Prozess am Amtsgericht

Bad Mergentheim: „Das Opfer hatte Todesangst“

Es war ein Prozess, der auch für die erfahrene Richterin Susanne Friedl aus der Masse heraussticht. Für sexuelle Nötigung mit „erheblicher Gewalteinwirkung“ wurde ein 26-Jähriger verurteilt. Nicht das einzige Vergehen.

Von 
Simon Retzbach
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Bad Mergentheim/Löffelstelzen. Die Liste der Vorwürfe gegen Erik W. wollte schier kein Ende nehmen. Vorfall um Vorfall zählte der Vertreter der Staatsanwalt auf. Mehrere Diebstähle mit einem insgesamt beträchtlichen Wert beging der 26-jährige Angeklagte sowohl in der Bad Mergentheimer Filiale der Drogerie Müller als auch im Elektronikmarkt hem expert, ehe es im August zum letztlich schwerwiegendsten Vorfall kam, einer versuchten Vergewaltigung.

Durch verschiedene Zeugenaussagen und Angaben des Angeklagten ließ sich der Tathergang dieses Vergehens im Prozessverlauf rekonstruieren. Gegen ein Uhr in der Nacht kam er zur Wohnung seiner Ex-Freundin in Löffelstelzen. Schon zuvor hatte er diese kontaktiert mit dem Wunsch, noch einmal zu reden. Diesem kam die Frau nach, wies jedoch Annäherungsversuche des Angeklagten schon da zurück.

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goe
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Bei seinem nächtlichen Auftauchen an der Wohnung stand der Angeklagte nach eigenen Aussagen unter Drogeneinfluss. Und dann ging es „ganz schnell“, wie seine Ex-Freundin beschreibt. Sie habe ihm die Türe geöffnet, woraufhin er sie sofort aus der Wohnung die Treppe nach unten vor die Haustür gezogen habe.

Heftige Gegenwehr

Trotz heftiger Gegenwehr gelang es ihm dort, die 31-Jährige zu Boden zu bringen und zu entkleiden. Er habe sie wiederholt geschlagen und auch gewürgt, schilderte das Opfer die Tat. Auch habe er gedroht, sie zu töten, sollte sie weiterhin Widerstand leisten.

Zu einer vollendeten Vergewaltigung kam es aufgrund der Gegenwehr des Opfers nicht. Währenddessen erlitt die Frau Todesängste: „Ich hatte Angst, dass ich erwürgt werde.“ Ein Nachbar hörte schließlich die gedämpften Hilferufe des Opfers und rannte nach draußen, wo er die nur noch teilweise bekleidete Frau am Boden liegend vorfand. Als er den ebenfalls nur noch unvollständig bekleideten Angeklagten ansprach, zog dieser sich sofort an und rannte weg.

Wie es zu der Tat kam, konnte sich Erik W. selbst nicht erklären. „Ich bin von mir selbst geschockt. Das ist die Frau, die ich liebe. Die Mutter meiner Kinder“, erklärte er vor Gericht. Durch die Drogen könne er sich an die Tat nicht mehr genau erinnern. Er habe schon vor dem verhängnisvollen Besuch bei seiner Ex-Freundin versucht, sich bei der Polizei zu stellen. Man habe ihn jedoch auf den nächsten Tag vertröstet. Ein Umstand, dem er große Bedeutung beimisst und der seiner Ansicht nach das Sexualdelikt hätte verhindern können.

Auf Schreie kaum reagiert

„Er war wie im Tunnel, so habe ich ihn vorher noch nie erlebt“, beschrieb das Opfer Erik W.s Verhalten während der Tat. Er habe auf ihre Schreie kaum reagiert und durch das Würgen sei ihr mehrmals schwarz vor Augen geworden. „Wie geht es Ihnen heute damit?“, wollte der Staatsanwalt von der Frau wissen. Anfangs sei es schwer gewesen, jetzt gehe es ihr besser, berichtete die äußerlich gefasst wirkende 31-Jährige. Gewalt habe es in der Beziehung auch früher schon gegeben, aber nicht in diesem Ausmaß.

Nachdem der Tathergang klar war und der Angeklagte diesen grundsätzlich auch einräumte, ging es vor allem um die Frage, inwiefern er durch massiven Drogenkonsum in seiner Handlungs- und Urteilsfähigkeit eingeschränkt war. Eine solche Einschränkung kann mildernde Auswirkungen auf das Urteil haben.

Während Verteidiger Frank Gangl diese Einschränkung gegeben sah, widersprach dem die Staatsanwaltschaft. Erik W. sei zum Tatzeitpunkt steuerungs- und einsichtsfähig gewesen. „Während das Geständnis zwar strafmildernd wirkt, reden wir hier dennoch von heftiger Gewalt. Das Opfer leidet unter diesen Taten“, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Die ebenfalls strafrelevanten Diebstähle seien zudem mehrheitlich „besonders schwere Fälle, da sie gewerbsmäßig zur Finanzierung des Drogenkonsums zu sehen sind.“ Drei Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe forderte die Anklagevertretung für den Fall sexueller Nötigung unter Gewaltanwendung sowie neun Fälle von Diebstahl.

Den Ausführungen hatte die Verteidigung letztlich wenig entgegenzusetzen. Anwalt Frank Gangl bezweifelte jedoch den „Zustand voller Steuerungsfähigkeit“. Sein Mandant sei am Tattag „im Tunnel“ gewesen. Ohne konkretes Strafmaß bat er abschließend darum, seinem Mandanten die Möglichkeit zur Entzugstherapie zu gewähren.

In ihrem Urteil folgten Richterin Friedl und die Schöffinnen mit drei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe der Forderung des Ellwanger Staatsanwaltes. Die Begründung von Susanne Friedl im Anschluss war deutlich: „Ihre Schuldzuschreibung an den Polizisten, der sie an dem Abend nicht gleich in Gewahrsam nahm, lehne ich ab. Sie hätten jederzeit die Möglichkeit gehabt, sich Hilfe in Form des Rettungsdienstes zu rufen, der sie in eine spezialisierte Klinik gebracht hätte. Suchen Sie hier keinen Sündenbock“

Es sei einzig und allein die Schuld des Angeklagten, der die Tat hätte abwenden können. „Sie haben schwere Schuld auf sich geladen. Das Opfer hatte Todesangst“, fand sie klare Worte. Eine durch Drogen verminderte Steuerungsfähigkeit erkannte sie im Tathergang nicht, dafür jedoch eine erhebliche „kriminelle Energie“ bei den zahlreichen Diebstählen. Auch dass es kein ganz normaler Fall war, machte sie in ihren abschließenden Worten deutlich: „Dieser Fall liegt deutlich über bisherigen Vergewaltigungen, die wir hier am Amtsgericht verhandelt haben.“

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