die Situation der Tauberbahn im Speziellen von allen Seiten unaufgeregt und konstruktiv ins Gespräch zu kommen, setzt ein positives Signal.
Das Angebot, weiter im Gespräch zu bleiben und zu kooperieren, kam sowohl von der Initiative Pro Tauberbahn als auch von der Westfrankenbahn. Zu hoffen bleibt, dass es den anwesenden Mandatsträgern gelingt, einer Weiterentwicklung der Tauberbahn auch finanziellen Rückenwind zu beschaffen.
Das von der Initiative Pro Tauberbahn entwickelte Zukunftskonzept wird auch auf der Homepage der Initiative https://pro-tauberbahn.de ausführlich vorgestellt.
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