12. Debut Klassik-Gesangswettbewerb

Entwicklung der Gesangskunst beleuchtet

Eine von Clarry Bartha moderierte Matinée im Kursaal thematisierte den Gesang im gesellschaftlichen Zusammenhang

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Bad Mergentheim. Eine Matinée mit dem Titel „Gesang! Gestern – Heute – Morgen: Die Stimme als die menschlichste aller Kunstformen im Kontext unserer Zeit“ zum Auftakt des 12. Debut Klassik-Gesangswettbewerbs im Kursaal stimmte auf die öffentlich zugängliche Wettbewerbswoche vom 23. bis 28. September in Weikersheim ein.

37 internationale Nachwuchstalente, die sorgsam aus rund 250 zugelassenen Bewerbungen ausgewählt wurden, kommen ins Taubertal. Die Qualifikationsrunden sowie das Semifinale werden ab 23. September im historischen Gewehrhaus auf Schloss Weikersheim ausgetragen, während der Liederabend am 26. September und das Galakonzert mit Finalrunde am 28. September in der Tauberphilharmonie.

Debut hat sich im Reigen renommierter Gesangswettbewerbe einen besonderen Ruf erarbeitet. Clarry Bartha, künstlerische Leiterin von Debut und Moderatorin der Matinée, sah in ihrer Begrüßung „Emotionen, Visionen und Innovationen“ im Fokus des Gesangs.

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Von
Felix Röttger
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Mit dem Bariton Konstantin Krimmel, Preisträger bei Opus Klassik 2024 und als „Sänger des Jahres“ für seine Interpretation von Franz Schuberts „Die schöne Müllerin“ mit dem Pianisten Daniel Heide ausgezeichnet, konnte sie ein „Traumduo“ des Liedgesangs willkommen heißen.

Ob mit Franz Schuberts Vertonung es Hölderlin-Gedichts „An den Mond“ oder Robert Schumanns einprägsamer Gruselballade „Belsazar“ von Heinrich Heine: Das Duo berührte die Zuhörer mit reichen farblichen Schattierungen einer fließenden und klaren Baritonstimme sowie einer souveränen Klavierbegleitung von Daniel Heide. Krimmel entfaltete mit seinem lyrischen Bariton zum krönenden Abschluss der Matinée einen ganzen Kosmos an Gefühlswelten, als er Carl Loewes altschottische Ballade „Archibald Douglas“ von Theodor Fontane vortrug. Clarry Bartha eröffnete die Gesprächsrunde mit dem 1989 in Kiew geborenen Komponisten Adrian Mocanu, der für den Gesangswettbewerb das zeitgenössische Pflichtstück „...y mis tristes ojos ciegan, hechos río“ komponierte.

Paul McNamara, Tenor und Künstlerischer Leiter der Dutch National Opera Academy, wurde befragt, nach welchen Kriterien er Sängerinnen und Sänger für das Opernstudio auswähle. Es gebe viele tolle Stimmen mit guter Technik, doch spüre man oft den fehlenden Willen und die Fähigkeit, etwas kommunizieren zu wollen: „Darauf schauen wir beim Vorsingen und natürlich auch auf das Potenzial zur Entwicklung der Stimme.“

Zur Sicht eines Intendanten auf den Gesang meinte Bernd Loebe, Geschäftsführer und Intendant der Oper Frankfurt am Main: „Die Entwicklung des Gesangs kann man nicht völlig losgelöst von unserer Gesellschaft sehen. Wir sind ja in der Krise.“ Mit Sorge sehe er den wirtschaftlichen Niedergang des Mittelstandes und die Mittelkürzungen im Theatersektor.

Clarry Bartha kam auf die unglaublich große Konkurrenz im Sängerbereich zu sprechen, woraufhin Enrico Calesso, Generalmusikdirektor des Mainfranken Theaters und Musikdirektor des Teatro Giuseppe Verdi in Triest, sich über den passenden Soundtrack aus Carmen „Auf in den Kampf, Torero“ amüsierte, der deutlich vernehmbar aus einem Handy im Publikum ertönte: „Ich möchte betonen, dass es mir sehr leid tut, dieses Jahr nicht das Galakonzert dirigieren zu können.“ Mit zwei Premieren zeitgleich an zwei Häusern werde es schwierig. Zumal die Vorbereitung auf den Wettbewerb sehr intensiv sei. Er sehe aber das Konzert bei seinem hervorragenden Würzburger Konzertmeister Gábor Hontvári in besten Händen.

Die von Clarry Bartha angesprochenen Überforderung von Stimmen bestätigte Calesso: „Ich kenne Sänger, die vor Jahren bis zu 70 Vorstellungen in einer Spielzeit gesungen haben.“

Er habe immer versucht, darauf zu achten, dass sich die Sängerinnen und Sänger „nicht selbst vergessen.“ Man müsse den Mut haben, zu sagen „nein, diese Partie singst du nicht.“ Deshalb sei eine Planung mit fachgerechten Partien das Gebot der Stunde: „Dies richtig einzuschätzen ist nicht immer einfach.“ Sich einen Monat konsequent auf eine Partie vorzubereiten, sei im Repertoire-System an deutschen Theatern nicht einfach.

Zur Frage, ob man mit einer kritischen Rezension eine Sängerkarriere zerstören kann, hatte Journalist Uwe Friedrich eine klare Meinung: „Diese Macht habe ich überhaupt nicht.“ Natürlich würden schlechte Kritiken Sänger, Schauspieler und Regisseure betroffen machen. Es komme aber immer auf den Ton an. Nach seiner Erfahrung würden Verrisse eher von Intendanten und Agenten wahrgenommen: „Ich möchte aber betonen, dass sich die Kritik nicht in erster Linie an die Künstler, sondern an das Publikum richtet. Wir haben ja die Aufgabe, ein ästhetisches Urteil zu fällen.“ Friedrich betonte, dass auch der Kritiker dabei den gesellschaftlichen Strömungen seiner Zeit unterworfen ist.

Bernd Künzig, Opernredakteur bei SWR2, brachte in die Gesprächsrunde die Sichtweise ein, dass in der Vokalmusik Stimmen wie Instrumente gehandhabt werden.

Die vielzitierte Krise der Gesangskunst habe viel mit der medialen Verbreitung der Aufnahmen zu tun. Die von Bernd Künzig sehr gelobte Textverständlichkeit seines Gesangs kommentierte Konstantin Krimmel mit einem Satz, der – neben der natürlichen Begabung – die Bedeutung der Ausbildung treffend zusammenfasste: „Wie finde ich den Lehrer oder die Lehrerin, die mir zeigen, wie ich mein Instrument so gut ausbauen kann, dass ich in jeder Lage gut und gesund singen und gleichzeitig deutlich sprechen kann?“

Selbst heute sei es für ihn noch wichtig, Rückmeldungen von Personen zu bekommen, denen er vertraut: „Ich weiß nie zu 100 Prozent, wie meine Stimme außerhalb von mir selbst klingt.“

Einen positiven Aspekt der Corona-Zeit erwähnte der Pianist Daniel Heide zum Abschluss der Gesprächsrunde. Dem Pianisten reiche bekanntlich ein Zimmer mit Flügel und deshalb habe er in dieser Zeit nach dem Motto „back to the roots“ Klavierstücke einstudiert, zu denen er sonst keine Zeit gehabt hätte.

Ein schönes Geschenk an die Zuhörer war dann seine Beschreibung der „Ausnahmebegabung“ eines Konstantin Krimmel, der intuitiv und bewusst ein paar Dinge mache, die „magische skills“ seien: „Nicht zu dem Publikum hin zu singen, sondern es zu sich kommen zu lassen, bei sich zu bleiben und in der Lage zu sein, im Pianissimo den Präsenzknopf höher zu drehen.“

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