Tauber-Odenwald/Ilshofen. Die deutsche Fleischwirtschaft, besonders in Baden-Württemberg und Bayern, steht vor großen Herausforderungen. Im Fokus der aktuellen Debatten stehen dabei der Erhalt regionaler Schlachtstrukturen, die Sicherung der Tierhaltung und die Wertschöpfung für landwirtschaftliche Betriebe. Ein hochkarätig besetztes Hearing am Montag in der Hohenlohe Arena in Ilshofen brachte Landwirte, Verbandsvertreter und führende Akteure der Schlachtbranche zusammen, um über Lösungsansätze für die Zukunft zu diskutieren. Mit dabei waren Agrarminister Peter Hauk, Günther Felßner (Präsident Bayerischer Bauernverband), Clemens Tönnies (Gesellschafter Premium Food Group), Jürgen Maurer (Präsident Landesbauernverband Baden-Württemberg), Thomas Wieser (Vorsitzender Schweineerzeuger-Vereinigung Schwäbisch Hall) und Dr. Wilhelm Uffelmann (CEO Westfleisch).
Seit Jahren geht die Anzahl der Schlachtbetriebe zurück
Seit Jahren nimmt die Anzahl der Schlachtbetriebe hierzulande ab. Besonders große Standorte wie Crailsheim spielen eine zentrale Rolle für die regionale Versorgung und die Wertschöpfung der Landwirte in Süddeutschland. Der Rückgang der Schlachtkapazitäten führt zu längeren Transportwegen für die Tiere, was nicht nur aus Tierschutzsicht problematisch ist, sondern auch die Kosten für die Landwirte erhöht und die regionale Produktion schwächt. Baden-Württemberg ist bereits heute nur noch zu 40 bis 50 Prozent selbstversorgend im Schweinebereich.
Thomas Wieser brachte die Dringlichkeit auf den Punkt: „Wir brauchen diesen Schlachthof. Wir haben die Immobilie, wir haben die Landwirte, wir haben wirklich gute Vermarktung. Wir brauchen nur entsprechende Schlachter.“ Und er fügte hinzu: „Ob eine Tönnies-Fahne, eine Westfleisch-Fahne oder eine Genossenschafts-Fahne auf dem Schlachthof-Gelände weht, ist uns hier in Hohenlohe grundsätzlich gar nicht wichtig. Es muss nur funktionieren.“
Einhellige Meinung unter den Diskutanten in Ilshofen war, dass die Tierhaltung das Rückgrat der bäuerlichen Familienbetriebe in Süddeutschland bilde. Ohne sie wäre die Vielfalt der Höfe und die Pflege der Kulturlandschaft nicht denkbar. Günther Felßner betonte: „Ohne Tierhaltung ist die Vielfalt der Höfe nicht denkbar.“ Tiere, besonders Rinder, seien nicht die Klimasünder, sondern essenziell für den Klimaschutz und die Biodiversität in Grünlandregionen im Einsatz. Sie schlössen Kreisläufe und sicherten die Ernährung, ergänzte Peter Hauk. Investitionen in die Tierhaltung seien jedoch seit Jahren rückläufig. Um dies zu ändern, forderten die Landwirte klare Signale und Planungssicherheit von Politik hierzulande und EU.
Minister Peter Hauk betonte die Bedeutung des Schlachthofs Crailsheim für die Region. Ohne seinen Weiterbetrieb könnten die regionalen Strukturen nicht aufrechterhalten werden. Es drohe in diesem Fall eine Unterversorgung.
Die geplante Übernahme der süddeutschen Vion-Schlachtstandorte – Crailsheim, Buchloe und Waldkraiburg – durch die Tönnies-Gruppe hat die Diskussion um die Marktkonzentration neu entfacht. Clemens Tönnies äußerte sein tiefes Bedauern über das Veto des Bundeskartellamtes, das er als nicht schlüssig empfindet: „Wenn das Kartellamt uns das untersagt, ist nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar.“ Er betonte das Interesse seines Familienunternehmens, die Verantwortung für die Standorte zu übernehmen und diese durch Innovation, Effizienz und regionale Programme zukunftsfähig zu machen. Tönnies versicherte, dass sein Unternehmen auch Lohnschlachtungen anbieten wolle, um kleineren Metzgern und Erzeugergemeinschaften die Nutzung der Infrastruktur zu ermöglichen: „In unserem Konzept steht, dass wir sogar den Betrieb einem Öffentlichkeitscharakter unterziehen wollen. Das heißt, es kann dort jeder schlachten.“
Auch Westfleisch, vertreten durch Dr. Wilhelm Uffelmann, hat jetzt sein großes Interesse an den Vion-Standorten bekundet. Als genossenschaftlich organisiertes Unternehmen, das über 5000 Bauernfamilien vertrete, sieht Westfleisch sich in einer starken Position, die Regionalität zu unterstützen und die Bedürfnisse der süddeutschen Landwirtschaft zu verstehen. Uffelmann zeigte sich ebenfalls offen für Lohnschlachtungen: „Ich würde Sie einladen in unsere Standorte nach Hamm und Coesfeld. Dort praktizieren wir ähnliche Modelle.“ Er wies darauf hin, dass eine ministerielle Erlaubnis für Tönnies in dieser Angelegenheit höchst unwahrscheinlich sei und Westfleisch bereitstehe, sämtliche Standorte zu übernehmen.
Die Landwirte und ihre Verbände appellieren dringend an alle Beteiligten, eine schnelle Lösung für die Zukunft der Schlachtbetriebe zu finden. Die Unsicherheit schade der gesamten Branche und untergrabe das Vertrauen der betroffenen Landwirte. Eine Hängepartie, wie die monatelange Entscheidungsfindung des Kartellamtes, sei wirtschaftlich nicht tragbar. „Wir brauchen eine schnelle Lösung, das ist ganz wichtig“, betonte Günther Felßner.
Jürgen Maurer fasste die Forderung wie folgt zusammen: „Die Schlachthöfe dürfen nicht geschlossen werden, sie müssen bleiben, sie müssen in der Anzahl bleiben.“ Er betonte auch die Bedeutung des Miteinanders: „Das oberste Ziel ist, der Schlachthof muss erhalten bleiben. Das ist für uns hier drum exorbitant wichtig.“
Clemens Tönnies stellte klar, dass die Branche keine Subventionen für den Schlachtbetrieb selbst benötige, sondern in der Lage sein müsse, ihre Erträge am Markt zu generieren: „Bitte keine Subvention für Schlachtbetriebe. Wenn wir unsere Erträge nicht im Markt generieren, müssen wir aufhören.“ Stattdessen sollten politische Maßnahmen darauf abzielen, ein positives Investitionsklima für die Landwirte zu schaffen und die Tierhaltung im Land zu stärken. Eine Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und ein langfristiger Schutz von Ställen seien dabei essenziell.
Wunsch nach Schulterschluss der gesamten Branche
Abschließend wurde der Wunsch nach einem Schulterschluss der gesamten Branche – von der Viehhaltung über die Schlachter bis zur Politik – artikuliert. Es gehe darum, die Nahrungssouveränität und Versorgungssicherheit Deutschlands zu gewährleisten, kurze Transportwege aus Tierschutzgründen zu erhalten und die deutschen Standorte zu stärken.
Die Landwirte sind bereit, die Zukunft aktiv mitzugestalten, fordern aber verlässliche Rahmenbedingungen und eine transparente Entscheidungsfindung.
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