Dichter mit Leib und Seele

Bad Mergentheim: Willi Habermann war Germanist, Aphoristiker und Lyriker

Willi Habermann war ein Dichter mit Leib und Seele, ein außergewöhnlicher Lehrer und Leiter der Volkshochschule. Am 12. Februar wäre er 100 Jahre alt geworden.

Von 
Joachim W. Ilg
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Willi Habermann war fasziniert von der Welt der Sprache. Lesen und Schreiben waren sein tägliches Brot. Mit Worten und Wortfindungen schuf er dichterisch eine eigene (unsere?) Welt. Das Buch „Em Karree gsät. . .“ (auf dem ein Bild des Dichters liegt) wurde jetzt neu aufgelegt. © Joachim W. Ilg

Bad Mergentheim. Willi Habermann starb am 13. Oktober 2001. Dass er mit seiner eindrucksvollen Präsenz plötzlich einfach nicht mehr da sein würde, war für viele, die ihn kannten, fast unvorstellbar. In der Todesanzeige war vom Dank für seine Liebe, sein Lachen und Weinen und sein „Mit-uns-leben“ die Rede. Und das war er ja auch, ein mit seinen Mitmenschen Mit-Lebender, Mit-Fühlender, Mit-Lachender und Mit-Trauernder. Immer offen und bereit zuzuhören.

Im Radio und im Laden

Die Buchhandlung Moritz und Lux hat anlässlich seines 100. Geburtstages das Buch „Em Karree gsät. . .“ mit Gedichten von Willi Habermann und Erinnerungen an ihn neu aufgelegt.

Am 12. Februar, dem 100. Geburtstag von Willi Habermann, kommt im SWR 2-Radio um 15.20 Uhr die Sendung „Kultur und Lebensart“ mit einem Beitrag, der sich mit den Naturgedichten Habermanns näher beschäftigt. jwi

Ein Dichter mit Leib und Seele. Ein Lehrer mit intellektueller Gebärde. Ein Kunstliebhaber und kritischer Zeitgeist. Als Leiter der Volkshochschule war er auch ein Kulturträger Bad Mergentheims, der für frischen Wind sorgte.

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Willi Habermann kam am 12. Februar 1922 in Neu-Ulm auf die Welt und hat mit seinem ersten Schrei wohl schon „schwäbisch gesungen“, wie ihm augenzwinkernd nachgesagt wurde, denn seine Dichtersprache war neben dem Hochdeutschen vor allem seine Muttersprache, das Ulmer Schwäbisch.

Prägende Einflüsse

Zu den prägenden Einflüssen seiner jungen Jahre gehörten die Geschwister Scholl, die unter dem Namen „Weiße Rose“ Flugblätter gegen das NS-Regime verteilten und dafür hingerichtet wurden. In München studierte er Germanistik, Französisch, Geschichte und Philosophie, Fächer, die er seit 1952 am Bad Mergentheimer Deutschorden-Gymnasium unterrichtete.

Zudem war er von 1964 bis 1976 ehrenamtlicher Leiter der Volkshochschule, wobei er mit Kunstausstellungen auch aus dem osteuropäischen Raum Neuland in der Kurstadt betrat. 1982 ging er als Gymnasialprofessor in den aktiven Ruhestand.

„Ohne Atem schwebt der Tag“

„Schneesternflocke, Himmelslocke, filigran, rührt mich an“. Das Dichten begleitete ihn tagein, tagaus und schien zeitweise keine Atempause zu kennen.

Seine „Tagebücherei“, wie er einen Teil seiner poetischen Produktion nannte, begann oft schon in der Nacht. In seiner Wohnung gab es an verschiedenen Stellen Blätter und Schreibstifte, um zu jeder Tages- und Nachtzeit Verse oder Ideen zu Gedichten nieder zu schreiben. Und da griff er fast alles auf, was ihm vor die poetischen Fänge kam: Alltagsschnipsel, Nachrichtenspäne, Gedankensplitter, Natureindrücke. Daneben dann das Werk der „Einzelgedichte“, die aus der Tagesproduktion heraus ragten und zwischen zwei Buchdeckeln für die Öffentlichkeit vorgesehen waren: „Ohne Atem schwebt der Tag“.

Habermann hat ein umfangreiches literarisches Werk geschaffen, zu dem auch Beiträge in namhaften Zeitschriften („Frankfurter Hefte“ oder „Merian“) gehörten. Zudem stößt man in zahlreichen Lesebüchern und Anthologien auf Gedichte von ihm.

Immer wieder, wenn von schwäbischer Literatur die Rede ist, taucht der Name Habermann auf. So auch in dem Band „Schwäbischer Parnaß – Betrachtungen zur Literaturgeschichte Württembergs“ (1983), in dem die Frage aufgeworfen wird: „Gibt es auch heute noch echte schwäbische Dichtung?“ Und die Antwort lautet: „Natürlich gibt es sie“, wobei auch an „die in jüngster Zeit wieder sehr lebendige echte, unverfälschte Dialektdichtung“ eines Thaddäus Troll und Habermann zu denken sei.

„Bloß falsch naglangt“

In dem Band „Hohenlohe“ der Landeszentrale für politische Bildung (1993) wird Habermann als Lyriker hervorgehoben, der in Gedichtbänden wie zum Beispiel „Wia där Hond beißt“ und „Bloß falsch naglangt“ seine „aphoristisch zugespitzten Texte“ präsentiert, wobei er mit dem „Blick des Satirikers für entlarvende Momentaufnahmen“ ein „Mosaik kleinstädtischen Alltags“ geschaffen habe. Darüber hinaus habe der Autor in mehreren Bänden Texte aus dem Alten Testament (zum Beispiel Psalmen) ins Schwäbische übertragen, die „philologische Genauigkeit und existentielle Betroffenheit verbinden“.

Thaddäus Troll urteilte, „endlich mal ein Mann, der aufdeckt, dass man mit der schwäbischen Sprache nicht nur witzeln, verniedlichen, verharmlosen kann“, sondern dass man mit ihr Menschliches „sehr viel präziser und bildhafter schildern kann als in der sterilen Hochsprache“.

Willi Habermann hat auch Theaterstücke geschrieben, eine Publikation über den Bauernkrieg im Taubergrund herausgegeben, wurde als Dichter der „Hochsprache“ viel zu wenig gewürdigt, trat bei zahlreichen Lesungen auf und machte dabei immer Lust auf Lyrik. Und in einer Kurzbiografie heißt es: „Willi Habermann (…) Germanist, Buchnarr, Aphoristiker und Lyriker“. Für ihn war die Welt „ein schöner Samen“.

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