Bad Mergentheim. Die Verkehrspolitik in Bad Mergentheim bekommt immer stärkeren Gegenwind. Einzelhändler, Geschäftsleute und Gewerbetreibende haben in übergroßer Deutlichkeit in einer privat organisierten Umfrage ihre Kritik kundgetan und über 30 taten dies auch bei einem Treffen mit Oberbürgermeister Udo Glatthaar im Rathaus.
Auf FN-Nachfrage erklärt OB Glatthaar: „Zuallererst habe ich und haben wir von Seiten der Verwaltung großes Verständnis für die Themen, Sorgen und Anliegen unserer Geschäftsleute. Wir alle wollen eine attraktive Innenstadt, sehen den Druck, der vor allem auf dem Einzelhandel lastet und sind uns grundsätzlich einig, dass wir sowohl das Stadtbild aufwerten als auch eine gute Erreichbarkeit herstellen wollen. Die unterschiedlichen Standpunkte betreffen die Wege und Möglichkeiten, diese Ziele zu erreichen.“
200 Fragebögen zur Verkehrssituion in Bad Mergentheim verteilt
Rund 200 Fragebögen haben Apotheker und Freie Wähler-Stadtrat Stefan Dietz, Graziano Parutto, der das Eiscafé Venezia betreibt, und Wolfgang Wunderle (ehemals Leder Pfahler) in den vergangenen Wochen in der Innenstadt verteilt, weil sie selbst unzufrieden mit der Verkehrsführung und Parkplatzsituation sind und darüber ins Gespräch kamen und sich dazu entschieden, aktiv zu werden. Hilfe hatten sie von Irmgard Wunderle und Sonja Götzelmann (ihr Sohn betreibt vor Ort eine Rahmenmanufaktur).
157 Einzelhändler, Geschäftsleute und Gewerbetreibende gaben laut Initiatoren ihre Umfrage-Zettel bis Ende vergangener Woche zurück und alle, also 100 Prozent, erklärten ihre Unzufriedenheit mit der Verkehrsführung in der Innenstadt. 154 finden die Verkehrspolitik in der Gesamtstadt nicht gut und 155 sind auch mit der Parkplatzsituation nicht zufrieden. An den Kosten für die Landesgartenschau stören sich noch 140 von 157.
„Die Ergebnisse sind eindeutig!“ Darin sind sich Stefan Dietz, Graziano Parutto und Wolfgang Wunderle einig. Und Dietz betont im gemeinsamen FN-Redaktionsgespräch: „Wir wollen jetzt Taten von der Verwaltung, vom Oberbürgermeister und vom Gemeinderat sehen und lassen auch nicht mehr locker.“
Zusammen mit über 30 anderen Umfrage-Teilnehmern und Betroffenen marschierte man auch zum Oberbürgermeister und suchte den Austausch. „Weil wir so viele waren, sind wir in den Großen Sitzungssaal umgezogen und der OB hat sich samt neuem Wirtschaftsförderer alles geduldig angehört“, lobt Dietz das Treffen, das aus seiner Sicht über eineinhalb Stunden sachlich ablief. Jeder habe seine persönliche Kritik äußern dürfen „und das war auch nötig und gut so“, fügt Dietz an.
Einzelhändler in Bad Mergentheim: „Wir werden drangsaliert“
„Der OB hat uns erklärt, dass alles besser wird, wenn bis 2034 zur Landesgartenschau alles fertig ist“, berichtet Dietz vom Rathaus-Termin und schiebt Kritik nach: „Ob dann alle Einzelhändler noch da sind, das ist die große Frage.“ Zudem habe der OB mehrfach darauf verwiesen, dass die Stadt doch schon viel für die Einzelhändler und Gewerbetreibenden getan habe – „doch das sehen wir ganz anders“. Graziano Parutto ergänzt: „Eher im Gegenteil! Wir werden vom Ordnungsamt drangsaliert. Jeder Kundenstopper, jeder Liegestuhl oder irgendwelche Weinfässer, die als Stehtische vor der Ladentüre stehen – alles wird kontrolliert. Für jeden Quadratmeter, den man draußen nutzt, wird sofort eine Rechnung präsentiert, aber die Kommunikation geht gegen null. Es gibt wenig bis kein Entgegenkommen.“ Und Wolfgang Wunderle merkt aus vielen Gesprächen in der Stadt an: „Leider sehen wir wenig Fingerspitzengefühl bei der Stadt, die Leute haben wirklich Existenzangst und sind total verärgert über die Gesamtsituation im Verkehrsbereich.“
Verkehrsproblematik: Diese Forderungen gibt es an die Stadt Bad Mergentheim
Bis auf ein paar große Filialisten hätten sich „fast alle Angefragten in der Innenstadt“ an der Umfrage beteiligt, sagt noch Parutto, der wie seine „Kollegen“ viele Sorgen hörte, als er von Laden zu Laden ging und sich Zeit für eine Unterhaltung nahm.
Die Öffnung des Oberen Grabens, die zeitweise Überfahrt des Deutschordenplatzes, längeres kostenfreies Parken und neue Parkplätze, die halbseitige Öffnung des Gänsmarktes Richtung Härterichstraße und mehr Großzügigkeit vom Ordnungsamt lauten nun die Kernforderungen an die Stadt.
„Der Verkehr muss fließen und alle Wege durch die Stadt, beispielsweise auch zum Parkhaus an der Polizei, gut ausgeschildert sein“, sagen Parutto, aber auch Sonja Götzelmann, Wolfgang und Irmgard Wunderle, die sich zufrieden mit dem OB-Gespräch zeigen, „wenn es jetzt weitergeht, etwas passiert“ und man sich hoffentlich in drei Monaten zum Folgetermin trifft.
„Wir wollen die Verkehrsführung und die Parkraumsituation verbessern“, verspricht Oberbürgermeister Glatthaar in seiner Stellungnahme gegenüber den FN. Er verstehe die Sorge, dass Maßnahmen zu lange auf sich warten lassen oder die Umsetzung zu langsam vonstatten geht.
Er erinnert aber auch daran, dass die große Mehrheit des Gemeinderats und zahlreiche Bürger sich in den vergangenen Jahren dafür ausgesprochen haben, zwar genügend Parkplätze für kurze Wege zu schaffen, aber ebenso für eine Verkehrsberuhigung, die Einschränkung des Durchgangsverkehrs, eine neue Platzgestaltung und eine verbesserte Aufenthaltsqualität stimmten.
Zur Händler-Umfrage selbst merkt der OB kurz an, dass er vier Fragen mit Ja/Nein-Antwortmöglichkeit „als doch recht schlagwortartig und nicht differenziert genug einschätzt“. Zusammen mit dem neuen Wirtschaftsförderer wolle man sich dennoch allen Sorgen und Nöten annehmen.
Eine Umfrage in der Bad Mergentheimer Innenstadt und mehrere Forderungen an die Stadt
Folgende Fragen wurden in der Umfrage gestellt. Ja oder Nein standen als einzige Antwortmöglichkeit zur Verfügung.
„Sind Sie mit der Verkehrsführung in der Innenstadt zufrieden?“ Nein antworteten laut Initiatoren 157 Teilnehmer; mit Ja hingegen keiner.
„Sind Sie mit der Verkehrsführung in Bad Mergentheim zufrieden?“ 154 sagten Nein, drei Ja.
„Sind Sie mit der Parkplatzsituation in Bad Mergentheim zufrieden?“ 155 Nein, zwei Ja.
„Braucht Bad Mergentheim eine Landesgartenschau mit dieser Kostenentwicklung?“ 14 Ja und 140 Nein laut Initiatoren.
Was sind die Kernforderungen der unzufriedenen Geschäftsleute, Händler und Gewerbetreibenden an die Stadt Bad Mergentheim:
„1. Öffnen Sie den Deutschordenplatz von Montag bis Freitag für den Verkehr, schließen Sie ihn nur an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen.“
„2. Öffnen Sie den Oberen Graben am Zollamt aus Richtung Igersheim und bilden Sie einen großen Kreisverkehr mit Wachbacher und Würzburger Straße. Auf freiwerdenden Flächen können neue Parkplätze entstehen.“
„3. Machen Sie den Gänsmarkt halbseitig (zur Härterichstraße hin) befahrbar.“
„4. Bewerben Sie kostenfreies Parken in der Innenstadt in den ersten zwei Stunden und freies Parken an Samstagen und Sonntagen.“
5. bis 7.: Mehr öffentliche Hinweise auf die notwendigen Baustellen im Zuge Landesgartenschau samt Entschuldigung an die Gäste der Stadt. Zudem: Der Auftrag an den neuen städtischen Wirtschaftsförderer öfters nach den Bedürfnissen und Sorgen der Gewerbetreibenden zu fragen. Und zu guter Letzt: „Das Ordnungsamt an die Kandare nehmen.“ sabix
Stimmen gegen die Landesgartenschau in Bad Mergentheim
„Dass sich eine Vielzahl der Personen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, gegen die Landesgartenschau ausspricht, hat mich doch sehr verwundert, wenn man bedenkt, was die Landesgartenschau unserer Stadt an Entwicklung bringt und wie stark die signifikanten Vorteile sind“, so Glatthaar. Zahlreiche Themen, die seit zehn oder 20 Jahren städtebaulich „dringend anstehen, können dank der erwarteten Fördermittel angegangen werden, wohingegen die Stadt aus eigener Kraft nur wenig schaffen würde“. Da scheine weiterhin viel Aufklärung nötig.
„Sehr großes Verständnis haben wir alle für das Anliegen, dass die Baustellen gut organisiert, der Zugang zu den Geschäften gewahrt, zeitlich in einem möglichst kurzen Rahmen gehalten und kommunikativ gut begleitet sein müssen, um die Belastungen in einem ertragbaren Rahmen zu halten“, erklärt Glatthaar noch und fügt an, dass aber ohne Baustellen nichts vorangehe.
Mit dem Gemeinderat wolle er nun in weiteren Entscheidungsprozessen die angestoßene Entwicklung verfeinern, nachjustieren, auch Details ändern, aber eben nicht alles stoppen. „Wir haben einige Themen mitgenommen, bei denen wir pragmatische Lösungen prüfen, beispielsweise die erweiterte kostenlose Parkzeit.“
Bei einigen großen baulichen Themen verteidigt der OB die langen Beteiligungsprozesse und demokratischen Gemeinderatsentscheidungen: „Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, dass wir vorankommen müssen.“ Zugesagt hat Glatthaar einen weiteren Austausch mit den Gewerbetreibenden.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim_artikel,-bad-mergentheim-bad-mergentheim-grosser-unmut-ueber-verkehrspolitik-_arid,2168689.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html
Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Es geht auch anders in Bad Mergentheim