13. Bad Mergentheimer MS-Tag

Bad Mergentheimer MS-Tag: Neue Wirkstoffe machen Hoffnung

Rund 150 Teilnehmer vor Ort und mehr als 400 online informierten sich beim MS-Tag im Caritas-Krankenhaus über neue Möglichkeiten in der Diagnostik und Therapie der chronischen Nervenkrankheit Multiple Sklerose.

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Eine Molekularbiologin prüft das Wachstum von Zellen. Ihre Arbeit dient der Forschung auf dem Gebiet von schweren Erkrankungen wie Altersdemenz oder Multiple Sklerose. © Jan Woitas/dpa

Bad Mergentheim. „Wachsende therapeutische Möglichkeiten haben das Gesicht der MS in den letzten 20 Jahren sehr zum Günstigen verändert“, erklärte der Chefarzt der Klinik für Neurologie am Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim Prof. Dr. Mathias Buttmann in seinem Vortrag zum Thema „Neues zur medikamentösen Therapie der MS“ beim 13. Bad Mergentheimer MS-Tag. „Große Hoffnungen für die nähere Zukunft setzen wir derzeit in eine neue Wirkstoffklasse, die Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren (BTKi). Sie gelangen durch die Blut-Hirn-Schranke ins Zentralnervensystem und wirken wahrscheinlich direkt auf spezielle Immunzellen im Gehirn, die therapeutisch bislang kaum beeinflussbar waren“, führte Buttmann aus.

Neben einer guten Schutzwirkung gegen Krankheitsschübe hoffe man aufgrund neuer Wirkmechanismen vor allem auch auf eine Wirkung gegen die bislang therapeutisch nur wenig beeinflussbare chronische Progredienz. Erste Ergebnisse aus großen kontrollierten Zulassungsstudien seien in wenigen Monaten zu erwarten. „Diese Studiendaten müssen wir abwarten – sowohl was die Wirkungen als auch mögliche Nebenwirkungen angeht“, beschrieb Buttmann den aktuellen Stand.

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Buttmann bestärkte die Zuhörer außerdem darin, bei ihrer Therapie Vertrauen auch in preisgünstigere Nachahmerpräparate, sogenannte Generika, zu haben, von denen in den letzten Monaten einige zur Therapie der MS zugelassen wurden. Direkte Nachteile seien hierdurch für Behandelte nicht zu befürchten.

Hilfreich gegen Fatigue

Am Ende seines Vortrags ging Prof. Buttmann auf die Fatigue ein, eine abnorme Müdigkeit und Erschöpfbarkeit, die nach seiner Aussage viele Menschen mit MS in ihrem Alltag behindert. Vor wenigen Monaten seien bei der Jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft für Neurologie Ergebnisse kontrollierter Studien vorstellt worden, die den Einfluss der Ernährung auf MS-Fatigue untersucht hätten. Menschen mit MS, die sich ein halbes Jahr lang sehr fettarm ernährt hatten, zeigten deutlich weniger abnorme Erschöpfbarkeit als die Vergleichsgruppe. „Umgekehrt kann sich auch eine ketogene Diät positiv auswirken, bei der auf Kohlenhydrate weitgehend verzichtet wird. In dieser zweiten Studie wirkte sich die Diät positiv auf die Schlafqualität und die Tagesmüdigkeit sowie die Schlaflosigkeit bei Nacht aus.“ Eine Ernährungsumstellung sei daher bei behindernder Fatigue zu erwägen, so der MS-Experte.

Bewährte und neue kernspintomographische Möglichkeiten erläuterte im Anschluss der Chefarzt der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Prof. Dr. Manoj Mannil. „Die MR-Bildgebung ist essentiell für die Diagnose, die Verlaufsbeurteilung und das Therapie-Monitoring der Multiplen Sklerose. Die Magnetresonanztomografie ermöglicht die Beurteilung der Krankheitsschwere und der Aktivität, aber auch eine Charakterisierung des Krankheitsverlaufs und die Früherkennung von Therapie-assoziierten Nebenwirkungen“.

Keine Angst vor dem Einsatz

Mannil betonte ausdrücklich die Bedeutung des Einsatzes von Kontrastmittel für eine bestmögliche Diagnose der MS: „Bei der Beurteilung der Aktivität der Läsionen ist die Untersuchung mit Kontrastmittel geboten, da die aktiven Läsionen Kontrastmittel aufnehmen und so sichtbar werden. Die Bildgebung mit Kontrastmittel erhöht die Aussagekraft deutlich. Am Caritas-Krankenhaus nutzen wir ein makrozyklisches Kontrastmittel, das sich – anders als lineare Kontrastmittel – nicht im Gehirn ablagert und auch nur bei 0,07 Prozent der Patientinnen und Patienten eine allergische Reaktion hervorruft. Dieses MR Kontrastmittel ist also sehr sicher“, bekräftigte Mannil in Bezug auf die Kontrastmittelsicherheit.

Künstliche Intelligenz

Mannil forscht seit Jahren zur Künstlichen Intelligenz in der MR-Bildgebung und stellte das neue MR-Gerät im Caritas-Krankenhaus vor, das mit Hilfe künstlicher Intelligenz in Kürze das automatisierte Erkennen und Auslesen von Läsionen ermöglichen wird – immer kontrolliert durch einen erfahrenen Radiologen. „Schon bald eröffnet uns die Künstliche Intelligenz noch weitere Möglichkeiten, wie eine Multi-Shot-Bildgebung in nur 25 Sekunden, oder das Erstellen eines ganzes MS-Protokolls in weniger als zwei Minuten. Die Künstliche Intelligenz kann schon jetzt Bilder schärfen, wenn sie verwackelt sind, und sie wird auch fähig sein, virtuell zu berechnen, welche Läsionen Kontrastmittel aufnehmen würden und welche nicht. Unsere Patienten profitieren schon jetzt von den kürzeren Untersuchungszeiten, die mit neuer Technik in Zukunft noch deutlich verringert werden können“, erklärte Mannil. Abschließend empfahl er allen Menschen mit MS auch bei Beschwerdefreiheit eine jährliche Bildgebung des Gehirns.

Krankheitsaktivität

Dr. Waldemar Kafke, Oberarzt der Klinik für Neurologie, erklärte die Möglichkeiten der neurologischen Funktionsdiagnostik: „Der Patient wird akustischen, sensorischen, visuellen oder magnetischen Reizen ausgesetzt und wir können dann mit Elektroden messen, ob und wie das Signal dieser Stimulation im Gehirn ankommt. Wir überprüfen auf diese Weise die Funktionsfähigkeit von Bahnsystemen und können so wichtige Rückschlüsse auf aktuelle oder zurückliegende Krankheitsaktivität ziehen“, erklärte Kafke. „Zwar ist diese Funktionsdiagnostik nicht mehr Teil der offiziellen Diagnosekriterien, jedoch für ein umfassendes Bild zu Erkrankungsbeginn und im Verlauf von enormer Bedeutung. Wir erlangen mit den Ergebnissen der Funktionsdiagnostik, zu denen neben den sogenannten „Evozierten Potentialen“ auch die optische Kohärenztomographie gehört, Informationen, die wir mit keiner anderen Methode bekommen können. Tatsächlich lassen sich mit der Funktionsdiagnostik auch versteckte Läsionen finden“, betonte er.

Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit, sich in einem von vier Workshops durch Therapeuten des Caritas-Krankenhauses zu Krafttraining, Ergotherapie, Logopädie und Kinaesthetics bei MS zu informieren. Außerdem stellten sich beim „Meet the Expert“ Buttmann, Kafke sowie aus der neurologischen Praxis in Rothenburg Dr. Rückert und PD Dr. Sabolek informativ und unterhaltsam den Fragen der Zuhörer. ckbm

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