Odenwald-Tauber. Es hätte alles so schön sein können: Zur Bewältigung der Coronapandemie nicht benötigte 60 Milliarden einfach für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verwenden und so zahlreiche Projekte verwirklichen.
Doch das Bundesverfassungsgericht gab im November auf Klage der Unionsfraktion im Bundestag den „Spielverderber“ und erklärte die Umwidmung der Kredite für verfassungswidrig und damit nichtig. Die Ampelkoalition im Bund steht nun vor immensen Schwierigkeiten in der Haushaltsplanung, denn aus dem Urteil ergeben sich weitreichende Folgen.
Auswirkungen auf Kommunen wohl sicher
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zog die Reißleine und stoppte zuerst den KTF, später erließ er die komplette Haushaltssperre mit nur wenigen Ausnahmen. Gemeint sind mit dieser Sperre konkret die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen. Sie erlauben es, für kommende Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen, beispielsweise für langfristige Projekte.
Solche Zahlungsverpflichtungen für langfristige Projekte kommen häufig auch den Kommunen im Land zugute. Diese haben zwar auch eigene Finanzierungsquellen, erhalten jedoch projektbezogen immer wieder Förderungen von Bund und Land. Dass die haushalterischen Probleme des Bundes auch Auswirkungen auf die Kommunen haben werden, gilt als sicher. Doch wie ist der aktuelle Stand bei den Kommunen in der Region Odenwald-Tauber? Die FN haben nachgefragt.
„Konkrete Auswirkungen der Haushaltssperre des Bundes auf den städtischen Haushalt sind bisher nicht absehbar“, ist aus dem Wertheimer Rathaus zu erfahren. Simone Schölch erklärt für die Stadt Buchen: „Laufende Ausgaben in 2023 sind nicht betroffen. Förderungen also, die aktuell schon zugesagt sind, und Themen, zu denen Verpflichtungen eingegangen sind, werden finanziert“.
Förderungen ungewiss
In Lauda-Königshofen schließt sich Bürgermeister Dr. Lukas Braun diesen Einschätzungen weitgehend an. Er ergänzt jedoch, dass es einen „Antrags- und Förderstopp der KfW für einige Förderprojekte im Bereich energetische Stadtsanierung, altersgerechtes Umbauen und genossenschaftliches Wohnen“ gebe.
Für 2023 sind die Kommunen der Region also im haushalterischen Sinne „sicher“. Doch auch für 2024 stehen Projekte an, für die bislang eine Förderung eingeplant war. Diese sind nun ungewiss. Wie blicken die Gemeinden in die unmittelbare Zukunft?
„Förderprogramme könnten gekürzt oder ganz gestrichen werden: Das träfe die kommunale Haushaltsplanung unmittelbar. Oder es werden weitere Aufgaben ohne Kompensation an die Kommunen übertragen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt aber Spekulation, weshalb der Deutsche Städtetag in der aktuellen Situation ’große Unsicherheiten’ konstatiert“, beschreibt Bad Mergentheims Pressesprecher Carsten Müller die aktuelle Situation.
Druck zu Kürzungen
„Wenn mit einem Mal 60 Milliarden Euro fehlen und durch die verfassungsrechtliche Entscheidung das bei Bund und Ländern gängige Modell überjähriger, aus den Haushalten ausgelagerter Sondervermögen insgesamt ins Visier gerät, ist natürlich absehbar, dass der allgemeine Druck zu Kürzungen innerhalb der Haushalte in den kommenden Jahren massiv zunehmen wird. Das werden wir schon noch zu spüren bekommen“, ergänzt Dr. Braun. Auch im Wertheimer Rathaus fürchtet man zukünftig potenziell „weniger Fördermittel für Investitionsvorhaben“.
Konkret nennt Simone Schölch für die Stadtverwaltung in Buchen bereits erste Projekte: „Das Förderprogramm für die Wärmenetze wurde eingefroren, die Finanzierung ist aktuell gestoppt. Ein anderes Beispiel ist die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstrukturförderung und Küstenschutz (GAK). Auch hier gibt es ab 2024 keine gesicherte Finanzierungsbasis. Die GAK ist das wichtigste nationale Förderinstrument für eine leistungsfähige, auf künftige Anforderungen ausgerichtete und wettbewerbsfähige Land- und Forstwirtschaft sowie vitale ländliche Räume. Die Förderung des Waldumbaus und der Wiederbewaldung, aber auch die für uns wichtige Förderung der Ländlichen Räume kann aktuell nicht mehr als gesichert gelten. Da gibt es aktuell noch viele Fragezeichen.“
Investitionen dringend nötig
Für die Bevölkerung wird die unklare Finanzlage spürbare Folgen haben. „Man kann heute schon sagen, dass sich in Zukunft neue Vorhaben wohl verlangsamen werden. 12,5 Milliarden Euro aus dem KTF sollten in den kommenden Jahren in die Modernisierung der Schieneninfrastruktur fließen. Wir sehen ja an der Frankenbahn und der Tauberbahn, dass Investitionen hier dringend flächendeckend nötig sind, wenn wir wieder zu einem verlässlichen Personen- und Güterverkehr auf der Schiene kommen wollen“, beschreibt Dr. Braun mögliche Auswirkungen der Haushaltssperre. Ähnlich sieht man das auch in Buchen: „Dringend investiert werden muss in den Umbau der Wirtschaft und die Ertüchtigung der öffentlichen Infrastruktur (Bildung, Bahn und Straßen).“
Dies sei nach Auskunft der Sprecherin der Buchener Stadtverwaltung sogar ohne Neuverschuldung möglich. „Wir sind der Meinung, dass wir kein Einnahme- sondern vielmehr ein Verteilungsproblem haben. Wir zahlen 60 Milliarden Entwicklungshilfe, darunter 600 Millionen an Indien und rund 500 Millionen an China. Also an Länder, die deutlich wachsen und mit uns im Wettbewerb stehen. Die Hilfe an die Ukraine beläuft sich aktuell auf 24 Milliarden Euro. Über diese Summen und ihre Verteilung sollte grundsätzlich nachgedacht werden“, fordert die Stadt ein fiskalpolitisches Umdenken.
Auch das Bürgergeld und dessen geplante Erhöhung sieht man dort kritisch. „Leider steht zu befürchten, dass die Ampelkoalition sich über eine dringend nötige Priorisierung nicht einigen kann“, so das nüchterne Fazit.
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