Politik gefordert

Aktuelle Situation in der Pflege auch in Bad Mergentheim angespannt

Das Thema Pflege ist ein Dauerbrenner. Die FN haben sich umgehört, welche Sorgen und Nöte es gibt und welche Forderungen an Gesellschaft und Politik gerichtet werden.

Von 
Roland Mehlmann
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Rosetta Schwarz hat sichtlich Freude bei der Arbeit. © Roland Mehlmann

Bad Mergentheim. Joachim Steffan ist seit 22 Jahren Pfleger auf der allgemeinchirurgischen Station des Caritas Krankenhauses und findet: „Pflege ist ein sehr anspruchsvolles Handwerk mit einem Höchstmaß an Verantwortung. Man muss kein Menschenfreund sein, kein Helfersyndrom haben und sich auch nicht berufen fühlen. Man muss nur seinen Job so gewissenhaft und gut wie möglich machen wollen. Es bräuchte einen grundlegenden Wandel des Berufsbildes auf politischem Wege. Die Pflege müsste arbeitsteilig werden, das heißt unterschiedliche Aufgabenfelder bei unterschiedlichen Qualifikationen und zunehmend selbständiges Arbeiten ohne ärztliche Anordnungen bei spezieller Qualifizierung.“

Claudia Lochner ist Fachkrankenpflegerin für Notfallmedizin in der Notaufnahme, arbeitet im Caritas seit 1982 in der Pflege und hat zwei Botschaften: „Auch nach 42 Jahren bin ich noch der Meinung, dass der Pflegeberuf einer der schönsten Berufe ist. Nicht die Aufgabe ist das Problem, sondern die Bedingungen.“ Während sie Verbesserungen in den Diagnose- und Behandlungsmethoden, sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung sieht, gibt es große Probleme in der zunehmenden Belastung der Pflegekräfte, der ebenfalls gestiegenen Aggressionsbereitschaft von Patienten und Angehörigen und der Diskrepanz zwischen der Personalknappheit und der steigenden Zahl der pflegebedürftigen Menschen.

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Sie wünscht sich, dass es neben der Optimierung der Arbeitsbedingungen von der Politik mehr Anstrengungen gibt, damit nicht noch mehr Kliniken schließen müssen, früheres Renteneintrittsalter für Pflegekräfte und vor allem, dass es in der Bevölkerung mehr Wertschätzung für Pflegekräfte gibt: „Die Gesellschaft sollte die Pflegekräfte so behandeln wie sie selbst behandelt werden möchte.“

Sabine Balschun arbeitet als Gesundheits- und Krankenpflegerin auf einer kardiologischen Station im Caritas und ist seit 1989 in der Pflege tätig. Sie sagt, dass durch kürzere Verweildauern der Patienten die Zahl der Aufnahmen und Entlassungen pro Tag stark gestiegen ist und damit auch der Verwaltungsaufwand. Glücklicherweise habe sich aber auch der Stellenschlüssel geändert, so dass ein wenig mehr Zeit für die Patienten bleibt, leider geht aber durch vermehrte Dokumentation auch wieder Zeit verloren. Sie findet: „Es muss mehr beachtet werden, welchen Pflegeaufwand einzelne Patienten mit sich bringen. Außerdem bleibt leider oft das Miteinander, die Geduld, das Verständnis und der Respekt auf der Strecke, was für uns den größten Teil zur Wertschätzung beitragen würde. Dies würden wir uns auch wieder mehr von der Gesellschaft wünschen.“

Mehr Pflegehelfer

Thorsten Prieß ist Klinikdirektor der Fachklinik Schwaben und seit Jahrzehnten im Pflegebereich tätig. Seine Meinung zu den Veränderungen der letzten Jahre: „Es wurden mehr Hilfsmittel entwickelt und eingesetzt. Andere Versorgungsbereiche geschaffen. Durch Einsatz der EDV entfallen die Papierakten und das Suchen der Akten und einsortieren, dadurch sparen wir viel Zeit. Was negativ in der Pflege auffällt ist, dass weniger Fachkräfte vorhanden sind. Es werden mehr Pflegehelfer eingesetzt. Früher kamen die sogenannten Kurgäste. Das Klientel hat sich gewandelt. Es kommen immer mehr schwerkranke und multimorbide Menschen in das Haus. Dadurch entstehen mehr Krisensituationen und diese Patienten brauchen mehr Hilfe.“ Die Politik sollte den Pflegeberuf neu strukturieren. Nicht zuletzt sollten Projekte in den Schulen gestartet werden, damit man das Bild der Pflege positiver darstellen könnte.

Friederike Rudolph ist Krankenschwester in der Hufeland Klinik Bad Mergentheim und seit 25 Jahren in der Pflege tätig. Auf die Veränderungen angesprochen, erklärt sie: „Ich finde es richtig und sehr wichtig, dass es mittlerweile verschiedene Qualifikationsmöglichkeiten in der Pflege gibt, zum Beispiel Pflegehilfe, dreijährige Ausbildung, verschiedene Bachelorstudiengänge. Auf der anderen Seite gibt es zu große Einsparungen an Pflegemitteln und Personal. Dadurch ist eine optimale Versorgung der Patienten in vielen Bereichen nicht mehr möglich und das Personal dauerhaft über der Belastungsgrenze!“ Sie wünscht sich, dass eine höhere Wertschätzung der körperlich und psychisch teilweise sehr belastenden Arbeit zum Beispiel durch ein deutlich höheres Gehalt und geringere Wochenarbeitszeit zum Ausdruck kommen solle.“

Bürokratische Aufwand

In der Kitzberg Klinik ist Stefanie Schmidt seit 16 Jahren als Kinderkrankenschwester beschäftigt. Nach ihrer Erfahrung sei der bürokratische Aufwand deutlich mehr geworden, gleichzeitig aber auch die Akzeptanz als eine der wichtigsten Berufsgruppen in der Klinik deutlich gestiegen. Auf die Frage nach Verbesserungen antwortet sie: „Da sind wir in der Klinik schon auf einem sehr guten Weg und immer wieder im Austausch mit den Vorgesetzten. Regelmäßige Teamsitzungen und Supervisionen, bei denen wir „gehört“ werden, finde ich wichtig. Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft vor dem Fachkräftemangel nicht die Augen verschließt und die Politik schnellstmöglich handelt. Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen, bei dem man sich so gebraucht fühlt und am Ende des Tages immer weiß, wofür man arbeitet.“

Ansprüche gestiegen

Seit 25 Jahren ist die examinierte Pflegefachkraft Andrea Kuhn-Berg in den Kliniken Vötisch und arbeitet als stellvertretende Pflegedienstleitung. Sie sagt: „In den vergangenen Jahren hat sich die Pflege massiv verändert, die Ansprüche im Rehabilitationsbereich sind stetig gestiegen. Die Krankenhaustage sind deutlich verkürzt, somit verändern sich auch die Anforderungen an das anschließende Heilverfahren. Der Pflegefachkräftemangel ist allgegenwärtig, wobei wir uns in den Kliniken Dr. Vötisch glücklich schätzen, uns auf ausschließlich dreijährig ausgebildete Kollegen verlassen zu können. Zu den positiven Aspekten in der Pflege zählen vor allem die vielfältigen Möglichkeiten einen Bereich zu finden um seine Fähigkeiten bestmöglich einzubringen, auch die Akademisierung in der Pflege bietet weitere Wege. Unser Wunsch an die Politik ist definitiv die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege. Der Beruf muss wieder attraktiver für Neu- und Wiedereinsteiger werden. Die Gesundheit aller sollte kein gewinnbringendes Geschäft sein, sondern im Interesse des Staates liegen. In der Gesellschaft im Allgemeinen sollte das Bewusstsein und die Akzeptanz für die momentane Situation in der Pflege wachsen, der Fachkräftemangel kann nicht vollumfänglich von den Verbleibenden kompensiert werden.“

„Finde meinen Beruf toll“

Rosetta Schwarz ist Altenpflegerin in der Rehaklinik ob der Tauber und arbeitet seit 2009 in der Pflege. Die Veränderungen beschreibt sie so: „Es gab leichte, beziehungsweise minimale Gehaltsanpassungen und die Wertschätzung einiger weniger Patienten ist gestiegen. Gleichzeitig leiden wir aber sehr unter Fachkräftemangel, zu viel Fremdarbeit (Arbeiten von anderen Abteilungen übernehmen wegen Personalmangel) und gestiegenem Leistungsdruck. Der Anspruch an die Pflege steigt stetig, das Gehalt leider nicht im gleichen Maße und es gibt eindeutig zu viel Bürokratie.“

Ihre Vorschläge: Grundsätzlich mehr Gehalt, um Personal zu halten und Nachwuchs zu generieren, bessere Schichtsysteme, individuell angepasste Dienstpläne auf die einzelnen Personen, Bonus für Zusatzdienste, mehr Lob und Anerkennung. Trotz all der Widrigkeiten lautet ihr Fazit: „Ich finde meinen Beruf toll und würde diesen jederzeit wieder wählen, denn das Lächeln eines glücklichen und zufriedenen Patienten ist unbezahlbar!“

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