Bad Mergentheim/Berlin. „Wir brauchen von allen Seiten eine Kultur der Ermöglichung, der Risikofreude und der Bereitschaft, auch Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen“, sagt Dr. Franziska Brantner (Grüne) im FN-Interview. Sie ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium und Robert Habeck ihr Chef. Auf ihrer Sommertour machte sie vor kurzem auch Station in Bad Mergentheim.
Das Gebäudeenergiegesetz sorgt für viel Gesprächsstoff im ganzen Land. Viele Hausbesitzer sind in Sorge, genervt und fühlen sich von den Anforderungen, die bald gelten sollen, überfahren. Hat das Bundeswirtschaftsministerium hier das richtige Handeln an den Tag gelegt oder überfordert es die Bevölkerung?
Franziska Brantner: Das Ziel ist bezahlbares Heizen, auch in Zukunft, das nachhaltig ist und uns nicht abhängig macht von fossilen Importen. Deswegen haben wir das Gebäudeenergiegesetz so ausgestaltet, dass alle diesen Weg gehen können.
Es wird eine sozial gestaffelte Unterstützung von bis zu 70 Prozent beim Kauf einer neuen, klimafreundlichen Heizung geben, falls die alte unreparierbar kaputt geht. Außerdem gibt es die Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung, damit jeder weiß, welche Möglichkeiten zum klimaneutralen Heizen vor Ort Bestehen. Damit bringen wir den Klimaschutz ein großes Stück voran.
Wir steigen damit ein in klimafreundliches und von fossiler Energie unabhängiges Heizen. So sorgen wir dafür, dass das warme Zuhause auch in Zukunft angesichts immer teurer werdenden Öles und Gases für alle bezahlbar bleibt. Dies alles hätten wir als Bundesregierung noch klarer kommunizieren können.
Sehen Sie einen Zusammenhang mit den abstürzenden Umfrage-Werten für die Grünen und dem gleichzeitigen Auftrieb für die AfD?
Brantner: Wir leben in unsicheren Zeiten nach einer anstrengenden Corona-Pandemie, dem russischen Angriffskrieg in Europa und der daraus resultierenden Inflation. Die AfD bringt keine konstruktiven Vorschläge ein, aber verbreitet Lügen über die Wärmepumpe und schürt damit Ängste. Dem stellen wir Grüne uns entgegen: Wir arbeiten daran, das Vertrauen in die liberale Demokratie zurückzugewinnen und allen Menschen Sicherheit und Perspektiven zu geben. Dafür brauchen wir auch einen agilen und leistungsfähigen Staat.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind weltweit sichtbar. Wie gut ist Deutschland schon auf dem Weg zur CO2-armen Wirtschaft vorangekommen? Welche Anstrengungen müssen jetzt unternommen werden? Kostet das unseren Wohlstand?
Brantner: Klimaschutz ist der Schutz unserer Freiheit und der Freiheit zukünftiger Generationen, das sehen wir auch gerade wieder angesichts der gefährlichen Hitze und Unwetter in vielen Teilen der Erde. Unser Ziel ist deshalb, unseren Wohlstand nachhaltig und enkeltauglich zu machen. Dafür gestalten wir den Übergang in eine Wirtschaft, die nicht auf dem Verbrennen von Rohstoffen aufbaut, so, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten und hier nachhaltige Wertschöpfung und gute Jobs in den Zukunftsindustrien sichern. Dafür hat die Bundesregierung bereits einiges auf den Weg gebracht: schnellere und einfachere Verfahren für mehr Erneuerbare Energien, das Deutschlandticket, den Einstieg in klimafreundliches Heizen, die Unterstützung energieintensiver Branchen wie Stahl. Das reicht natürlich noch nicht aus. Wir legen gerade die Grundlagen für die Versorgung mit grünem Wasserstoff und werden noch weitere bürokratische Hürden, etwa bei der Photovoltaik, abschaffen.
Die Europapolitik ist auch kein einfaches Feld. Sie sind dafür in Ihrem Ministerium mit zuständig. Wie schlägt sich die EU gegenüber der Konkurrenz aus den USA und Fernost bzw. Südostasien? Wie sehr schaden der Fachkräftemangel, die hohen Strompreise und die Bürokratie gerade dem Wirtschaftsstandort Deutschland?
Brantner: Deutschland und die EU sind ein starker Wirtschaftsstandort. Wir arbeiten daran, dass wir ein innovativer Player bleiben und packen die genannten Herausforderungen an. Wir haben das Fachkräfteeinwanderungsgesetz reformiert, schaffen Bürokratie ab, arbeiten an einem Industriestrompreis.
In der EU setzen wir uns für einen vereinfachten Zugang zu Finanzhilfen für wichtige Zukunftsindustrien ein. Um eine sichere und bezahlbare Energieversorgung zu sichern, wird europaweit der Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigt. Hier müssen wir dranbleiben und weiterhin Bürokratie abbauen, um noch schneller zu werden.
Gleichzeitig verstärken wir unsere internationalen Partnerschaften, etwa mit neuen EU-Handelsabkommen mit Neuseeland oder Chile und beteiligen uns intensiv an dem europäischen Rohstoffgesetz, um die nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen sicher zu stellen. So schaffen wir auch Wirtschaftssicherheit – wir verringern Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten unserer Volkswirtschaft und erhöhen unsere Handlungsfähigkeit. Aber das braucht Zeit und lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen.
Die digitale Transformation ist in aller Munde, Künstliche Intelligenz in den Unternehmen auf dem Vormarsch. Wie sehr wird das Jobs kosten? Wie weit ist Deutschland in diesem Bereich? Welche Schritte sind als nächstes nötig und was kann die Politik beitragen?
Brantner: Wir wollen die Potenziale der digitalen Transformation bestmöglich nutzen. Künstliche Intelligenz kann einen wichtigen Beitrag leisten, unseren Standort zukunftsfest zu machen.
Unsere Unternehmen leiden an Arbeitskräftemangel – es stellt sich daher die Frage, wie digitale Technologien am besten fehlende Arbeitskräfte ersetzen können. Insbesondere unsere Industrie nutzt bereits digitale Technologien in der Fertigung. Um mehr digitale Geschäftsmodelle zu ermöglichen, haben wir uns in der EU erfolgreich für einen besseren Datenzugang für unsere Unternehmen eingesetzt.
Bei KI-Technologien sind wir in der Forschung schon Spitzenklasse, gerade hier in Baden-Württemberg. Für mehr KI-Unternehmen brauchen wir in Europa mehr staatliche und private Investitionen. Die Bundesregierung hat dafür in den vergangenen Jahren um die drei Milliarden Euro investiert. Und wir arbeiten an einem klugen rechtlichen Rahmen in Europa, damit unsere Unternehmen die Möglichkeiten von KI besser nutzen können und gleichzeitig den Risiken durch KI vorgebeugt wird.
Wenn Sie speziell auf Baden-Württemberg und die Region Heilbronn-Franken schauen, was ist dann hier vor Ort zu tun, um Industrie und Unternehmen weiterhin ein gutes Umfeld zu bieten und jeden Gedanken an Abwanderung zu zerstreuen?
Brantner: Die Besuche bei unseren Unternehmerinnen und Unternehmern hier in der Region während meiner Sommertour haben mir erneut gezeigt: Wir sind ein wirtschaftlich starkes und innovatives Land voller Menschen, die anpacken. Unsere Unternehmen können zurecht stolz darauf sein, hier den nachhaltigen Wohlstand der Zukunft aufzubauen. Um das zu erhalten, brauchen wir von allen Seiten eine Kultur der Ermöglichung, der Risikofreude und der Bereitschaft, auch Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen.
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